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Mitmachen oder lassen? Grippe-Impfungen in Apotheken sind ein Mega-Erfolg. Reinkommen, drankommen, fertig. Gesteigerte Durchimpfungsrate, zufriedene Kundinnen und Kunden – unsere Ampelkoalition möchte das zur Regelversorgung machen. So ist’s recht, wurde auch Zeit. Und am besten packen wir die Covid-10-Impfung und weitere Impfungen mit Totimpfstoffen dazu – die französischen Apothekers dürfen das auch. Also mitmachen! Was man wohl eher noch lassen sollte: mit Lieferdiensten kooperieren. Sie kosten Geld, die Vergütungsart ist juristisch umstritten und außerdem ist Ihre Apotheke dann eine No-Name-Apo. Vielleicht konzentrieren wir uns erstmal aufs E-Rezept und hoffen, dass uns das GKV-Spargesetz nicht zusetzt.
19. April 2022
Mehr als verständlich, Berichte von den schrecklichen Ereignissen in der Welt bestimmen die Nachrichten. Aber es gibt auch eine innerdeutsche Gesundheitspolitik, die wir nicht aus den Augen verlieren sollten. Nach wie vor steht ein Papier aus dem Haus des Gesundheitsministers Lauterbach im Raum, mit dem der GKV finanziell unter die Arme gegriffen werden soll, u. a. durch Einsparungen bei den Apotheken: Der Kassenabschlag für Arzneimittel soll für eine Dauer von zwei Jahren von 1,77 auf 2 Euro erhöht und die Umsatzsteuer auf Arzneimittel von 19 auf 7 Prozent gesenkt werden. Mein liebes Tagebuch, beide Maßnahmen zusammen bringen den Apotheken spürbare finanzielle Einbußen in Höhe von 38 Cent pro Rx-Fertigarzneimittel, die sie zulasten der GKV abgeben. Müssen wir uns auf deutliche Mindereinnahmen einstellen, wo wir doch eigentlich dringend eine Erhöhung des Apothekenhonorars nötig hätten? Weniger Honorar für Apotheken – das kann nicht gut gehen! Energie und Klimakrise, Inflation, steigende Gehälter und nicht zuletzt die Digitalisierung rufen nach einer deutlichen Anpassung des Apothekenhonorars nach oben. Das Bundeskanzleramt hat die Sparpaket-Vorlage zwar vorerst gestoppt, vom Tisch ist sie allerdings nicht, sie soll nur „angepasst“ werden. Gerungen wird vor allem um die Senkung der Umsatzsteuer. So macht sich der GKV-Spitzenverband derzeit für diese Idee stark. Stefanie Stoff-Ahnis vom Vorstand des GKV-Spitzenverbands lässt wissen, dass allein diese Maßnahme die Kassen um rund sechs Milliarden im Jahr entlasten würde. Mein liebes Tagebuch, eine Absenkung der Umsatzsteuer heißt für Apotheken immer Mehrbelastungen. Wie DAZ-Wirtschaftsexperte Dr. Thomas Müller-Bohn vorrechnete, würde allein die Umsatzsteuersenkung bei Rx-Arzneimitteln von 19 auf 7 Prozent 16 Cent pro Packung weniger bringen. Da kann man nur hoffen, dass der Bundeswirtschaftsminister sein Veto bei einer geplanten Umsatzsteuer einbringt.
Übrigens, auch von anderer Seite wird der Ruf nach einer Mehrwertsteuersenkung auf Arzneimittel laut, so z. B. vom Sozialverband VdK Hessen-Thüringen. Er hat dabei vor allem die OTC-Arzneimittel im Blick und verspricht sich eine Entlastung vor allem für ältere und chronisch kranke Menschen. Mein liebes Tagebuch, es gibt mittlerweile sogar die Forderung, die Mehrwertsteuer auf Lebensmittel abzuschaffen…
Lieferdienste für Arzneimittel, mitmachen oder lieber lassen? Ein Frage, die sich immer mehr Apotheken vor allem in Großstädten und den Metropol-Regionen stellen, wo solche Dienste wie Pilze aus dem Boden schießen. Was bei Pizza-Burger-China-Fast-Food und ähnlichen zweifelhaften Genussmomenten schon an der Tagesordnung ist, soll auf die Arzneimittelauslieferung überschwappen. Ist doch ähnlich, oder? Der Kunde will’s so, jetzt und sofort. Von wegen, mein liebes Tagebuch, Da gibt es einen kleinen feinen Unterschied, auf den DAZ-Chefredakteurin Julia Borsch in ihrem Meinungsbeitrag aufmerksam macht: Die Lieblingspizza kann ich bei meiner Lieblings-Pizzeria Venezia bestellen und mir mit Lieferando und Co. nach Hause bringen lassen. Mein OTC-Heuschnupfenmittel kann ich dagegen nicht bei meiner Lieblings-Apotheke bestellen, sondern nur auf der Lieferplattform, die dann eine kooperierende nahegelegene Apotheke auswählt, damit die Riders, die Fahrradkuriere, in maximal 30 Minuten beim Kunden sind. Die Apotheke, die bei solchen Lieferplattformen mitmacht, ist also austauschbar, eine für den Kunden anonyme Apotheke. Im Mittelpunkt steht der Lieferdienst Mayd, First A oder wer auch immer. Will man als Apotheke eine No-Name-Apotheke sein? Möchte man nicht lieber eine individuelle Apotheke sein, an die sich Kunden und Patienten erinnern, persönlich und vertrauensvoll? Und was steht in ein paar Jahren am Ende dieser Entwicklung? Vielleicht ein paar Arzneimittellager, aus denen sich die Lieferdienste bedienen können – falls es der Gesetzgeber erlaubt? Mein liebes Tagebuch, da schüttelt’s mich. Ich höre das Gegenargument der Apotheken, die heute schon bei Lieferdiensten mitmachen: Aber der Kunde will’s und wir haben den Kundenwunsch nicht zu bevormunden. Und wenn man selbst nicht mitmacht, macht’s die Konkurrenz, also lieber man selbst als andere Apotheken. Mein liebes Tagebuch, was hält man da entgegen? Ich freue mich auf Ihre Antworten.
20. April 2022
Mit den E-Rezept-Tests geht’s voran, Blatt für Blatt, bzw. IR-Code für IR-Code. Mittlerweile wurde die 10.000er-Marke geknackt. Für die Gematik ist dies ein „wichtiger Meilenstein auf dem Weg in die flächendeckende Versorgung“. Wie schön, mein liebes Tagebuch, aber da haben wir noch zwei Meilensteine vor uns. Mindestens 30.000 E-Rezepte sollen es nämlich sein, bevor der offizielle Startschuss und der bundesweite Roll-out kommen. Und noch immer sind nicht alle Apotheken in der Lage, E-Rezepte zu beliefern, es fehlen noch notwendige Software-Updates. Und klar, auch bei den Software-Systemen der Arztpraxen hapert’s: Viele Hersteller haben das E-Rezept-Update ihren Kunden noch nicht zur Verfügung gestellt. Ach ja, braucht halt alles seine Zeit in der Digitalisierung, oder?
Das letzte Wort beim Thema Plattformen ist noch nicht gesprochen, obwohl es gerade einen kleinen Hype gibt. Plattformen aller Art und mit unterschiedlichen Angeboten buhlen um die Gunst der Apotheken, sei es Apotheken-Plattformen wie ia.de, gesund.de und andere oder Lieferdienst-Plattformen wie Mayd, First A, Kurando und andere. Ja, bei Plattformen mitzumachen mag für viele Apotheken verlockend sein, und ja, sie kosten Geld, Gebühren, Transaktionskosten oder wie auch immer man die Bezahlung der Inanspruchnahme dieser Dienste nennt. Die Bandbreite der Gebührenmodelle ist groß, sie erstreckt sich von einer prozentualen Umsatzbeteiligung über Festbeträge bis hin zu einem pauschalen monatlichen Entgelt. Und jetzt kommen die Rechtsanwälte: Ist dies überhaupt zulässig? Vor allem die prozentuale Beteiligung ist bei Juristen umstritten, die einen sagen so, die anderen so. Eine Rechtsanwältin geht sogar soweit, dass sie von einem „virtuellen Fremdbesitz“ spricht, wenn Apotheken über umsatzabhängige Vergütungen eingebunden werden. Und damit wäre dieses Vergütungsmodell verboten. Nun ja, mein liebes Tagebuch, da gibts dann wohl bald wettbewerbsrechtliche Musterverfahren. Bleibt spannend.
21. April 2022
Knusper, knusper Knäuschen, wer knuspert an meinem Häuschen? Mein liebes Tagebuch, dieses Mal ist es nicht der Wind, das himmlische Kind, sondern Knuspr selbst: ein weiterer Schnell-Lieferdienst (Lieferung innerhalb von drei Stunden) mit Sitz in Garching bei München. Eigentlich versteht sich dieser Lieferdienst als „Online-Lebensmittelhändler“ und als „revolutionärer Player im E-Food-Business“. Doch damit nicht genug, jetzt will er auch im OTC-Markt mitmischen und kooperiert für den Münchner Raum mit der Delphin-Apotheke in Oberschleißheim bei München. OTC-Bestellungen leitet Knuspr an diese Apotheke weiter, Knuspr-Boten holen sie dort ab und bringen sie zu den Kunden nach Hause. Klar, weitere Apothekenkooperationen in anderen Regionen sollen folgen. So wird beispielsweise seit Mitte Februar vom hessischen Bischofsheim aus auch der Rhein-Main-Raum in und um Frankfurt bedient. Hamburg und weitere Großstädte sollen folgen, wenn die Kooperationen mit stationären Apotheken feststehen. Der Unterschied zu anderen Lieferdiensten: Auch wenn sich die Apotheke hier zwischen Italienischen Wurstspezialitäten, Angeboten für die Spargelzeit und Grillfleisch einreiht: Bei Knuspr weiß der Kunde, dass seine Arzneimittel in diesem Fall von der Delphin-Apotheke stammen. Was die Apotheke für diese Kooperation an Knuspr abdrücken muss, war nicht zu erfahren.
22. April 2022
Grippeschutzimpfungen in Apotheken sind ein Mega-Erfolg! Die Evaluation der laufenden Projekte zeigt hervorragende Ergebnisse: Die Kundinnen und Kunden, die sich in Apotheken impfen lassen, sind überaus zufrieden mit den apothekerlichen Impfleistungen. Das hat sich mittlerweile bis in die Ampelkoalition herumgesprochen. Und daher sollen Grippeimpfungen in Apotheken künftig nicht mehr nur in Modellprojekten erlaubt sein, sondern als Angebot in die Regelversorgung übernommen werden. Das geht aus einem nicht ressortabgestimmten Entwurf eines Änderungsantrags der Koalitionsfraktionen zum Pflegebonusgesetz hervor. Ziel ist es, einen „weiteren, niedrigschwelligen Zugang zu Grippeschutzimpfungen zur Erhöhung der Impfquote anzubieten“. Mein liebes Tagebuch, das hört sich doch gut an, sehr gut sogar. Bis es allerdings soweit ist, sind noch einige Anpassungen in verschiedenen Gesetzen notwendig, auch im Apothekengesetz und in der Apothekenbetriebsordnung. Außerdem müssen Bundesapothekerkammer und Bundesärztekammer ein Mustercurriculum für die ärztliche Schulung der Apothekerinnen und Apotheker entwickeln. Und – da wird’s wieder schwierig – der GKV-Spitzenverband soll gemeinsam mit der PKV mit dem Deutschen Apothekerverband einen Vertrag über die Durchführung von Grippeschutzimpfungen in Apotheken schließen und Honorar und Abrechnung regeln (Schiedsstelle, ick hör’ dir trapsen). Nun ja, irgendwann werden die sich dann auch einigen und die Grippeschutzimpfung in Apotheken bundesweit so normal werden wie die Blutdruckmessung in Apotheken. Mein liebes Tagebuch, da ist es doch immer wieder nett, sich daran zu erinnern, wie sich noch vor vier, fünf Jahren unsere Berufsvertretung so kokett zierte, als es um das Thema Grippeschutzimpfung in Apotheken ging und solche Leistungen ablehnte. Spahn sei Dank, dass er das durchgesetzt hat.
Vorreiter bei den Grippeschutzimpfungen in Apotheken war der Apothekerverband Nordrhein (AVNR), der von Anfang an auf diesen Zug aufgesprungen war. Und so sieht Thomas Preis, Chef des AVNR, die Einbindung in die Regelversorgung nun als einen ersten wichtigen Schritt, um im internationalen Vergleich aufzuholen. Er kann sich gut vorstellen, dass in Zukunft nicht nur Grippeschutzimpfungen und auch Covid-19-Impfungen in Apotheken durchgeführt werden, sondern Apothekerinnen und Apotheker auch gegen andere Infektionskrankheiten impfen, z.B. gegen FSME. Wie er in einem Gastkommentar auf DAZ.online ausführt, gehören gerade mit Blick auf den kommenden Corona-Winter flächendeckende Corona- und Grippeimpfungen zusammen. Und er verweist auch auf die Aktivitäten im europäischen Ausland: In Frankreich dürfen ab diesem Jahr Apotheken fast alle Impfungen mit Totimpfstoffen durchführen. Preis: „Ich kann mir deshalb vorstellen, dass wir in Deutschland auch weitere Impfungen in Apotheken erleben werden.“ Mein liebes Tagebuch, das können wir uns auch vorstellen. Dank an den AVNR-Chef Preis für sein Statement!
4 Kommentare
Geld wofür?
von Ulrich Ströh am 24.04.2022 um 9:07 Uhr
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Absenkung Mehrwertsteuer auf Arzneimittel
von Daniela Hänel am 24.04.2022 um 9:01 Uhr
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AW: Absenkung Mehrwertsteuer auf
von Anita Peter am 24.04.2022 um 10:40 Uhr
Schon die falsche Ansage, Augenrollen
von Karl Friedrich Müller am 24.04.2022 um 8:16 Uhr
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