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Diskussion um Omikron und Schnelltests
Nasen- plus zusätzlicher Rachenabstrich – oder aktuellen Antigentests vertrauen?
Am heutigen Freitag beraten die Ministerpräsident:innen mit dem Bundeskanzler über weitere COVID-19-Schutzmaßnahmen. Dabei steht auch eine Lockerung der Quarantäne-Regeln zur Debatte. Diese könnte „hochwertigen“ Antigentests einen neuen Stellenwert in der Pandemie geben. Aktuell wird in sozialen Medien diskutiert, dass der Nasen-Abstrich einem Rachen-Abstrich angesichts Omikron unterlegen sein könnte. In Eigenregie Rachenabstriche durchzuführen, scheint aber kein guter Rat zu sein. Sind gängige Speicheltests die Lösung?
Wenn die Corona-Krise eines zeigt, dann dass „Wissenschaft live“ nicht funktioniert. Die Dinge müssen erst passieren, um sie dann zu erfassen und auszuwerten. Das verleiht vor allem in den sozialen Medien dem Teilen von anekdotischem Wissen Auftrieb. Das ist nicht zwangsläufig zu kritisieren, denn irgendwie muss man selbst und die Politik ja vorkehrende Maßnahmen treffen, dennoch ist all das mit Vorsicht zu genießen.
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Dass die meisten der in Deutschland angebotenen Coronaschnelltests nach Einschätzung des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI) auch zum Nachweis der neuen Omikron-Variante des Coronavirus SARS-CoV-2 geeignet sind, darüber hat die DAZ bereits berichtet. Wichtig ist, dass sie das Nukleo-Protein (N-Protein) des Coronavirus nachweisen. Allerdings erklärte das PEI auch: Für eine endgültige, qualitative und quantitative Aussage seien weitere Untersuchungen, insbesondere Vergleichsstudien mit Proben von Omikron-infizierten Personen erforderlich.
Es erscheint also nicht ganz unberechtigt, die Zuverlässigkeit der Antigentests angesichts von Omikron zu hinterfragen. So legen manche derzeit nahe, die Probennahme für die Tests zu überdenken. Beispielsweise ein Artikel aus der „Washington Post“ greift diese Fragestellung auf, weil aktuell in den sozialen Medien empfohlen wird, bei Antigentests, die auf einem Nasenabstrich beruhen, einen Rachenabstrich hinzuzufügen. Neben anekdotischen Berichten, dass sich Menschen mit Erkältungssymptomen nach einem negativen Nasenabstrich tatsächlich mit einem zusätzlichen Rachenabstrich plötzlich positiv getestet haben, gibt es auch einen Preprint, der nahe legt: „Speichelabstriche sind die bevorzugte Probe für den Omikron-Nachweis“. Er wurde am 24. Dezember veröffentlicht und stammt aus Südafrika. Die Ergebnisse würden Ex-vivo-Ergebnisse einer verbesserten Virusreplikation im Gewebe der oberen Atemwege und eines möglicherweise veränderten Gewebetropismus unterstützen, heißt es im Fazit des Preprints.
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Doch während manche Expert:innen nun um Bewusstsein für eine veränderte Probennahme werben, betonen unter anderem Behörden wie die US-amerikanische Arzneimittelbehörde FDA und das PEI, dass man nicht von den Anweisungen zu den jeweiligen Tests abweichen sollte. Tatsächlich gibt es im Mund durch Nahrungsaufnahme und Co. mehr denkbare Störfaktoren als in der Nase, sodass in Anweisungen zu Speicheltests teils darauf hingewiesen wird, diese direkt nach dem Aufstehen zu verwenden. „Ich weiß nicht, wie hoch die Falsch-Positiv-Rate ist, wenn ein Rachenabstrich in den Test einbezogen wird“, sagte etwa Matthew J. Binnicker, Leiter der klinischen Virologie an der Mayo Clinic in Rochester, Minnesota, der „Washington Post“. Albert Ko, ein Arzt für Infektionskrankheiten und Epidemiologe an der Yale School of Public Health, meint, man solle über die „Abstrichdebatte“ hinausdenken. So könne vor allem der Zeitpunkt der Tests entscheidend sein.
In diese Richtung argumentierte auch der Virologe Christian Drosten der Berliner Charité im „Coronavirus-Update“ des NDR-Podcasts in Folge 107 am 4. Januar.
„Seit wir impfen sind Antigentests geringfügig weniger sensitiv“
Denn Drosten geht bei Menschen mit Durchbruchinfektionen nach Impfung inzwischen davon aus, dass diese bereits Symptome bekommen, wenn die Viruslast noch gar nicht so hoch ist – weil das Immunsystem bei Vorimmunisierten aufgrund des Immungedächtnisses nach Kontakt mit dem Virus sofort getriggert werde. Wenn die Symptome also tatsächlich ein bis drei Tage vor dem Virus-Gipfel beginnen würden, dann könnten Menschen, die sich aufgrund einer „Erkältung“ testen, ein negatives Ergebnis erhalten, obwohl sie sich mit Corona infiziert haben. Das könnte die Berichte von zunächst negativen Tests in sozialen Medien erklären. Drosten sagte:
„[…] wir wissen eigentlich, die Antigentests, die helfen gegen dieses Omikron-Virus gut, so gut wie gegen die anderen Viren auch. Und es gibt zwar hier und da in Social Media mal eine Meldung, dass es schlechter wirken könnte, aber da muss man natürlich immer auch sagen: Seitdem wir impfen, sind diese Antigentests geringfügig ein bisschen schlechter sensitiv.“
Das macht die Tests aber nicht weniger wichtig. Vergangenen Mittwoch hatte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) mögliche Änderungen bei Quarantäneregeln angesichts der Ausbreitung der neuen Corona-Variante Omikron konkretisiert. Die Deutsche Presse-Agentur zitierte zunächst aus einem Papier, in dem es hieß, man könne, um sich aus einer Quarantäne freizutesten, nicht nur PCR-, sondern auch „hochwertige“ Antigentests nutzen. In dem Beschlussvorschlag von gestern Nachmittag, der der DAZ-Redaktion vorliegt, ist allerdings dann von „zertifizierten“ Schnelltests die Rede.
„Die Infektiosität korreliert so ungefähr mit einem positiven Antigentest“
Zur Debatte um die Quarantäne-Zeiten sagte Drosten am 4. Januar im Podcast, dass er nicht den Eindruck habe, dass der Viruslast-Verlauf bei Omikron generell kürzer sei als bei Delta. Doch sei auch die politische Dimension zu berücksichtigen: „Wir wissen inzwischen ganz gut, die Infektiosität korreliert so ungefähr mit einem positiven Antigentest. Die Empfindlichkeit des positiven Antigentests, die ist ungefähr so, wie auch das, was wir vielleicht noch als infektiöse Virusdosis bezeichnen würden.“ Zumindest mit Maske könne man dann nach einem negativen Test in kritischen Bereichen arbeiten, stellte Drosten die Überlegung an.
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Der ungeprüfte Rachenabstrich in Eigenregie erscheint derzeit also nicht unbedingt ratsam, könnte er die Ergebnisse doch eher verfälschen, und auch nicht notwendig sein. In der Liste der 20 besten Antigentests laut PEI – wo es um die Sensitivität der Tests geht – steht auf Platz vier beispielsweise auch ein Speicheltest („COVID-19 Antigen Speicheltest (Immunochromatographie)“ von ulti med Products (Deutschland) GmbH). Laut PEI ist sein Zielantigen das Nukleo-Protein (N-Protein). Wer also den neuesten Erkenntnissen aus Südafrika folgen möchte, dass die Viruslast im Speichel höher sein könnte, der muss gar nicht unbedingt mit ungeprüften Rachenabstrichen hantieren.
Auch auf Platz acht steht ein Speicheltest mit dem gewünschten Zielantigen: „Tigsun COVID-19 Saliva Antigen Rapid Test (Beijing Tigsun Diagnostics Co.;Ltd.)“. Auf der Liste des PEI zu den Ergebnissen der „SARS-CoV-2 Antigenschnelltests, die das Sensitivitätskriterium erfüllen“, finden sich unter dem Stichwort „Saliva“ noch weitere Speicheltests. Abschließend wissenschaftlich gesichert sind all diese Überlegungen aber eben noch nicht.
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