INTERPHARM online 2022

Sind Levothyroxin-Präparate doch austauschbar?

Stuttgart - 22.03.2022, 07:00 Uhr

Stellen neue Erkenntnisse die auch in den USA geltende Warnung vor einem Levothyroxin-Präparatewechsel wirklich infrage? (Foto: IMAGO / Hans Lucas)

Stellen neue Erkenntnisse die auch in den USA geltende Warnung vor einem Levothyroxin-Präparatewechsel wirklich infrage? (Foto: IMAGO / Hans Lucas)


Austausch bei niedrig dosierten Schilddrüsenpräparaten möglich?

Noch einmal zu dem Punkt, dass ein hoher Anteil an Patienten mit einer niedrigen Levothyroxin-Dosis behandelt wurde, was auf eine erhaltene Restfunktion der Schilddrüse schließen lässt. Was bedeutet das im Umkehrschluss für den Austausch von niedrig dosierten Levothyroxin-Präparaten? Ist er bei erhaltener Teilfunktion problemlos möglich?

Janßen: Diese Schlussfolgerung ist problematisch, da zunächst schon unklar ist, wo die Grenze gezogen werden soll: bei 50 µg Levothyroxin? Es kann durchaus einige wenige Patienten geben, die mit 50 µg Levothyroxin schon eine Vollsubstitution haben. Auch Kinder haben mit niedrigen Dosierungen eine Vollsubstitution, die müssten dann von einer solchen Regelung ausgenommen werden. Zum anderen entwickelt sich nicht selten aus einer Teilsubstitution später doch eine Vollsubstitution, z. B. bei Fortschreiten einer Hashimoto-Thyreoiditis zu einer atrophischen Thyreoiditis: Es würde die Therapie komplizieren, wenn hier nach unterschiedlichen Kriterien vorgegangen werden könnte. 

Wie soll Ihrer Meinung nach mit dieser doch sehr hochkarätig publizierten Studie umgegangen werden? 

Janßen: Wie jede Beobachtungsstudie ist auch diese mit einer Prise Salz zu genießen. Die Schlussfolgerungen sind von großem Interesse, aber es erfordert weiterer Studien mit präziserer Methodik, um hier eine klare Aussage treffen zu können. Die Studie eignet sich nicht, um eine Austauschbarkeit von Schilddrüsenpräparaten, egal ob zwischen Generika oder allen Präparaten, nahezulegen oder nachzuweisen, da nur zwei gemittelte Kohorten mit verschiedenen Generika behandelter Patienten und nicht zwei Gruppen mit unterschiedlichen Generika behandelter Patienten untersucht wurden. 

Herr Professor Janßen, ganz herzlichen Dank für diese Einordnung.



Dr. Doris Uhl (du), Apothekerin
Chefredaktion DAZ

redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


Diesen Artikel teilen:


2 Kommentare

Natürlich arbeitet die Studie mit einem direkten Vergleich und nicht mit Mittelwerten

von David Becker am 22.03.2022 um 7:57 Uhr

Der Text impliziert, dass die Studie Mittelwerte von TSH-Spiegeln herangezogen hätte um zu ihrer Aussage zu kommen. Ist da irgendwie was falsch wiedergegeben oder missverständlich?
Alle berechtigte Kritik an der Beobachtungsstudien beiseite:
Es reicht ein Blick in den Abstract der um zu sehen, dass hier Ergebnisse auf Basis eines Paarungsmechanismus berichtet werden und natürlich Abweichler-Ereignisse bzw. Risiko gezählt wird und nicht ein Mittelwert der TSH-Spiegel von Gruppen.

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: Natürlich arbeitet die Studie mit einem

von Redaktion am 22.03.2022 um 17:30 Uhr

Antwort von Prof. Dr. Onno Janßen, Hamburg: Es sind zwei Gruppen von Patienten verglichen worden: eine Gruppe die ihr generisches Thyroxin-Präparat weiter genommen hat und eine andere Gruppe die auf ein anderes Generikum umgestellt wurde: diese Umstellung war zufällig innerhalb eine Auswahl von drei verschiedenen Generika. Es wurde kein direkter Vergleich der Wirkung zweier Generika vorgenommen. Es wurde auch keine individuelle Paarung im Sinne von vorher-nachher für einzelne Generika-Wechsel untersucht. Die "Paarung" der Patienten war ein propensity-matching, also eine Paarung nach Ähnlichkeit, um zwei möglichst gut vergleichbare Gruppen zu haben: die Aussagen beziehen sich aber jeweils auf die gesamten Gruppen, nicht auf einzelne gepaarte Patienten. Die Aussagen betreffen den Anteil der Patienten in den beiden Gruppen mit TSH im Referenzbereich (Zitat: proportion of patients with a normal TSH level after the index date was 82.7% (2298) among nonswitchers and 84.5% (2348) among switchers) oder weit außerhalb des Referenzbereichs (Zitat: proportion of patients with a markedly abnormal TSH level after the index date was 3.1% (87) among nonswitchers and 2.5% (69) among switchers) und den mittlerer TSH der beiden Gruppen (Zitat: The mean (SD) TSH levels after the index date were 2.7 (2.3) mIU/L among nonswitchers and 2.7 (3.3) mIU/L among switchers). Bei diesem Vergleich wurde nicht berücksichtigt von welchem zu welchem anderen Generikum gewechselt wurde, sondern nur das gewechselt wurde.

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.