Protina produziert vor den Toren von München (Bildergalerie)

Vitamine und Mineralstoffe in Arzneimittelqualität made in Germany

27.05.2022, 17:50 Uhr


Protina kann man wohl mit Fug und Recht zu den hidden champions der Pharmabranche zählen. Die Marken des Familienunternehmens – allen voran Basica® und Magnesium-Diasporal® – zählen mit zu den bekanntesten in der Apotheke. Das Traditionsunternehmen dahinter hat sich wie viele Mittelständler in der Vergangenheit im Hintergrund gehalten. Erst in den letzten Jahren hat sich das ein wenig geändert. Einen Grund sich zu verstecken gab und gibt es allerdings nicht.

Retro! Das ist das Erste, was einem in den Sinn kommt, wenn man vor dem Gebäude von Protina in Ismaning steht, dem alten Gebäude wohlgemerkt. Die Fassade, erbaut Anfang der 80er Jahre, ist in braun und gelb gehalten – die Farben des „Schwefelbad Dr. Klopfer“, ein langjähriger Bestseller, der allerdings heute aus der Mode gekommen und deswegen nicht mehr im Handel ist. Neben dem alten Gebäude gibt es noch zwei weitere neuere. Das jüngste, das neue Produktionsgebäude, wurde erst 2020 fertiggestellt. Außerdem unterhält Protina noch ein großes angemietetes Logistikzentrum in Neufahrn ein paar Kilometer weiter nördlich. In Ismaning gab es keine geeignete Fläche. 

Die Lebensmittelchemikerin Monika Tiedemann ist seit 2013 Geschäftsführerin.  

„Die alten Gebäude haben nicht mehr gereicht, das Unternehmen ist immer weitergewachsen“, erklärt Geschäftsführerin Monika Tiedemann. Der 3.500 qm große Neubau sei so konzipiert, dass er auch noch eine Erweiterung der Produktionskapazitäten erlaubt – längerfristig und nachhaltig zu denken und zu planen sei schließlich Teil der Firmenphilosophie. „Mit unserem Neubau bekennen wir uns klar zum Standort Ismaning“, so die Geschäftsführerin, die seit 2013 an der Spitze des Unternehmens steht. Die Mitarbeiter wissen das zu schätzen. 

Das Geheimnis des Erfolgs? Die richtigen Partner!

In der knapp 18.000 Einwohner zählenden Gemeinde im Norden von München unterhält Protina nicht nur den Firmensitz, sondern auch die gesamte Produktion. Denn bis auf flüssige und halbfeste Arzneiformen, die aber nur einen kleinen Teil des Portfolios ausmachen, werden sämtliche Produkte hier vor den Toren der Landeshauptstadt hergestellt und von dort in 26 Länder verkauft. So wird beispielsweise Basica® nach Australien exportiert. In Litauen ist die Firma sogar Marktführer. Man habe sich dort frühzeitig hin orientiert, so Monika Tiedemann, die vor ihrem Eintritt in die Geschäftsführung das internationale Geschäft verantwortet hat. Der richtige Zeitpunkt macht in ihren Augen aber nur einen Teil des Erfolgs aus: „Das Geheimnis sind die Distributionspartner vor Ort. Man ist immer da erfolgreich, wo man mit dem Partner eine gute Beziehung auf Augenhöhe hat. Dann wird das Geschäft erfolgreich. Egal wo.“

Protina

Das in der dritten Generation geführte Familienunternehmen Protina kann auf eine lange Geschichte zurückblicken. Die Wurzeln von Protina reichen bis ins Jahr 1900 zurück. Damals gründet der Chemiker Dr. Volkmar Klopfer in Dresden das Nahrungsmittelwerk Dr. Volker Klopfer, später das Chemische Werk Dr. Klopfer. Er entwickelt unter anderem die Marken Basica® und Magnesium-Diasporal® sowie das nach ihm benannte Schwefelbad. Nach seinem Tod führt sein Schwiegersohn Dr. Ing. Franz Weilguny das Erbe weiter und gründet in Freising, also unweit vom heutigen Standort, die Protina Chemische GmbH, die dann zur Protina Pharmazeutische GmbH wird. Die Chemischen Werke Dr. Klopfer gehen später in Protina auf und sind heute eine 100-prozentige Tochter. Die Firma ist heute mit Basica® Marktführer im Bereich der Säure-Basen-Präparate und beim Magnesium mit Magnesium-Diasporal® die Nummer zwei im deutschen Markt.  www.protina.de

 „Vieles, was man hier sieht, gibt es nur bei uns“ 

Kompaktieren, granulieren, gegebenenfalls tablettieren oder verkapseln und auch verpacken – alles findet hinter der braun-gelben Fassade bzw. im angrenzenden neuen Gebäude statt. Die Produktionsanlagen habe man über die Jahre für die eigenen Bedürfnisse optimiert, erklärt der Leiter der Herstellung, Stefan Gutberlett. „Vieles, was man hier sieht, gibt es nur bei uns.“ 

Die Eck-Container sind eine Sonderanfertigung für Protina. 

So zum Beispiel die Eck-Container, die jeweils 1.100 Liter fassen. Das Besondere: Sie werden schräg gestellt und über die Ecken entleert, so lassen sich Rückstände minimieren. Hochheben kann sie allerdings niemand, dazu gibt es spezielle Vorrichtungen. „Wenn man wie wir vor allem mit großvolumigen Rohstoffen, wie Magnesiumsalzen, arbeitet, ist das ein großer Vorteil“, so der Herstellungsleiter. Bei den Rohstoffen setzt Protina auf europäische Produktion – „Made in Austria“ ist beispielsweise auf den großen Säcken mit Zitronensäure zu lesen, die in den Räumlichkeiten lagern. Das Sortiment umfasst vor allem Vitamine und Mineralstoffe, die teils als Nahrungsergänzungsmittel, teils als Arzneimittel auf dem Markt sind. „Arzneimittelqualität ist aber der Standard, an dem wir uns orientieren, auch bei den Nahrungsergänzungsmitteln“, erklärt der Herstellungsleiter. „Die Produkte werden jeweils von denselben Mitarbeitern auf denselben Maschinen hergestellt, das lässt sich gar nicht trennen.“

Zudem wird kontinuierlich in die Modernisierung investiert. Denn tatsächlich sieht man einigen Anlagen an, dass sie bereits etwas in die Jahre gekommen sind. „Die werden nach und nach ausgetauscht“, erzählt Stefan Gutberlett. Dabei spielen seiner Aussage nach auch Aspekte wie Nachhaltigkeit und Umweltschutz eine wesentliche Rolle, so zum Beispiel bei der vor kurzem angeschafften „Großspülmaschine“. Die sei darauf ausgelegt, möglichst sparsam zu arbeiten und wenig Reinigungsmittel zu verbrauchen, erklärt der Herstellungsleiter.

Familiäre Atmosphäre, trotz Größe

Fast 200 Mitarbeiter:innen beschäftigt das Unternehmen am Standort Ismaning. Trotz der Coronakrise, die man bislang gut überstanden habe, wurden im letzten Jahr viele neue Leute eingestellt, berichtet Monika Tiedemann, die von Haus aus Lebensmittelchemikerin ist. Einige Stellen seien im Hinblick auf zukünftige Herausforderungen geschaffen worden, zum Beispiel in der IT. Aber eigentlich seien über alle Bereiche hinweg Mitarbeiter:innen dazugewonnen worden.  
Die Atmosphäre ist trotz der Größe familiär: Man scheint sich zu kennen, man duzt sich. Letzteres allerdings erst seit ein paar Jahren, das habe es in der Pharmaindustrie früher nicht gegeben, so die Geschäftsführerin Tiedemann. „Man kann sagen, dass wir uns hier auf Augenhöhe befinden.“ Jeder Mitarbeitende werde als Mensch wertgeschätzt, das schreibe man sich auf die Fahnen. Überhaupt spielten Werte eine wichtige Rolle. „Wir verkaufen nur Produkte, bei denen wir überzeugt sind, dass sie dem Kunden nutzen. Auch zum Thema Säure-Basen-Haushalt gibt es in den letzten Jahren immer mehr Evidenz und mittlerweile auch eine internationale Wissenschaftscommunity aus den verschiedenen medizinischen Fachbereichen“, sagt Tiedemann.  
 

Apotheken sind für das Familienunternehmen der wichtigste Partner

Dem Thema Evidenz messe man bei Protina eine große Bedeutung zu, erklärt die Geschäftsführerin, die bereits seit über 20 Jahren für Protina tätig ist. Mittlerweile sechs Mitarbeiterinnen beantworten in der MedWiss-Abteilung die verschiedensten Fragen von Verbraucher:innen und Apotheker:innen zu den Protina-Produkten und den damit verbundenen Themen. Dazu zählen z. B. Fragen zum Säure-Basen-Haushalt und den Puffersystemen, ob man mit Urin-Teststreifen den Blut-pH messen kann oder inwiefern Magnesium-Diasporal® bei Herzkreislauf-Problemen für Diabetiker oder beim Sport eingesetzt werden kann. Die Versorgung der Apotheken mit Daten und Studien zur Unterstützung bei der Beratung ist dem Unternehmen nach eigener Aussage ein großes Anliegen. „Sie können sich jederzeit mit ihren Fragen bei uns melden“, verweist Tiedemann explizit auf dieses Angebot. Schließlich seien der Säure-Basen-Haushalt und die Puffermechanismen ein eigener Fachbereich und kein Teil des Studiums. Für diesen Fachbereich tue man viel und kommuniziere das auch. Denn die Apotheken seien für das Familienunternehmen der wichtigste Partner. Neben der Unterstützung bei medizinisch-wissenschaftlichen Fragestellungen werden daher auch umfassend Schulungen für Direktkunden angeboten. „Es existiert ein Protina-Schulungsteam, das in den letzten Jahren massiv erweitert wurde. Das Team schult hunderte Apothekenmitarbeiter in Präsenz, aber auch in Webinaren in Kooperation mit dem BVpta. Dieses Wissen weiterzugeben ist für uns ein wichtiges Anliegen, das wir sehr ernst nehmen und in den nächsten Jahren weiter forcieren wollen“, erklärt Monika Tiedemann. 

Als unabhängiges Familienunternehmen in die Zukunft

Am Status als unabhängiges Familienunternehmen soll sich auch in Zukunft nichts ändern. Die neue Inhabergeneration, es gibt derzeit elf Gesellschafter, stellte gerade die Weichen dafür, dass die Firma in Familienhand bleibt, berichtet die Geschäftsführerin. Dadurch erhalten wir uns die flachen Hierarchien mit kurzen Entscheidungswegen, die ein wichtiger Erfolgsfaktor von Familienunternehmen sind“, so die Geschäftsführerin. „Wir wollen Mitarbeitende, die mitgestalten und sich einbringen, das ist explizit gewünscht.“ Darüber hinaus erachtet sie den Pharmamittelstand grundsätzlich als wichtigen Wirtschaftsfaktor, der im Gegensatz zu Big-Pharma auf Arbeitsplätze in Deutschland setzt und eher nicht ins Ausland abwandert.

Diese moderne und zukunftsgerichtete Einstellung merken auch Partner und Kunden, wenn sie das Gebäude betreten oder Protina kontaktieren. Davon ist Tiedemann überzeugt. Zudem setze man auf gute Partnerschaft und den Austausch mit den Apothekern.

„Trend zur Vorbeugung kommt Protina entgegen“

Für die Zukunft habe man viele Ideen und Visionen. Nicht über alle – wie z. B. neue Marken – könne man sprechen.  Aber so versuche man sich beispielsweise derzeit auch in neuen Märkten zu etablieren. Auf jeden Fall soll es weiter aufwärtsgehen. Es bleibe einem als Unternehmen, das profitabel bleiben möchte, auch gar nichts anderes übrig als zu wachsen, schließlich stiegen jährlich die Kosten, so die Geschäftsführerin. Der Trend, dass Menschen heutzutage gerne vorbeugend etwas für ihre Gesundheit tun möchten und nicht erst, wenn sie krank sind, kommt einem Unternehmen wie Protina nach Ansicht von Monika Tiedemann entgegen. „Die Tatsache, dass wir mit der neuen Basica®-Kampagne „So komme ich in Balance“ viele Darreichungsformen für die unterschiedlichsten Bedürfnisse anbieten, ist da hilfreich“, sagt sie. „Auf der anderen Seite stärkt es aber auch das Vertrauen in unsere Nahrungsergänzungsmittel, dass man unsere Marken aus dem Arzneimittelbereich kennt.“ Monika Tiedemann befürwortet es daher sehr, auch Arzneimittel im Sortiment zu haben, auch wenn der Aufwand für eine Zulassung ungleich größer ist.



Julia Borsch, Apothekerin, Chefredakteurin DAZ
jborsch@daz.online


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