Heimversorgung KOMPAKT

Medikationsplan per Fax – das „Bermudadreieck der Heimversorgungs-Kommunikation“

Berlin - 01.04.2022, 15:15 Uhr

Die Hamburger Apothekerin Heike Gnekow hielt den Auftaktvortrag am heutigen Kongresstag. (Foto: Hahn) 

Die Hamburger Apothekerin Heike Gnekow hielt den Auftaktvortrag am heutigen Kongresstag. (Foto: Hahn) 


Der Kongressteil „Heimversorgung KOMPAKT“ der INTERPHARM online 2022 widmet sich am heutigen 1. April der Rolle heimversorgender Apotheken. Im ersten Vortrag berichtete Heike Gnekow, Leiterin der Privilegierten Adler Apotheke Hamburg, welchen Herausforderungen sich Apotheken dabei stellen müssen. Die Versorgung durch die Apotheken könne aber allen Beteiligten auch Chancen bieten – und das noch effektiver, wenn die Prozesse digital optimiert werden.  

Seit dem Jahr 2015 widmet sich Heike Gnekow voll und ganz der Heimversorgung bei der Privilegierten Adler Apotheke in Hamburg. Seit 2018 leitet sie letztere gemeinsam mit ihrem Vater. Heute läuft die Heimversorgung über eine eigens spezialisierte Filiale. Außerdem ist die Apothekerin Mitglied im Bundesverband der Versorgungsapotheker.

Im Eröffnungsvortrag des Kongressteils „Heimversorgung KOMPAKT“ der INTERPHARM online 2022 lieferte sie eine Übersicht zur Heimversorgung und erläuterte ihre Erfahrungen zu Chancen und Herausforderungen dieser Tätigkeit für Apotheken. 

Pflegekräfte entlasten

Überlegt sich eine Apotheke, mit einem Pflege- oder Seniorenheim einen Versorgungsvertrag nach §12a Apothekengesetz zu schließen, stellt sich laut Gnekow die Frage: Wie sollen die Arzneimittel zum Bewohner gelangen? Eine Möglichkeit sei das manuelle Stellen, die andere Option sei, Arzneimittel maschinell zu verblistern oder verblistern zu lassen.

Gnekow plädiert für das maschinelle Verblistern. Hier macht sich in ihren Augen nämlich eine erste Chance der Heimversorgung bemerkbar: Denn lieferten Apotheken die Medikation der Heimbewohner verblistert, spare das den Pflegekräften viel Zeit. Beim maschinell verpackten Schlauchblister werden Arzneimittel für jeden Patienten und jeden Einnahmezeitpunkt einzeln abgepackt, beschriftet und die Füllung mitsamt Uhrzeit fotografiert. Dadurch sei stets nachvollziehbar, welches Arzneimittel wann verblistert wurde, erläutert die Apothekerin. Zudem sei die Methode sicherer und hygienischer als das patientenindividuelle Stellen.

Kommunikation digitalisieren

Gnekow thematisierte auch einen pharmazeutischen Vorteil der Heimversorgung: In der Regel sei die Versorgung nicht auf viele Apotheken aufgeteilt. Dadurch kennen Apotheken die gesamte Medikation der Patienten mitsamt Bedarfsmedikation und Nahrungsergänzungsmitteln. Die Pflegekräfte erstellten dann einen Medikationsplan. 

Für Gnekow nehmen heimversorgende Apotheken die Rolle des „Hüters des Medikationsplans“ ein. So bringen sie mehr Sicherheit in die Arzneimitteltherapie, findet sie. Eine große Herausforderung sei aber für viele der Weg, über den sich Apotheken und Heime austauschen: „Oft übermitteln Pflegeheime Medikationspläne via Fax. Mitunter verschwinden die Faxe, manchmal sind Pläne, die ankommen, schlecht lesbar“. Gnekow spricht hier vom „Bermudadreieck der Heimversorgungs-Kommunikation“.

Tagesaktueller Online-Medikationsplan

Gnekow entschied sich daher, einen Online-Medikationsplan über eine Plattform zu etablieren. Auf diesen könnten alle Beteiligten zeitgleich zugreifen und ihn tagesaktuell anpassen. Eine Schnittstelle ermögliche, dass der Plan als bundeseinheitlicher Medikationsplan erkannt werden könne.

Allerdings räumt die Apothekerin ein, dass die meisten Pflegeheime heute noch nicht so weit sind, ihr Personal etwa mit portablen Geräten ständig auf Online-Pläne zugreifen lassen zu können. Daher arbeite sie noch immer mit einem Ausdruck des digitalen Plans. Auch Protokolle zur Stationsbegehung, Interaktionsmeldungen und die Schulungen für Pflegekräfte könnten digitalisiert und damit erleichtert werden, zum Beispiel über Webinare oder E-Learning Angebote. Gnekow schätzt, dass auch das E-Rezept Prozesse zur Heimversorgung erleichtern wird. Dadurch würden Ressourcen frei, die sonst beim von Taxieren von Rezepten verbraucht würden.

Mit Zusatzleistungen punkten

Versorgen Apotheken Pflegeheime, betreuen sie die Bewohner pharmazeutisch. Dabei bietet Gnekow zufolge die Versorgung Potenzial, Dienstleistungen zu erproben. Zum Beispiel führe die Adler Apotheke monatlich einen Mörserbarkeitscheck für alle Heimbewohner durch. Denn: Viele Patienten erhalten Arzneimittel über eine Sonde oder klagen über Schluckbeschwerden. Apotheken sollten hier darauf achten, dass die Arzneiform bei den betroffenen Patienten geeignet ist, findet die Hamburger Apothekerin. 

Eine weitere Zusatzleistung: Verlassen Heimbewohner ihre Wohnstätte, etwa nach einer Kurzzeitpflege, könnte ein Auszugsblister angeboten werden, der die Medikation für 14 Tage sicherstellt, bis sich Verantwortungsbereiche für die Therapie der Patienten neu geordnet haben.

Zudem organisierte Gnekows Adler Apotheke ein Projekt mit einer Pharmazeutin im Praktikum: Diese überprüfte alle Medikationspläne danach, ob verordnete Protonenpumpeninhibitoren eine gültige Indikation hatten. War eine Indikation nicht erkennbar, kontaktierte sie die Ärzte. Viele Patient:innen seien so von der unplausiblen Medikation und deren möglichen Nebenwirkungen befreit worden, berichtete Gnekow.

Aber nicht immer könne eine potenziell inadäquate Medikation erkannt und abgesetzt werden. Ein Versuch, die Arzneimitteltherapie für Patienten mit Niereninsuffizienz sicherer zu gestalten, sei an seine Grenzen gestoßen, weil dem Heim oft die entscheidenden Laborparameter fehlten. „Hier gibt es noch viel Potenzial“, meint Gnekow.



Apotheker Marius Penzel
redaktion@daz.online


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