Kontraste-Feature

Das schwierige Verhältnis der Apotheken zur Homöopathie

Berlin - 20.05.2022, 16:15 Uhr

Wie viel Beratung kann von Apotheker:innen verlangt werden, wenn Kunden homöopathische Mittel wünschen? BAK-Präsident Benkert hält es nicht für machbar, jedes Mal auf die nicht vorhandene Evidenz hinzuweisen. (c / Screenshot: rbb.-online.de)

Wie viel Beratung kann von Apotheker:innen verlangt werden, wenn Kunden homöopathische Mittel wünschen? BAK-Präsident Benkert hält es nicht für machbar, jedes Mal auf die nicht vorhandene Evidenz hinzuweisen. (c / Screenshot: rbb.-online.de)


AKWL will Homöopathie-Seminare streichen 

Der AKWL-Fortbildung „Homöopathie-Highlights“ hat der Journalist Hinnerk Feldwisch-Dentrup – selbst kein Apotheker –  gelauscht. Für Kontraste stellt er heraus, wie der Referent in die Runde fragt, ob Homöopathie bei Atemproblemen mit starker Verschleimung eine wirksame Zusatztherapie sein kann. Der Arzt und Homöopath beantwortet die Frage selbst mit Ja: „Ob das COVID ist oder ob es Erkältungsviren sind. Mit einer gewissen Atemnot, dann denken Sie an Antimonium, Tartarikum viermal täglich, fünfmal täglich eine Tablette.“

Der Journalist legt der Kammer im Anschluss Auszüge aus dem Seminar vor und fragt nach, ob sie mit den Inhalten der Fortbildung übereinstimmt. Die Kammer erklärt daraufhin, dass sie zum einen „ab sofort keine Refresher-Seminare zum Thema Homöopathie mehr anbieten“ werde. Der Referent werde ebenfalls nicht mehr für sie tätig sein. Und: „Wir werden unsere Fort- und Weiterbildungsangebote noch einmal einer vollständigen Revision dahingehend unterziehen, ob sie … einer evidenzbasierten Wissensvermittlung entsprechen“.

Benkert sieht Grenzen der Beratung

BAK-Präsident Benkert tritt sogar persönlich vor die Kamera. Die Frage an ihn lautet: „Wenn Sie hinterm Tresen stehen und jemand will ein homöopathisches Mittel – sagen Sie dann ganz klar dazu: Es gibt keinen wissenschaftlichen Beleg, dass dieses Mittel wirkt.“ Seine Antwort: „Das sage ich nicht jedes Mal dazu. Ja, mit Sicherheit nicht. Dann komme ich aus dem Beraten überhaupt nicht mehr raus“. Dass Homöopathie eine Glaubenssache ist, hält er für selbstverständlich. „Aber ich kann nicht bei jeder Abgabe von dem sagen, das verkaufe ich Ihnen jetzt, aber das ist mit Sicherheit wissenschaftstechnisch nicht wirksam“.

Die Conclusio der Journalisten: „Mit transparenter Aufklärung tut man sich wohl auch an der Spitze der deutschen Apothekerschaft schwer“.  So wundert es kaum, dass der Beitrag nun auch unter Apotheker:innen für Diskussionen sorgt – vor allem in den Sozialen Medien.

Hier können Sie sich den Kontraste-Beitrag in Gänze ansehen.



Deutsche Apotheker Zeitung
redaktion@daz.online


Diesen Artikel teilen:


10 Kommentare

Schmuddelimage

von Dr. House am 24.05.2022 um 15:29 Uhr

Ich bin dafür, dass wir uns alle ehrlich machen und den Scheiß, der gar nicht oder nicht ausreichend wirkt aus dem Sortiment nehmen, aber dann eben alles und gründlich. Egal ob Homöopathie, Impfung, Acetylcystein Lachyoga oder Cannabis. Wir "Experten" stellen aber die alles entscheidene Frage nach WIrksamkeit längst nicht mehr. Wir sind Experten fürs Wegsehen. Wirksamkeit und Sinnhaftligkeit interessiert uns schlichtweg nicht, denn schließlich sind die Zulassungsbehörden ja zuständig. Alles was Geld bringt wird verkauft - jede Apotheke die das nicht tut kann morgen zumachen. Dank staatlicher Sparmaßnahmen ist also leider die Abgabe wirkungsloser überflüssiger Medis versorgunsrelevant, denn die eigentliche Versorgung kann nur querfinanziert werden, wenn die Apotheke auch überlebt. Wer ist denn da heute noch überrascht? Heute verkauf ich Globulis, morgen impfe ich eine 12 -Jährige Patientin mit Top Immunsystem, weil die Eltern in den Urlaub wollen mit einem eher mäßig wirksamen veralteten Impfstoff, übermorgen fülle ich einem Erkältungspatienten die Tüte mit Akutmedis im Wert von 60 €, weil damit die Erkältung bestimmt viel schneller weggeht. Das Problem ist viel größer als die Homöopathie und die Grenze sogenannter evidenzbasierter Medizin zur Quacksalberrei verläuft fließend. Das kaputtgesparrte Gesundheitssystem erhöht den Verkaufsdruck. Wo sollen die ethisch korrekten Apotheker denn herkommen? Die überlebten heutzutage kein Jahr, wenn sie das Wörtchen Evidenz ernst nehmen würden. Der Fehler liegt im System, also bringt es überhaupt nix einzelne Heilberufler an den Pranger zu stellen, während gleichzeitig Behörden das ganze Zeug munter weiter als Arzneimittel zulassen/registrieren lassen.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

ARD Bericht Homöopathie

von Astrid K am 22.05.2022 um 14:48 Uhr

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

ich kann nur hoffen, dass die Statements der Interviewten aus dem Zusammenhang gerissen wurden und daher einen schlechten Blick auf den Wissensstand der Berufsvertretung und der AKWL werfen. Wer sich mit dem aktuellen Wissenstand zur Forschung in der Homöopathie wirklich auseinandersetzen möchte, dem empfehle ich folgende Publikation:

https://www.wisshom.de/whwp/wp-content/uploads/2022/05/Uebersicht-Homoeopathie-Forschung_23.02.2022-WissHomWebsite-AKTUELL-2.pdf

Schade auch, dass nicht einmal die Wettbewerbszentrale den Unterschied zwischen zugelassenen und registrierten hom. AM kennt bzw. deutlich macht.

Eine Diskussion des aktuellen Stands von Wissenschaft und Technik in der integrativen Medizin, die sehr wohl evidenzbasiert arbeitet sowie eine Berichterstattung auf Augenhöhe ist bei diesem emotionalen Thema scheinbar nicht mehr möglich.

Schade...

Viele Grüße
Astrid K



» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: ARD Bericht Homöopathie

von BG am 22.05.2022 um 21:27 Uhr

Ich kann auch nur sagen: Schade! Auch dass Dr. Wiesenauer - seit Jahrzehnten aus meiner Sicht seriös und anerkannt für das Wohl der Patienten unterwegs - auf diese Art und Weise in ein schlechtes Licht gestellt wird. Da bin ich wirklich entsetzt. Vielmehr sollten wir doch einmal den eigenen KollegInnen auf die Finger schauen, die aus irgendwelchen Impfstoffresten auf eigene Faust Therapeutika mit welchen Versprechen auch immer herstellen. Und schade auch, dass nicht einmal der Präsident der Apothekerkammer die Gelegenheit bekommt - oder sie nicht nutzt - zu erklären, dass wir nicht hinter einem Tresen stehen. Also ich berate doch noch immer gerne und aus vollem Herzen hinter oder am HV Tisch. Ich bin Apothekerin aus Leidenschaft und zapfe kein Kölsch, Pils oder Alt. Schade dass uninformierte Presse auf diese Art und Weise Meinung machen darf..

Aussagen von Herrn Benkert

von Prof. Dr. Harald Schweim am 21.05.2022 um 17:10 Uhr

Sehr geehrter Herr Kollege, wenn Sie richtig zitiert worden sind, halte ich Ihre Aussage - besonders in Ihrem Amt - für bedenklich. Entweder - so verstehe ich Sie - wenn Sie zu der Fraktion, die Homöopathie für "Glaubenssache" hält, gehören, dann müssen Sie JEDES Mal darauf hinweisen, dass die Wirksamkeit von Homöopathika "nicht wissenschaftlich belegt ist". Nach welchem Kriterium mal SO, mal SO? Wirtschaftliche Gründe, dann komme ich aus dem Beraten nicht mehr raus? Ich war und bin der festen Überzeugung, BERATEN ist die PFLICHT und KERNKOMPETENZ des (öffentlichen) Apothekers(-in). Oder wie wählen Sie aus, ob Sie beraten oder nicht? Gilt diese Einstellung auch für ANDERE Arzneimittel? Beste Grüße, Harald Schweim

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: Aussagen von Herrn Benkert

von David Schrey am 21.05.2022 um 19:26 Uhr

Danke, Sie sprechen mir aus dem Herzen! Eine unglaubliche Aussage von Herrn Benkert, wir sind verpflichtet zu Beraten! Ich sage immer den einfachen Satz "Homöopathie wirkt nicht über den Placeboeffekt hinaus". Mehr muss man nicht sagen.
Als Präsident der BAK disqualifiziert er sich mit dieser Aussage und zieht unseren Berufsstand gleich mit in die ekelhafte Schwurbelecke.

Peinlich

von Thomas Eper am 21.05.2022 um 12:06 Uhr

Zur Erinnerung:
Wir haben als Pflichtliteratur in der Apotheke das "Homöopathische Arzneibuch".
Dann sollte man schon ein wenig mehr zur Homöopathie sagen können.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

„Das sage ich nicht jedes Mal dazu. Ja, mit Sicherheit nicht. Dann komme ich aus dem Beraten überhaupt nicht mehr raus“.

von Thomas B am 21.05.2022 um 10:38 Uhr

Leider scheint die Berichterstattung an dieser Stelle stark gekürzt. Für ein pharmazeutisches Medium aus meiner Sicht sehr unglücklich. Herr Benkert hätte zu einem korrekten Vorgehen dazu sicher noch einiges zu sagen....

» Auf diesen Kommentar antworten | 2 Antworten

AW: „Das sage ich nicht jedes Mal dazu. Ja

von Christian Rotta am 21.05.2022 um 19:52 Uhr

Der Link an Ende des Artikels führt zu dem Statement des BAK-Präsidentschaft, das im Artikel, wie ich meine, durchaus korrekt zitiert wird. Oder was stört Sie daran?

AW: „Das sage ich nicht jedes Mal dazu. Ja

von DAZ Redaktion am 21.05.2022 um 20:29 Uhr

Lieber Herr B..
was vermissen Sie denn? Wenn er mehr gesagt haben sollte, wurde das vom rbb gekürzt, aber nicht von uns.
Grüße
Ihre Redaktion

Pro und Contra

von Thomas B am 21.05.2022 um 10:12 Uhr

Die ewige Krux: Wieviel darf eine Beratung kosten?
Wer sich für die angegebenen 500 € Homöopathika kauft, hat ein ganz anderes Problem. Auch der entsprechende Händler kommt (zu Recht) in Erklärungsnot... Wer als Therapeut - sei es als Schul- oder Alternativmediziner - andere mögliche Therapien zugunsten seiner eigenen Strategie kategorisch ausschliesst, handelt kurzsichtig und potenziell unmoralisch. Insbesondere wenn wissenschaftlich erwiesen wirksame Therapien ausgeschlossen werden. Mit einer adjuvanten homöopathischen (oder anderen alternativen) Therapie kostengünstig Placeboeffekte zu heben oder mitzunehmen halte ich jedoch keineswegs für unethisch. Betriebswirtschaftlich interessant ist dieses Vorgehen - seriös betrieben - für den Pharmazeuten allerdings sicher nicht. Der Globuliverkauf ist dann der Gegenwert für die investierte Arbeitszeit. Und wer weiss, vielleicht hilft es ja sogar ein bisschen über den Placeboeffekt hinaus. Wissen wir (noch) nicht. Nahezu jeder Anästhesist lässt genau deswegen vorsichtshalber vor einem Eingriff auch Arnica absetzen.... Seriös behandeln und beraten heisst, gesichert wirksame Therapien first, adjuvante Therapieversuche second und on top, Kosten-Nutzen-Risikoverhältnisse stets beachten.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.