Griese-Mammen beim Pharmacon Meran

Das sind die sechs wichtigsten Wechselwirkungen laut DGIM

Meran - 23.05.2022, 13:45 Uhr

Dr. Nina Griese-Mammen sprach auf dem Pharmacon in Meran über Arzneimittelwechselwirkungen. (c / Foto: Moll / DAZ)

Dr. Nina Griese-Mammen sprach auf dem Pharmacon in Meran über Arzneimittelwechselwirkungen. (c / Foto: Moll / DAZ)


Wie gefährlich Interaktionen von Medikamenten sein können, ist den Mitarbeitenden in den Apotheken wohlbekannt. Beim Pharmacon in Meran fasste Nina Griese-Mammen, Abteilungsleiterin für wissenschaftliche Evaluation im ABDA-Geschäftsbereich Arzneimittel, ein Papier der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM) zusammen, in dem die Fachgesellschaft anhand von sechs besonders kritischen Wechselwirkungen auf das Thema aufmerksam macht.

(Es-)Citalopram und Makrolide

Von einer gleichzeitigen Therapie mit Citalopram oder Escitalopram und Makroliden rät die DGIM in ihrem Papier von 2021 ausdrücklich ab. „Es droht eine dosisabhängige Verlängerung der QT-Zeit“, erläutert Griese-Mammen am Sonntag in Meran. Daraus können lebensbedrohliche Torsade-de-Pointes-Arrhythmien folgen – auch ventrikuläre Tachykardien und plötzlicher Herztod sind möglich.

Insbesondere ältere Patienten sind laut DGIM gefährdet, da die Toleranz gegenüber Citalopram/Escitalopram im Alter herabgesetzt ist. Die Kombination dieser Arzneistoffe mit QT-Zeit-verlängernden anderen Medikamenten ist daher kritisch zu hinterfragen, vor allem, wenn weitere Risikofaktoren wie Elektrolytstörungen, Long-QT-Syndrom oder Bradykardie hinzukommen.

Empfehlung: Einsatz eines Antibiotikums aus einer anderen Wirkstoffgruppe, zum Beispiel Betalactame oder Tetrazykline. Für eine Risikoabschätzung bei Kombination QT-Zeit-verlängernder Arzneimittel empfiehlt Griese-Mammen die Website der Non-Profit-Organisation AZCERT.

ACE-Hemmer, Sartane und Renin-Inhibitoren

Einst setzte die Wissenschaft große Hoffnung in die Kombination verschiedener RAS-Hemmer – große kontrollierte Studien (ONTARGET, ALTITUDE) brachten allerdings ernüchternde Ergebnisse. Darin zeigte sich kein Vorteil bei gleichzeitigem Einsatz, allerdings stieg die Nebenwirkungsrate deutlich. Während ONTARGET klare Nachteile bei den realen Endpunkten lieferte, wurde ALTITUDE wegen unerwünschter Effekte sogar vorzeitig abgebrochen (Hyperkaliämie, Hypotonie, akutes Nierenversagen).

Empfehlung: Die doppelte Hemmung des Renin-Angiotensin-Systems ist zu vermeiden.

Diuretika, RAS-Blocker und NSAR

Diese Kombination ist auch als Triple Whammy bekannt. Griese-Mammen weist darauf hin, dass Apotheker:innen diese Konstellation beim Blick auf den Medikationsplan einer Patientin oder eines Patienten selbst erkennen müssen – denn die meisten Systeme, die beim Arzneicheck zum Einsatz kommen, können nur jeweils zwei Medikamente miteinander vergleichen. Es droht akutes Nierenversagen.

Empfehlung: Wenn möglich, sollte ein anderes Schmerzmittel zur Anwendung kommen, etwa Metamizol, Paracetamol, Tilidin oder Tramadol. Andernfalls empfiehlt sich ein Wirkstoff mit vergleichsweise günstigem Risikoprofil – laut Griese-Mammen sind das Ibuprofen und Naproxen – in geringstmöglicher Dosierung. „Weisen Sie auch in der Selbstmedikation auf das Risiko hin und bieten Sie Alternativen an, insbesondere Paracetamol“, rät die ABDA-Abteilungsleiterin. Besteht die Kundin oder der Kunde auf die Abgabe eines NSAR, sollte sie oder er regelmäßig den Blutdruck messen. Allerdings ließe sich auch damit nicht erkennen, ob „die Niere dicht macht“.

Opioide und Clarithromycin (oder andere CYP3A4-Hemmer)

Bestimmte Opioide wie Oxycodon, Fentanyl und Tramadol werden vor allem über das Enzym CYP3A4 verstoffwechselt. Starke Inhibitoren dieses Enzyms, etwa das Makrolid Clarithromycin und das Antimykotikum Itraconazol, können die Blutspiegel klinisch relevant erhöhen bis hin zu einer Intoxikation mit schwerer Atemdepression. Enzyminduktoren wie Johanniskraut und Phenytoin sorgen hingegen für einen vermehrten Abbau und eine verminderte Wirksamkeit. Kritisch ist insbesondere zu werten, wenn bei Dauertherapie mit einem Opioid eine entsprechende Akutmedikation angesetzt oder ein interagierender Wirkstoff abgesetzt wird. „Solche Konstellationen sind ein No-Go im ambulanten Bereich“, betont Griese-Mammen.

Empfehlung: Auswahl eines anderen Antibiotikums

Rifampicin und NOAKs / DOAKs

Rifampicin gilt als besonders problematischer Partner bei Arzneistoff-Kombinationen, da das Antibiotikum neben diversen CYP-Enzymen noch weitere Metabolisierungswege ankurbelt, zum Beispiel UDP-Glucuronosyltransferasen, sowie den Transmembrantransporter P-Glykoprotein. Bei gleichzeitigem Einsatz gerinnungshemmender Medikamente aus der Gruppe der neuen oralen Antikoagulanzien (NOAKs) droht eine Unterdosierung wegen des verstärkten Abbaus und der beschleunigten Eliminierung. Während bei einer Behandlung mit Vitamin-K-Antagonisten eine laufende Anpassung der Dosierung anhand messbarer Parameter möglich ist, gilt das nicht für NOAKs.

Empfehlung: Kombination vermeiden. Weitere Information gibt es auf der Website easyDOAC.de. Vor der Gabe von Rifampicin sollte nach Einschätzung der DGIM immer ein Interaktionscheck mit der bestehenden Medikation durchgeführt werden.

NSAR und systemische Glucocorticoide

Während das Ulcus-Risiko unter der Gabe von NSAR um den Faktor 4,3 steigt, ist bei der kombinierten Anwendung von NSAR und systemischen Glucocorticoiden sogar ein Risikoanstieg um das 13-Fache zu beobachten. Bei einer gleichzeitigen Anwendung über einen Zeitraum von etwa fünf Tagen und länger sollte daher immer auch ein Protonenpumpenhemmer zum Einsatz kommen. Glucocorticoide allein bedingen übrigens nach aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen noch keine erhöhte Ulcus-Gefahr.

Empfehlung: Ab einer gleichzeitigen Anwendung über mehr als fünf bis sieben Tage hinweg sollte immer auch ein PPI angesetzt werden. Wünscht eine Patientin oder ein Patient unter systemischer Glucocorticoid-Therapie ein NSAR in der Selbstmedikation, sollten die Apothekenmitarbeitenden laut Griese-Mammen auf die Gefahr hinweisen und betonen, dass das Schmerzmittel ohne ärztliche Rücksprache nicht länger als drei Tage angewendet werden darf.

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Christina Müller, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (cm)
redaktion@daz.online


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