Was sagen die Gesundheitspolitiker der Bundestagfraktionen dazu?

Ärzte fordern Dispensierrecht statt Grippeschutzimpfungen in Apotheken

Dresden - 29.04.2022, 16:45 Uhr

Impfende Apotheker:innen sind der Ärzteschaft ein Dorn im Aufe. (Foto: IMAGO / Frank Sorge)

Impfende Apotheker:innen sind der Ärzteschaft ein Dorn im Aufe. (Foto: IMAGO / Frank Sorge)


Die geplante Änderung des Infektionsschutzgesetzes sieht vor, Grippeschutzimpfungen in Apotheken in die Regelversorgung zu überführen. Bei Ärzteverbänden sorgt das – wieder einmal – für Frust. Was sagen die Bundestagsfraktionen zum Streit? Die DAZ hat in Berlin nachgefragt. 

Der Aufschrei der Ärzteschaft lässt sich nicht nach, wenn es ums Impfen in Apotheken geht. Am Donnerstag legte Medi Baden-Württemberg nach. Dass Apotheken impfen dürfen sollen, und zwar nicht nur in Modellprojekten, könne „nur mit großer Verwunderung zur Kenntnis genommen werden“, heißt es in einer Presseerklärung. Statt eine „neue Impfinstanz mit möglichen Kostensteigerungen zu schaffen“, fordert der Verband die Einführung des Dispensierrechts für die Ärzteschaft. Zum einen sei es „weder von fachlicher Sinnhaftigkeit noch notwendig, eine komplexe medizinische Leistung in der Schnellbleiche zu schulen, die dann in Apotheken erfolgen soll“, sagte Vize-Verbandschef Norbert Smetak. Zum anderen sollte man es nicht auf „unser gut funktionierendes System übertragen, wenn in anderen Ländern in Apotheken geimpft wird“.

Der Versorgung „zuträglich und kostengünstiger“ wäre stattdessen die Einführung des Dispensierrechts für die Ärzteschaft. Insbesondere im Notdienst und in der Erstausgabe von Medikamenten in Praxen und Kliniken könnte die Versorgung so nahtlos und an Patientinnen und Patienten orientiert erfolgen, ist Medi überzeugt. „Gerade an Wochenenden können so mögliche Brüche in der Versorgung vermieden werden.“ Zudem könne bei der Erstbestellung von Medikamenten effizienter vorgegangen und unnötig große Packungsgrößen umgangen werden. „Zusätzlich sparen Patientinnen und Patienten Wege und tragen so zum Umwelt- und Klimaschutz zumindest etwas bei. Das geschieht nicht durch zusätzliche Apothekenbesuche für Impfungen“, heißt es.

Ähnlich äußert sich die Kassenärztliche Vereinigung Schleswig-Holstein. Demnach sind Impfungen eine urärztliche Aufgabe und „müssen in der Grundversorgung durch Praxen bleiben“. Dringender als jede Impfung in Apotheken sei die Arzneimittelversorgung im Notdienst durch Ärzte, zu der es unverändert keine gesetzliche Erlaubnis gebe, sagte die KV-Vorstandsvorsitzende Monika Schliffke. Die Landesärztekammer in Brandenburg fasste indes eine entsprechende Resolution. Demnach sind die Pläne der Ampel-Koalition, künftig auch Apotheken regelhaft in die Grippeimpfungen einzubeziehen, ein Schritt in die falsche Richtung. „Die Brandenburgischen Apothekerinnen und Apotheker haben insbesondere während der Pandemie gezeigt, wie unverzichtbar ihre Kompetenzen für das Gesundheitssystem sind. Die Durchführung von Impfungen gehört jedoch ausdrücklich nicht dazu. Zudem wird durch diesen Vorstoß der Bundespolitik die seit Jahrhunderten zu Recht bestehende, bewährte Trennung von Apotheker- und Arztberuf im Kern gefährdet.“

Baehrens: Positive Erfahrungen mit Apotheken auf Grippeimpfung übertragen

Was sagen die Bundestagsfraktionen zum aktuellen Streit ums Impfen und zur Forderung der Ärzte nach dem Dispensierrecht? Heike Baehrens, gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, erklärt: „Die Menschen erwarten zu Recht von uns niedrigschwellige Zugänge zur Versorgung. Das gilt besonders für Formen der präventiven Gesundheitsvorsorge wie das Impfen. Darum haben uns Apothekerinnen und Apotheker bereits an vielen Orten einen hervorragenden Beitrag zur Pandemiebekämpfung geleistet. Diese positiven Erfahrungen sollen nun auch auf Grippeschutzimpfungen übertragen werden.“ Vorausgesetzt sei immer eine entsprechende Qualifizierung der Apothekerinnen und Apotheker. „Im Übrigen plädiert die SPD-Bundestagsfraktion seit langem für ein eingeschränktes Dispensierrecht für niedergelassene Ärztinnen und Ärzte im Notdienst, wie es auch Bundesgesundheitsminister Professor Lauterbach derzeit bereits prüft. Denn kommt es zu einer akuten Erkrankung außerhalb der Sprechzeiten, so sollte es Patientinnen und Patienten nicht noch zugemutet werden, einen ggf. beschwerlichen und weiten Weg zur Bereitschaftsapotheke auf sich nehmen zu müssen. Solche Brücken in der Versorgung sind der richtige Weg.“

Andrew Ullmann, selbst Mediziner und für die FDP im Bundestag, sagte auf Nachfrage der DAZ am Freitag: „Mir geht es in der Gesundheitspolitik darum, die Versorgung der Patienten zu verbessern. Andere Länder zeigen, dass die Impfquoten bei der Grippeschutzimpfung sich maßgeblich erhöhen, wenn auch in Apotheken geimpft werden kann. Als Infektiologe ist mir dies ein besonders wichtiges Anliegen. Daher sollten wir diese Chance nutzen.“ Gleichwohl könne er die Position des Medi-Verbund Baden-Württemberg nachvollziehen. „Ehrlicherweise habe ich diese Form der Reaktion sogar erwartet. Ich bin grundsätzlich für jeden Vorschlag, der die Patientenversorgung verbessert, gesprächsbereit. Scheuklappen kenne ich nicht.”



Anja Köhler, Freie Journalistin
redaktion@daz.online


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3 Kommentare

Wer will denn impfen?

von Thomas Eper am 30.04.2022 um 10:27 Uhr

Die Mehrzahl der Apotheker wollen, bzw. können gar nicht impfen (Auflagen nicht zu erfüllen, keine Räumlichkeiten, haben zu wenig Personal). Wir reden hier von ca. 5% (!), die das machen wollen. Also kein Grund zur Aufregung.

Wenn Ärzte Notdienst-Dispensierrecht haben wollen: bitte sehr! Aber bitte auch am Wochenende, gell!
Ich mache dann aber keinen Notdienst mehr. Doppelter Arzneimittel-Notdienst (Arzt-Apotheker) wäre übertrieben und unnötig.

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Dispensierrecht

von Franz Sedlmayr am 29.04.2022 um 20:20 Uhr

Zum Dispensierrecht für Ärzte gibt es sehr sehr viel zu sagen. Hier nur schnell vier Schlagworte; Rabattverträge ( mit Nullretaxgefahr), Securpharm, Temperaturkontrolle der AM beim Hausbesuch und die Chargendokumentation.

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AW: Dispensierrecht

von Anke am 30.04.2022 um 7:42 Uhr

Ich denke, die KK werden hier den Ärzten sehr Entgegenkommen, im Notdienstfall wären Rabatttverträge nicht mehr bindend, Retax gibt es auch nicht, Temperaturkontrolle wäre machbar durch Kühlbox mit entsprechendem Datenlog, bei Securpharm sehe ich eher das Problem, das wird schwer umzusetzen, aber auch dafür findet sich eine Lösung. Wir sollten einfach unseren Horizont etwas erweitern, wenn die Apotheker mit den Ärzten das Impfen teilen wollen, sollten sie so fair sein und das Dispensierrecht im Notdienstfall nicht gleich abschmettern. Im Grunde ist es doch eine gute Idee, dann würde auch der Notdienst in der Apotheke weniger werden, da der nicht mehr so flächendeckend angeboten werden müsste. Nur weil etwas Jahrzehnte immer so war, heißt es nicht, daß es nicht verbessert werden könnte.

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