Alternativen zur PCR

LAMP als sicherer und günstiger Pappkarton-COVID-Test?

Düsseldorf - 14.02.2022, 09:15 Uhr

Beim Cap-iLAMP-Testverfahren durchlaufen bis zu 26 Gurgel-Proben kombinierte Lyse, Ziel-RNA-Anreicherung und LAMP (iLAMP). Die Farbtonwerte werden mit einer „Kamera-Farbpicker“-App ermittelt. (Quelle: Bokelmann et al., Nature Communications 2021 (CC-BY 4.0))

Beim Cap-iLAMP-Testverfahren durchlaufen bis zu 26 Gurgel-Proben kombinierte Lyse, Ziel-RNA-Anreicherung und LAMP (iLAMP). Die Farbtonwerte werden mit einer „Kamera-Farbpicker“-App ermittelt. (Quelle: Bokelmann et al., Nature Communications 2021 (CC-BY 4.0))


Gleich mehrere Forschungsgruppen weltweit veröffentlichen ihre Ergebnisse, neue günstige und zuverlässige Tests auf den COVID-19-Erreger SARS-CoV-2 gefunden zu haben. Mit dem Smartphone und auch unter eher ärmlichen Bedingungen – ohne teure Geräte und Reagenzien – sollen sie auswertbar sein und damit besonders für Entwicklungsländer geeignet. Doch es gibt auch Kritik.

RT-qPCRs - also „Reverse Transcriptase quantitative Polymerasekettenreaktion“ – oder einfacher „der PCR-Test“ sind immer noch der (Gold-)Standard, wenn es um einen sicheren negativen Test auf den Corona-Erreger SARS-CoV-2 geht. Und sie sind teuer, vergleichsweise aufwändig und mittlerweile zumindest in Deutschland knapp – jedenfalls was die Testkapazitäten angeht.

Mehr zum Thema

Was bedeutet das für Abstrich-nehmende Apotheken?

Die PCR-Test-Priorisierung kommt

Bayern ändert Teststrategie bei Kita-Kindern / Bayerischer Städtetag kritisiert fehlende Unterstützung durch den Freistaat

PCR-Pool-Test statt Schnelltest aus der Apotheke?

Einfachere und vor allem günstigere Alternativen sind daher gefragt, nicht nur in Deutschland, sondern wohl auch in den USA, wo PCR-Tests offensichtlich schnell das Konto belasten, wie ein Artikel im Online-Technikmagazin Gizmodo.com nahelegt.

Und so gelangen die Veröffentlichungen von Wissenschaftler:innen schnell in unter anderem jene Schlagzeilen, als mögliche sichere und günstige neue Alternativen im Spektrum der notwendigen Tests auf den COVID-19-Erreger. Im Falle des Gizmodo-Artikels, auf den sich auch das deutsche Technik-Magazin t3n bezieht, ist es die jüngst erschienene Arbeit von Forscher:innen der US-amerikanischen University of California in Santa Barbara in der Online-Ausgabe des Fachmagazins JAMA (Journal of the American Medical Association).

Heizplatte, Pappkarton und Smartphone als Test-Ausstattung

Einen „Smartphone-Based Loop-Mediated Isothermal Amplification Assay“ kurz „smaRT-LAMP“ haben die Forscher:innen dabei in einer Kohortenstudie an 50 Patient:innen des Santa Barbara Cottage Hospitals auf seine Zuverlässigkeit hin untersucht. Das besondere dabei: der smaRT-LAMP wurde von den Forscher:innen bewusst als ein Low-Tech-Produkt konzipiert, das im Wesentlichen mit einer Heizplatte, einem Pappkarton, LED-Lampen, einem Smartphone und stabilen einfacheren Reagenzien auskommt. So soll das Test-Kit auch etwa unter einfacheren Bedingungen etwa in Entwicklungsländern als PoC-Test (Point of Care, also „Vor Ort“ etwa in der Praxis oder der Apotheke) zum Einsatz kommen können.

PoC-NAT, also Point of Care-Nukleinsäure-Amplifikations-Tests, bekommen auch hierzulande als Alternative zur laborgestützten RT-qPCR Konjunktur. Unter dem Oberbegriff NAT gruppieren sich mehrere verschiedene Techniken und auch LAMP ist dabei eine der Nukleinsäure-Amplifikations-Technik, die bereits in vorgefertigten Test-Kits kommerziell erhältlich ist. Dieser Loop-Mediated Isothermal Amplification Assay ist dabei keine neue Technik. Die Publikation der Erfinder:innen um den japanischen Forscher Tsugunori Notomi aus dem Fachmagazin „Nucelic Acids“ Research datiert bereits auf das Jahr 2000.

Bei der LAMP-Technik werden im Gegensatz zur PCR-Technik DNA-Fragmente bei nur einer Temperatur, also „isotherm“, vervielfältigt (amplifiziert). Dabei entstehen stabile Stem-Loop-DNA-Strukturen – diese Technik eignet sich also nur zur Diagnostik, nicht für gentechnische Methoden. LAMP basiert dabei auf einer anderen Polymerase als die herkömmliche PCR und benutzt bis zu sechs Primer für die zu detektierende Sequenz. Dadurch ist sie allerdings auch recht spezifisch und liefert durch einen Farbumschlag einer Testchemikalie, die mit der DNA interagiert, einfach zu detektierende Ergebnisse. Als ein Schwachpunkt der Technik gelten allerdings falsch positive Signale nach einer zu langen Reaktionszeit durch Dimerisation der Primer.

Modifikation einer bereits älteren Methode

Die kalifornischen Forscher:innen haben den Assay dabei so modifiziert, dass der Farbumschlag bereits mit einer einfachen Indikatorlösung, die auf den pH-Wert reagiert, funktioniert und dieser innerhalb eines Pappkartons mit LED-Leuchten durch die frei erhältliche Smartphone-App „Bacticount“ auswertbar ist. Kommerziell erhältliche PoC-NAT-Kits, die auf der LAMP-Technik basieren, kommen dagegen meist mit eigens dafür konzipierten Geräten und 3D-Kassetten einher, die zwar einfach, schnell und sicher sind, aber vergleichsweise teuer.

Die amerikanischen Forscher erklären hingegen, der Test koste pro Probe so durchschnittlich nur rund 7 Dollar – im Vergleich zu rund 70 Euro, die im Schnitt hierzulande für einen PoC-NAT-Test zu bezahlen sind.

Das Problem der falsch positiven Ergebnisse haben die Forscher:innen durch die Programmierung der App gelöst, die nur in einem bestimmten Zeitfenster detektiert. Als Proben für ihren Assay kämen Blut, Speichel, Kot oder Urin infrage. Tatsächlich werden LAMP-Tests unter anderem auch mit Abwasser als Proben erfolgreich durchgeführt.

Ein Problem der Studie der Amerikaner:innen ist allerdings, dass sie nur mit insgesamt 50 Patienten durchgeführt wurde. Dafür konnte man aber im Vergleich mit RT-qPCR alle Varianten von SARS-CoV-2 gleich gut identifizieren und in einem anderen Ansatz auch Influenza nachweisen.

Auch deutsche Forscher:innen setzen auf Smartphone-Auswertung

Unterdessen sind die US-Forscher:innen nicht die einzigen, die einen LAMP-Test auf COVID-19 basierend auf einer Smartphone-App entwickelt haben. Bereits im März 2021 veröffentlichten Forscher:innen des Max-Planck-Instituts für evolutionäre Anthropologie und des Krankenhauses St. Georg in Leipzig im Fachmagazin Nature Communications eine ähnliche Arbeit. Ihr Cap-iLAMP (Capture and improved Loop-mediated isothermal Amplification) basiert ebenfalls auf einer einfacher mit einer Smartphone-App auszuwertenden Farbreaktion, die falsch positive Ergebnisse deutlich reduziert. Hier geben die Entwickler:innen die Kosten pro Test mit nur noch rund einem Euro pro Patient an.

Die Ausrüstung für das Cap-iLAMP-Verfahren umfasst Pipetten und Pipettenspitzen, vorgemischte Reagenzien (einschließlich iLAMP-Mastermix und Capture-Bead-Suspension), stabile Puffer (Lyse- / Bindungspuffer, Waschpuffer, salzarmer Puffer, Elutionspuffer), ein Magnetgestell, und ein Thermoblock. Die Farbauswertung erfolgt mithilfe eines Smartphones (nicht abgebildet).
(Quelle: 
Bokelmann et al., Nature Communications 2021 (CC-BY 4.0))

Abgesehen davon, dass die Lösung der US-Wissenschaftler:innen noch weiterer Absicherung durch wissenschaftliche Studien bedarf, gibt es mittlerweile auch grundsätzliche Kritik an Low-Tech-Lösungen, die besonders unter erschwerten Bedingungen etwa in Entwicklungsländern eingesetzt werden sollen. So hat sich beispielsweise eine equadorianische Forschungsgruppe einen solchen RT-LAMP-Test aus Süd-Korea vorgenommen, der mit einer Notfallzulassung durch die US Food and Drug-Behörde FDA zugelassen ist. Dabei fanden sie eine nur geringe Zuverlässigkeit und plädierten dafür, lieber bei den sicheren RT-qPCR-Tests zu bleiben.



Volker Budinger, Diplom-Biologe, freier Journalist
redaktion@daz.online


Diesen Artikel teilen:


0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.