Außerordentliche Mitgliederversammlung

AVWL: Doch noch ein „Ja“ für Gedisa?

Stuttgart - 10.02.2022, 17:00 Uhr

Die Gedisa soll unter anderem das Impfportal betreiben. Alle Verbände außer dem AVWL sind dabei. (x / Foto: Schelbert) 

Die Gedisa soll unter anderem das Impfportal betreiben. Alle Verbände außer dem AVWL sind dabei. (x / Foto: Schelbert) 


Beim Apothekerverband Westfalen-Lippe fand sich am vergangenen Samstag keine Mehrheit für den Beitritt zur neuen Digitalgesellschaft Gedisa. 40 Mitglieder stimmten mit Ja, 40 mit Nein. Mit diesem knappen Ergebnis scherte der Verband aus der Reihe der Landesapothekerverbände aus. Doch es regt sich Widerstand unter den  AVWL-Mitgliedern.

Weshalb der ehemalige Vorstandsvorsitzende des Apothekerverbands Westfalen-Lippe (AVWL), Klaus Michels, im vergangenen September seinen Rücktritt erklärte, lässt er bis heute offen. „Nach 14 Jahren an der Spitze des AVWL und 30 Jahren ehrenamtlicher Tätigkeit für den Verband ist nun inmitten der Wahlperiode auch aus persönlichen Gründen der richtige Zeitpunkt, die Aufgabe geordnet in andere erfahrene Hände zu legen“, erklärte Michels seine Entscheidung damals und verschwand zunächst von der Bildfläche.

Haltung zur Gedisa Grund für Michels Rücktritt?

Bei der außerordentlichen Mitgliederversammlung des Verbands am vergangenen Samstag tauchte er plötzlich wieder auf und als Beobachter konnte man erahnen, dass die Entscheidung Michels womöglich auch mit der Haltung des AVWL zur neu gegründeten Digitalgesellschaft Gedisa (Gesellschaft Digitaler Services der Apotheken) zusammenhängen könnte. Der ehemalige Vorstandsvorsitzende brach nämlich eine Lanze für die Beteiligung seines Verbands an Gedisa – sie sei die „einzige Chance, eine Plattform zu schaffen, an der alle Apotheken in Deutschland beteiligt sind“. Sei der AVWL nicht dabei, bekomme er auch keine Gelegenheit, in irgendeiner Form mitzubestimmen. Bedingt dadurch, dass die ABDA in direkten Verhandlungen mit der Politik stehe, werde Gedisa immer einen Wissensvorsprung gegenüber kommerziellen Anbietern haben. „Wir werden immer schneller sein können als andere.“

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Ein Plädoyer, das für manche brennender rüberkam als der Vortrag von Gedisa-Geschäftsführer Sören Friedrich, ehemals Abteilungsleiter IT und Telematik bei der ABDA. AVWL-Vorstandsmitglied Jörg Pesch bemerkte nach Friedrichs Ausführungen, dass er ursprünglich zu den Befürwortern der Idee gehört hatte. „Sie hatten mich schon auf Ihrer Seite“, sagte er in Richtung des Gedisa-Geschäftsführers. Er habe durchaus eine gewisse Risikofreude mitgebracht und sei dafür gewesen, Visionen zu fördern. Allerdings merkte er an, dass der veranschlagte Finanzbedarf sich im Laufe eines Jahres mehrfach verändert habe.

Der AVWL habe Rechtsanwalt Ralf Wickert den positiv formulierten Auftrag vorgelegt, wie der Beitritt für den Verband möglich sein könnte. Wickert sei jedoch zu dem Schluss gekommen, dass der Vorstand nur dann eine positive Beschlussempfehlung aussprechen könne, wenn die angeforderten Unterlagen vorgelegt würden. „Je höher der Invest, desto verlässlichere Angaben brauche ich als Finanzgeber“, fasste Pesch zusammen. Weil die ABDA bzw. der Deutsche Apothekerverband dem AVWL jedoch die geforderten Unterlagen wie einen ausführlichen Businessplan und den finalen Gesellschaftervertrag schuldig blieb, konnte Jörg Pesch seinen Kolleginnen und Kollegen keine Zustimmung anraten.

Und so kam es dann auch: Bei der Mitgliederversammlung votierten 40 Stimmberechtigte für den Beitritt, 40 dagegen, fünf enthielten sich – damit fand sich keine Mehrheit für eine Beteiligung des Verbands. Mit dieser Entscheidung schert der Verband aus der Reihe der Landesapothekerverbände aus. Alle anderen 16 von ihnen haben sich der Gesellschaft, die sich zunächst insbesondere um die Weiterentwicklung des Apothekenportals kümmern soll, bereits angeschlossen.

Kritik an der Organisation der virtuellen Mitgliederversammlung

Dieses knappe Ergebnis, bestehend aus 85 Stimmen, wollen einige Mitglieder des AVWL so jedoch nicht hinnehmen. Nach Informationen der DAZ formiert sich Widerstand. Ein erster Schritt ist die Verbreitung eines Schreibens, dem ein vorformulierter Antrag als Einwurfeinschreiben adressiert an den AVWL-Vorstand anhängt. Das Ziel: Die Einberufung einer weiteren außerordentlichen Mitgliederversammlung unter Beteiligung einer größeren Anzahl von stimmberechtigen Mitgliedern. In Westfalen-Lippe gibt es rund 1.300 Apothekeninhaberinnen und -inhaber.

In den Ausführungen wird deutlich, dass Unzufriedenheit mit Teilen des Vorstands besteht. Dieser habe in der Sitzung immer wieder deutlich gemacht, dass er das Risiko eines Gedisa-Beitritts für „nicht kalkulierbar“ hält. Das finanzielle Risiko konnte in der Mitgliederversammlung auf maximal 1.800 Euro je Apotheke binnen drei Jahren beziffert werden. „Die Chancen, die ein solches Portal in Apothekenhand mit sich bringt, sind für viele von uns deutlich größer als dieses bezifferte Risiko“, heißt es in dem anonymen Schreiben, das der Redaktion vorliegt, und weiter: „Leider waren nur 85 Kollegen und Kolleginnen bei der Mitgliederversammlung digital zugegen, sodass nun 40 Nein-Stimmen über das digitale Engagement von über 1.300 Apothekeninhabern und -inhaberinnen in Westfalen-Lippe entschieden haben.“

Weitere außerordentliche Mitgliederversammlung?

Dann wird die Organisation der virtuellen Mitgliederversammlung kritisiert: Diese sei als digitales Webinar konzipiert gewesen, „ein Format für Fortbildungen, in denen die Referenten Frontalvorträge zeigen, dass aber wenig für Versammlungen mit hohem Anspruch an gleichberechtigtem Austausch geeignet ist“. Der oder die Verfasser regen an, geeignetere Meeting-Formate zu nutzen.

Denn „ob der Verzicht auf einen Beitritt zur Gedisa als Risikominimierung oder doch eher als gegen die Interessen der Apothekeninhaberinnen und -inhaber eingestuft werden muss, sollte eine größere Zahl an Mitgliedern des AVWL nach intensiver und transparenter Diskussion entscheiden.“

In einer weiteren außerordentlichen Mitgliederversammlung soll sich eine deutlich breitere Basis beteiligen, die Vor- und Nachteile eines Gedisa-Beitritts sachlich darstellen, ausführlich diskutieren und eine erneute Beschlussfassung durchgeführt werden. Damit diese außerordentliche Mitgliederversammlung stattfinden kann, müsse ein Fünftel der AVWL-Mitglieder des AVWL, also mehr als 260, dies beantragen.

Abgeschlossen wird das Schreiben mit einem eindringlichen Appell: „Amazonisierung der  Apotheken durch Fremdanbieter ist keine Zukunft! Aus uns selbst heraus haben wir eine Chance unsere digitale  Zukunft mitzugestalten!“

Von wem die Initiative angestoßen wurde, ist nicht bekannt. Für Ex-AVWL-Chef Klaus Michels dürfte sie jedenfalls ein Hoffnungsschimmer sein, dass bei einer größeren Mitgliederversammlung dann womöglich so votiert wird, wie er sich das für die Apotheken in Westfalen-Lippe wünscht.



Dr. Armin Edalat, Apotheker, Chefredakteur DAZ
redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


Christina Müller, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (cm)
redaktion@daz.online


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