Weltkrebstag

Krebsfrüh­erkennung und -nachsorge leiden durch Corona

Stuttgart - 04.02.2022, 14:30 Uhr

Am 4. Februar ist Weltkrebstag. (Foto: IMAGO / blickwinkel)

Am 4. Februar ist Weltkrebstag. (Foto: IMAGO / blickwinkel)


Der diesjährige Weltkrebstag, der am heutigen Freitag stattfindet, steht unter dem Motto „Versorgungslücken schließen“. Damit will die Deutsche Krebshilfe darauf aufmerksam machen, dass Krebsfrüherkennungen auch in Pandemiezeiten wichtig sind, offenbar diese Untersuchungen aber unter anderem aus Angst vor einer Corona-Infektion viel weniger in Anspruch genommen werden. Dasselbe gilt für die Nachsorge. 

In Deutschland erkranken rund 500.000 Menschen jährlich an Krebs. Neben Darm- und Brustkrebs gehört der Lungenkrebs zu den häufigsten Krebsarten. Eine Krebserkrankung ist in Deutschland die zweithäufigste Todesursache – nahezu 240.000 Menschen starben im Jahr 2020 daran. Aus diesen Gründen kommt der Früherkennung besondere Bedeutung zu. 

Doch ist diese – wie auch die akute Versorgung und Nachsorge von Krebspatienten – durch die Corona-Pandemie beeinträchtigt. „Da werden wir in ein, zwei Jahren noch eine schwierige Situation erleben“, meint Susanne Weg-Remers vom Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg.

Mehr zum Thema

Fokus auf Präventionsmaßnahmen gerichtet

Europa fasst einen Plan gegen Krebs

Keine Vorsorge aus Angst vor Corona-Infektion

Weg-Remers habe Verständnis für die Zurückhaltung, wenn man nur zur Vorsorge in eine Praxis oder ein Krankenhaus gehen soll. „Aus Angst vor Ansteckung nehmen etliche Menschen die Krebsfrüherkennung nicht wahr.“ So würden Mammografie und Darmspiegelungen deutlich weniger genutzt, als vor der Pandemie.

Bei einer von der AOK in Auftrag gegebenen Forsa-Befragung gab im Mai 2021 jeder Fünfte an, dass er wegen Corona nicht zu einem oder zu mehreren Krebs-Vorsorgeuntersuchungen gehen konnte oder wollte.

Der Präsident der Deutschen Krebsgesellschaft (DKG), Thomas Seufferlein, gibt zögernd Entwarnung: „Die Mehrzahl der Corona-Infektionen passiert nicht in Kliniken und Praxen, sondern im privaten Bereich, weil man dort eher auf Schutzmaßnahmen verzichtet.“

Dabei hilft die Krebsfrüherkennung aus Sicht der beiden Experten, Tumore zu erkennen, wenn noch eine gute Chance auf Heilung besteht. „Da sind auch schon Vorstufen zu erkennen“, erläutert Weg-Remers. Dies gelte insbesondere für Darm- und Gebärmutterhalskrebs. Doch diese Vorteile fielen für manche Menschen weniger stark ins Gewicht als das Risiko einer Corona-Ansteckung. „Wir werden es in den kommenden Jahren mit mehr fortgeschrittenen Krebserkrankungen zu tun haben“, ist die Medizinerin sicher.

Weltkrebstag 2022

In diesem Jahr findet am 4. Februar zum 22. Mal der Weltkrebstag statt. Mit dem Motto „Versorgungslücken schließen“ informiert die Deutsche Krebshilfe verstärkt über die Möglichkeiten zur Krebsprävention und -früherkennung. 

Ins Leben gerufen wurde der Weltkrebstag 2006 und seitdem machen die „Internationale Union gegen Krebs“ (UICC), die Weltgesundheitsorganisation (WHO) und andere Organisationen darauf aufmerksam.

Deutlicher weniger Hautkrebs-Früherkennungen

Viele Deutsche nehmen ohnehin Angebote zur Früherkennung nicht wahr. Laut AOK ist ein relevanter Teil ihrer anspruchsberechtigten Versicherten über einen Zeitraum von zehn Jahren von der Krebs-Früherkennung noch nicht oder nur begrenzt erreicht worden. Und während der Pandemie kam es laut der Krankenkasse zu Einbrüchen bei der Krebsfrüherkennung, die gesundheitliche Folgen befürchten ließen.

Besonders starke Rückgänge um fast 20 Prozent waren 2020 bei der Früherkennung von Hautkrebs zu verzeichnen, bei Anfang 2021 weiter rückläufigem Trend. Rückgänge der Teilnahmequoten im Vergleich zu 2019 von je 8,1 Prozent wurden beim Mammografie-Screening und bei der Prostatakrebs-Früherkennung festgestellt. Bei der Früherkennung von Gebärmutterhalskrebs war es ein Minus von 5,5 Prozent.

Verspätete Diagnose bei rund 71.000 Menschen 

Die Barmer bestätigt einen ähnlichen Trend: Operative Eingriffe bei Krebs gingen laut der Krankenkasse 2020 um 26,3 Prozent zurück. Strahlentherapien verzeichneten ein Minus von 28 Prozent. Auch 2021 sei der Stand vor Corona nicht wieder erreicht worden, meint Ursula Marschall, leitende Medizinerin der Barmer.

In Bezug auf die Früherkennung geht sie davon aus, dass 71.000 Menschen in Deutschland keine oder eine verspätete Krebsdiagnose erhielten, darunter 11.000 Brustkrebspatientinnen und 9.000 Menschen mit Melanomen. Marschall resümiert: „Wir gehen davon aus, dass die Krebssterblichkeit dadurch deutlich steigt.“

Nicht aus Angst vor Corona, sondern um das Gesundheitssystem nicht zusätzlich zu belasten

Auch DKG-Präsident Seufferlein verweist auf die gesunkene Früherkennung: „Menschen meiden nicht nur aus Angst vor Corona-Infektionen die Krebsvorsorge, sondern weil sie das Gesundheitssystem nicht zusätzlich belasten wollen.“ Gerade bei häufigen Krebsarten wie Brust-, Darm- und Eierstockkrebs sei die Inanspruchnahme von Früherkennung am Anfang der Pandemie verringert gewesen.

Der langjährige Onkologe Andreas Schalhorn appelliert an jeden und jede mit dem kleinsten Verdacht auf einen Tumor, diese Frage trotz Corona zu klären: „Die Abklärung sollte unter keinen Umständen aufgeschoben werden.“ Der Mediziner aus München rät zu einer vollständigen Corona-Immunisierung, um ein mögliches Risiko einer Ansteckung bei den Untersuchungen zu minimieren.

Auch weniger Krebsnachsorge-Patienten 

Aber auch bei der Krebsnachsorge laufe es nicht rund, sagt Seufferlein, ärztlicher Direktor Innere Medizin der Uniklinik Ulm. „In den Gipfeln der Pandemie ist auch die Zahl der Nachsorge-Patienten um 30 Prozent gesunken.“ Das sei bedauerlich, sei doch Nachsorge – also eine fortlaufende medizinische und psychosoziale Unterstützung – in den ersten fünf Jahren nach Entfernen eines Tumors sehr wichtig, danach nehme das Risiko eines Rückfalls deutlich ab.

Laut Weg-Remers wurden bei den Krebszentren der Unikliniken in Deutschland im Dezember 2021 ein Viertel weniger Krebsnachsorge-Termine ausgemacht als vor der Pandemie.

Die Rückgänge bei den Diagnosen schlagen sich auch in einem Rückgang der Krebsoperationen nieder. So zeigt sich auf Basis der AOK-Abrechnungsdaten im Pandemie-Zeitraum von März 2020 bis Juli 2021 ein Rückgang der Zahl an Darmkrebs-Operationen um 13 Prozent, bei den Brustkrebs-Operationen um 4 Prozent im Vergleich zu 2019.

Dies kann sich der AOK zufolge mittelfristig in einem größeren Anteil höherer Schweregrade bei den Erkrankungen zeigen – und so auf die Sterblichkeit auswirken



Deutsche Apotheker Zeitung
redaktion@daz.online


Diesen Artikel teilen:


0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.