Chronisch Kranke

Großer Informationsbedarf bei Arzneimitteln

Traunstein - 15.02.2022, 12:15 Uhr

Chronisch Kranke suchen Beratung vorrangig zu „Wirksamkeit und Risiken von Medikamenten“ und bevorzugen dazu das persönliche Gespräch mit einem Hausarzt eher, als mit Apothekern. (x / Foto: peopleimages.com / AdobeStock)

Chronisch Kranke suchen Beratung vorrangig zu „Wirksamkeit und Risiken von Medikamenten“ und bevorzugen dazu das persönliche Gespräch mit einem Hausarzt eher, als mit Apothekern. (x / Foto: peopleimages.com / AdobeStock)


In Deutschland haben etwa 40 Prozent der Bevölkerung ab 16 Jahren eine chronische Erkrankung und diese Zahl wird in den kommenden Jahren aufgrund der Alterung der Gesellschaft weiter steigen. Die chronisch Kranken sind wegen ihres Medikamentenbedarfs eine wichtige Kundengruppe für die Apotheken. Doch wo liegen ihre Bedürfnisse, welche Informationen wünschen sie? Antworten darauf gibt eine aktuelle Studie der Stiftung Gesundheitswissen.

Eines vorab: Die chronisch Kranken sind im Visier der Krankenkassen. Da ihre Medikation oft über Jahre gleich bleibt, glaubt man auf Kassenseite, dass man hier bei der Arzneimittelversorgung sparen könne. Sollte das derzeit geltende Rx-Boniverbot für EU-Versender keinen Bestand haben, dürften die Krankenversicherungen alsbald versuchen, für ihre „Chroniker“ Verträge mit DocMorris & Co. auszuhandeln und ihnen die Entscheidung für den Postversand versüßen. 

Umso wichtiger ist es, dass die Vor-Ort-Apotheken diese Klientel eng an sich binden. Hilfestellung dabei leistet eine Studie der Stiftung Gesundheitswissen (SGW), einer gemeinnützigen Stiftung bürgerlichen Rechts, die 2015 durch den Verband der Privaten Krankenversicherung gegründet wurde. Die Studie, in deren Fokus die Informationsbedürfnisse von chronisch Kranken stehen, basiert auf einer im Jahr 2019 vom Institut für Demoskopie Allensbach durchgeführten bevölkerungsrepräsentativen Umfrage mit 1.255 Teilnehmern, von denen 521 chronisch erkrankt waren.

Selbstmanagement setzt Gesundheitskompetenz voraus

Danach leiden in Deutschland etwa 40 Prozent der Bevölkerung an einer chronischen Erkrankung. Am häufigsten sind Bluthochdruck, Arthrose und Rückenschmerzen. 30 Prozent der Bevölkerung leben 20 Jahre und länger mit ihrer Erkrankung. „Für chronisch kranke Personen steht im Vordergrund, ihre Lebensqualität trotz Krankheit zu erhalten“, erläutert Ralf Suhr, Vorstandsvorsitzender der Stiftung Gesundheitswissen, anlässlich der Vorstellung der Studie. „Da ist jede Menge Selbstmanagement gefragt. Voraussetzung dafür ist ein hohes Maß an Gesundheitskompetenz – sei es bei der direkten Krankheitsbewältigung, dem Leben mit der Krankheit oder bei den dabei zu fällenden Entscheidungen im Rahmen der Behandlung, Versorgung und Gesundheitserhaltung.“ Der Bedarf an verlässlichen Gesundheitsinformationen steige dadurch erheblich.

Informationen zu Arzneimitteln sind gefragt

Doch worüber wollen sich chronisch Kranke bevorzugt informieren? Ganz klar an erster Stellen stehen „Wirksamkeit und Risiken von Medikamenten“ (71 Prozent), gefolgt von „Welche Behandlungen und Therapien in welchen Fällen sinnvoll sind“ (68 Prozent). An dritter Stelle stehen „Gesunde Lebensweise, gesunde Ernährung“ sowie „Leistungen der Krankenversicherungen“ (jeweils 62 Prozent).

Bevorzugte Informationsquellen sind persönliche Gespräche mit dem Hausarzt (87 Prozent) oder einem Facharzt (85 Prozent). An dritter Stelle, aber deutlich abgeschlagen, stehen Gespräche mit dem Apotheker (46 Prozent). Das zeigt: Hier besteht noch reichlich Nachholbedarf – wobei die Apotheken gerade angesichts des großen Interesses an Informationen über Arzneimittel genau der richtige Ansprechpartner wären. Des Weiteren folgen „Fachbeiträge, wissenschaftliche Beiträge“, „Gespräche mit Gesundheitspersonal“ und „Beiträge im Fernsehen“ (jeweils 38 Prozent) sowie „Artikel in Apothekenzeitschriften (37 Prozent)“. Weitaus weniger gefragt sind dagegen Informationen im Netz wie „Internetseite meiner Krankenversicherung“ (17 Prozent), „Wikipedia“ (16 Prozent) und „Gesundheitsportale im Internet“ (13 Prozent). 

Chroniker mit erheblichen Einschränkungen leiden unter Informationsdefizit

Grundsätzlich fühlt sich laut der Studie die Mehrheit der chronisch Kranken gut über ihre Krankheit und die Behandlungsmöglichkeiten informiert. Dennoch fällt es vor allem chronisch Kranken mit erheblichen Einschränkungen im Alltag schwer, an relevante Informationen zu kommen. 35 Prozent wissen gar nicht, an wen sie sich wenden sollten, 40 Prozent beklagen, dass man sich für ihre Information und Beratung nicht genügend Zeit genommen habe und 34 Prozent sagen, dass nicht genug auf ihre persönliche Situation eingegangen wurde. Zudem waren 35 Prozent der chronisch Kranken mit erheblichen Einschränkungen öfter unsicher, welche Informationen zuverlässig sind und welche nicht. Ebenso viele berichten von widersprüchlichen Informationen. 

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Suhr zieht aus der Studie folgendes Fazit: „Für chronisch Kranke reicht es nicht, Basis-Informationen über Krankheiten zur Verfügung zu stellen. Die Informationen müssen so konzipiert und aufbereitet sein, dass sie speziell auf die Bedürfnisse der Patientinnen und Patienten mit chronischen Erkrankungen eingehen.“ Dabei betont die Stiftung Gesundheitswissen, wie wichtig gerade bei älteren Patienten Informationswege außerhalb des Internets sind: „Insbesondere ältere chronisch Kranke müssen auf anderem Wege angesprochen werden als jüngere chronisch Kranke. Um die Patientinnen und Patienten insgesamt zu erreichen, setzt die Stiftung daher nicht allein auf ihr Angebot von Gesundheitsinformationen im Internet. Sie stärkt auch Informationswege außerhalb des Netzes und möchte verstärkt mit Hausärzten zusammenarbeiten“, so Suhr.

Und wo bleiben die Apotheken? Auf Nachfrage der DAZ, ob geplant sei, die Zusammenarbeit auch auf Apotheken auszudehnen, hieß es vonseiten der Pressestelle der Stiftung, dass man diese Anregung gerne weitergeben werde.



Dr. Christine Ahlheim (cha), Chefredakteurin AZ
redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


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