Interview mit dem Patientenbeauftragten der Bundesregierung

Schwartze fordert „schnellstmöglich“ eine Entscheidung bei den pharmazeutischen Dienstleistungen

Berlin - 17.05.2022, 17:50 Uhr

Der Patientenbeauftragte der Bundesregierung, Stefan Schwartze, erläutert im DAZ-Interview, was er sich von der Einführung der pharmazeutischen Dienstleistungen erhofft. (b/Foto: Stefan Schwartze, MdB)

Der Patientenbeauftragte der Bundesregierung, Stefan Schwartze, erläutert im DAZ-Interview, was er sich von der Einführung der pharmazeutischen Dienstleistungen erhofft. (b/Foto: Stefan Schwartze, MdB)


Auch Angehörige in die Beratung einbeziehen

Beim Symposium der Bundesapothekerkammer haben Sie von einem Fall aus dem persönlichen Umfeld berichtet, in dem eine Fehlmedikation zu Krankenhauseinweisung und letztlich zu einem dauerhaften Schaden geführt hat. Wie hat sich dieses Ereignis auf Ihre Sicht auf das Thema Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS) ausgewirkt?

Dieses Ereignis hat meine Sicht auf die Arzneimitteltherapiesicherheit verändert und mir deutlich gemacht, dass sich Patientinnen und Patienten, aber auch ihre Angehörigen, sehr viel kritischer mit den verordneten Arzneimitteln, vermeidbaren Risiken der Arzneimitteltherapie und risikominimierenden Maßnahmen auseinandersetzen müssen. Ein erster Schritt für den so wichtigen Überblick über die eigenen Arzneimittel ist der Medikationsplan. Seit 2016 haben Patientinnen und Patienten, die mindestens drei verordnete Arzneimittel über längere Zeit einnehmen, einen gesetzlichen Anspruch auf einen Medikationsplan. Er fasst alle Arzneimittel einer Person zusammen und gibt eine verständliche Übersicht, wann welche Medikamente eingenommen werden sollen. Der Medikationsplan unterstützt damit die Gesundheitskompetenz und stärkt die Patientensicherheit. Dennoch wissen immer noch viel zu wenige Patientinnen und Patienten und auch nicht alle Ärztinnen und Ärzte, dass es diesen Rechtsanspruch gibt. Auch aus diesem Grund bin ich Schirmherr der Initiative „Medikationsplan schafft Übersicht“ der Bundesarbeitsgemeinschaft der Senioren-Organisationen, die Patientinnen und Patienten über den Anspruch auf einen Medikationsplan aufklären und dazu ermutigen will, ihren Medikationsplan anzufragen und einzufordern.

Glauben Sie, dass die Patientinnen und Patienten in Deutschland bezüglich der AMTS ausreichend sensibilisiert sind? Inwiefern besteht hier Aufklärungsbedarf?

Mit Blick auf die Gesundheitskompetenz gibt es insgesamt noch viel Handlungsbedarf. Es ist unbestritten, dass es vielen Menschen ganz grundsätzlich schwerfällt, sich in gesundheitlichen Fragen zurechtfinden. Für die Arzneimitteltherapiesicherheit gilt dies ganz besonders. Patientinnen und Patienten, die regelmäßig mehrere Arzneimittel anwenden, müssen eine Vielzahl von Herausforderungen bewältigen: Verschiedene Darreichungsformen, komplexe Informationen über die Indikation, die Anwendung sowie das Wirkungs- und Nebenwirkungsprofil der Arzneimittel müssen verstanden und umgesetzt werden. Insbesondere älteren Patientinnen und Patienten mit Multimedikation fällt die regelmäßige Anwendung der Arzneimittel oft nicht leicht. Medikamente können verwechselt, falsch angewendet oder ganz vergessen werden. Hier kommt es ganz wesentlich auf eine niedrigschwellige, adressatengerechte Kommunikation über Nutzen und Risiken von Arzneimitteln sowie gegebenenfalls auch individuelle Unterstützung an. Patientinnen und Patienten müssen für mögliche Nebenwirkungen sensibilisiert werden und auf Augenhöhe verständlich erklärt bekommen, dass es für den Behandlungserfolg unerlässlich ist, die Medikamente auf die verordnete Art und Weise und für die verschriebene Dauer auch tatsächlich einzunehmen. Zur Unterstützung der Patienten und der Erhöhung der Arzneimitteltherapiesicherheit setze ich hier – wie bereits gesagt – große Hoffnung auf die pharmazeutischen Dienstleistungen, zum Beispiel die Medikationsanalyse und eine intensive regelmäßige Beratung und Begleitung der Patientinnen und Patienten in der Apotheke. Bei Multimorbiden und Älteren könnte es zudem sinnvoll sein, auch die Angehörigen in die Beratung miteinzubeziehen, damit sie zusätzlich informiert sind und im häuslichen Umfeld unterstützen können.



Christina Müller, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (cm)
redaktion@daz.online


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