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Und, schon Vorfreude aufs E-Rezept? Sie könnte einem vergehen, wenn man hört, wie insuffizient noch der eine oder andere Datensatz des E-Rezepts ist. Denn die eine oder andere verdammte Daten-Schwachstelle könnte die Retaxmaschinerie der Kassen jauchzen lassen. Und dabei hatte man uns doch immer wieder versprochen, dass das E-Rezept Formfehler praktisch unmöglich mache. Nein, da kommt keine Freude auf. Genauso wenig wie bei den Energiekostenzuschlägen und „Konditionensicherungsausgleichen“ der Pharmahändler, die ihre gestiegenen Spritkosten auf die Apotheken abwälzen. Und auch der angekündigte Einstieg von Douglas/Disapo in den Rx-Versandmarkt beflügelt unsere Freude an der Apothekerei so gar nicht.
23. Mai 2022
Mal ehrlich, mein liebes Tagebuch, so haben wir uns das nicht vorgestellt: Jede Woche eine neue Stolperfalle beim E-Rezept, die den Krankenkassen einen Retaxgrund liefern kann. Und dabei hatte man uns doch von Anfang an versprochen, dass die Kassen beim E-Rezept im Prinzip zumindest formell nichts mehr beanstanden können. Das E-Rezept mache Formfehler praktisch unmöglich, heißt es doch immer wieder. Von wegen. Vor Kurzem haben wir gehört, dass Ärzte E-Rezepte ohne Dosierungsangaben ausstellen können – rutscht so ein Rezept in der Apotheke durch: Nullretax. Jetzt hören wir, dass Krankenkassen auch die Chargennummer eines Arzneimittels im Datensatz, der an sie weitergeleitet wird, sehen wollen. Das bedeutet: Wird aus welchem Grund auch immer die Chargennummer beim Scannen nicht erfasst, könnte dies Sanktionen seitens der Kassen nach sich ziehen. Mit anderen Worten: Aus der digitalen Darstellung der Daten können sich neue Fragen und damit auch Möglichkeiten für Retaxationen ergeben, die es bei Papierrezepten so nicht gibt. Nein, so nicht, nicht mit uns! Wir Apothekers können doch nicht für die digitale Darstellung der Daten verantwortlich gemacht werden – oder müssen wir jetzt erst noch einen Programmierkurs absolvieren? Kinners, so macht das keinen Spaß, da kommt keine Freude auf. Es muss doch irgendwann einmal möglich sein, diese unsägliche Geldbeschaffungsmaschine der Krankenkassen namens Retaxierung stillzulegen, zumindest wenn es sich um formelle Retaxgründe handelt. Dass dieses Thema noch viel heikler und tiefgründiger ist, zeigt ein Schreiben von Dr. Jörn Graue, Chef des Hamburger Apothekervereins und Vorstandsvorsitzender des Norddeutschen Apothekenrechenzentrums (NARZ). In diesem Schreiben macht er auf einige eklatante Schwachstellen beim E-Rezept aufmerksam, die uns die Krankenkassen um die Ohren hauen könnten. So sieht Graue ein großes Problem bei der sogenannten Quittungssignatur des E-Rezepts – es sei fraglich, ob die Kassen diese anerkennen. Er listet zudem mehrere weitere Ungereimtheiten auf, die zu Schwierigkeiten bei der Abrechnung mit den Krankenkassen führen könnten. Graue sieht hier noch Bedarf für Prüfungen und schlägt vor, nach Lösungen in Form von detaillierten Vereinbarungen mit den Krankenkassen zu suchen. Mein liebes Tagebuch, wenn man sich das alles vor Augen hält, glaubt man wirklich, dass man im Wald steht. Jetzt Ende Mai immer noch so viele Ungereimtheiten und ab 1. September soll es starten?
24. Mai 2022
42 Milliarden Euro Einsparpotenzial durch die Digitalisierung im Gesundheitswesen glaubt eine Studie der Unternehmensberatung McKinsey gefunden zu haben. Das wäre in der Tat eine Menge Holz, mein liebes Tagebuch. Das Potenzial soll dabei vor allem in der elektronischen Patientenakte, den Telekonsultationen, in der Fernüberwachung von chronisch Kranken und im E-Rezept liegen. Klar, man kann sich schon vorstellen, dass die Digitalisierung im Gesundheitswesen an der einen oder andere Stelle zu Einsparungen führen kann, sonst hätte es nur wenig Sinn, sie so voranzutreiben. Wie diese gigantische Einsparsumme zustande kommt, lässt sich der Studie im Einzelnen allerdings nicht entnehmen. Man sollte jedoch wissen, dass der Bundesverband Managed Care an der Studie mitgearbeitet hat – und Mitglieder in diesem Verband sind auch Zur Rose Pharma GmbH, eine Tochter der DocMorris-Muttergesellschaft Zur Rose, und Doctolib, ein Technologie-Unternehmen im Gesundheitswesen, insbesondere für Telemedizin. Na, mein liebes Tagebuch, da ist doch klar, in welche Richtung unser Gesundheitswesen gehen soll. Und dass die Höhe an Einsparungen gar nicht groß genug sein kann, die bei solchen Studien herauskommt. Richtig ernst nehmen kann man das nicht wirklich.
25. Mai 2022
2 Euro extra pro Belieferung ab 1. August verlangt die Pharmagroßhandlung Sanacorp von den Apotheken. Außerdem will dieser Großhändler strikter auf die Einhaltung von Konditionen achten. So stellt er beispielsweise am Monatsende 100 Euro zusätzlich in Rechnung, wenn die Apotheke täglich eine vierte Tour in Anspruch nimmt. Als Grund für diese Extra-Gebühren nennt Sanacorp die steigenden Kosten für Energie und Sprit. Die Pharmagroßhandlung Noweda hatte bereits angekündigt, dass sie ab 1. Juni die Konditionen kürzt. Und beim Großhändler Phoenix ist eine Servicepauschale von 150 Euro monatlich vorgesehen, außerdem ein Energiekostenzuschlag von 2,13 pro Tour und außerdem ein „Konditionensicherungsausgleich“. Mein liebes Tagebuch, egal wie blumig, verschwurbelt und verklausuliert die Bezeichnungen der Großhändler auch lauten, es läuft immer aufs Gleiche hinaus: Die Großhändler machen es sich einfach und bitten ihre Apotheken für die gestiegenen Sprit- und Energiekosten zur Kasse, für die Apotheken verschlechtern sich die Konditionen. Und an wen bitteschön können die Apotheken die höheren Energiekosten weitergeben?
Mittlerweile ist es in der Öffentlichkeit um das Thema Corona-Impfung ruhiger geworden. Die 7-Tage-Inzidenz fällt und fällt ebenso wie die Zahl der Neuinfektionen. Die Zahl der bundesweit Grundimmunisierten liegt laut Corona-Warn-App bei rund 76 Prozent. Jetzt kommt erstmal der Sommer und dann? Virologen und Gesundheitspolitiker schauen natürlich bereits auf den Herbst. Wird es neue Virus-Mutanten geben? Wie entwickelt sich das Infektionsgeschehen? Wie wird die Politik darauf reagieren? Die Coronavirus-Impfverordnung geht jetzt, am 25. Mai, jedenfalls in Verlängerung. Konkret bedeutet dies: Bis 25. November können Apothekerinnen und Apotheker wie gehabt gegen Covid-19 impfen. Und dann? Tja, dann muss der Gesetzgeber neu entscheiden, es müsste die Ermächtigungsgrundlage für die Impfverordnung verlängert werden, denn die läuft zum 25. November 2022 aus. Ob die Politik auch dann noch wünscht, dass Apotheken gegen Corona impfen dürfen, wird sich zeigen. Mein liebes Tagebuch, bis dahin dürften allerdings dann die Impfungen gegen Grippe bundesweit in allen Apotheken, die sich fortgebildet haben, möglich sein. Und falls das Virus wieder wütet und es eine neue angepasste Impfstoff-Variante gibt, kann ich mir gut vorstellen, dass man gerne auf die Apotheken zugeht mit der Bitte, beim Impfen gegen Covid-19 mitzuhelfen.
27. Mai 2022
Apropos Herbst. Unser Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach denkt selbstverständlich bereits an den Herbst und eine mögliche Corona-Welle. Er wäre auch ein schlechter Gesundheitsminister, wenn er dies nicht täte. Er muss vorausschauend handeln. Und wie das heute so üblich ist, werden neue Gesetze in Fernseh-Talkrunden angekündigt. So hat Lauterbach in der ZDF-Talksendung „Markus Lanz“ wissen lassen, dass zurzeit erneut am Infektionsschutzgesetz gearbeitet werde. Er werde dann, sollte es im Herbst nötig sein, umgehend z. B. mit einer Maskenpflicht in Innenräumen reagieren. Einfacher wird’s für Lauterbach allerdings nicht – schon jetzt hat sein Kollege Marco Buschmann, seines Zeichens Bundesjustizminister, angekündigt, erstmal die Evaluierung der bisherigen Maßnahmen abzuwarten und zu berücksichtigen, bevor man sich dann auf neue Maßnahmen festlegt.
Nicht nur DocMorris, Shop Apotheke und all die anderen EU-Versender setzen den Vor-Ort-Apotheken durchs Versandgeschäft zu, jetzt mischt auch noch die Parfümeriekette Douglas im Markt der OTC-Arzneimittel und Apothekenkosmetik mit. Und das ist nur der Anfang, der Rx-Versand soll selbstverständlich dazu kommen. Wie, mein liebes Tagebuch, eine Kosmetikkette verkauft Arzneimittel? Jein, denn das geht nur indirekt. Wer auf der Douglas-Homepage „Apotheke und Gesundheit“ anklickt, erfährt im Kleingedruckten, dass Douglas natürlich selbst keine Apotheke betreibt und auch gar nicht dazu berechtigt ist – das macht die niederländische Douglas-Partnerapotheke Disapo, die sich Douglas unlängst einverleibt hat. Über die Eingliederung von Disapo und dem OTC- und Kosmetikangebot in die Homepage würden auf diesem Marktplatz „auf einen Schlag Millionen von Kundinnen und Kunden allein schon in Deutschland erreicht“, frohlockt Douglas. Die Parfümeriekette lässt zudem wissen, was sie weiterhin so vor hat, eine Expansion in weitere europäische Länder zum Beispiel. Und ja, natürlich steht auf der Douglas-/Disapo-Agenda auch der Einstieg in den Onlineversand von rezeptpflichtigen Arzneimitteln. Sobald das E-Rezept in Deutschland offiziell eingeführt wird, wolle man direkt starten, so eine Unternehmenssprecherin. Mein liebes Tagebuch, das große Hauen und Stechen der Versender und Parfümerieketten kann dann beginnen. Was heißt das für unsere Vor-Ort-Apotheken? Die Nerven bewahren und einfach (auch wenn’s nicht einfach ist) besser sein, vor allem aber persönlicher.
3 Kommentare
Ärzte sind schlau und mutig, die ABDA "Wir sind bereit"
von Martin Straulino am 29.05.2022 um 12:24 Uhr
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Kein überzeugendes Argument
von Daniela Hänel am 29.05.2022 um 9:36 Uhr
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Herr Ditzel
von Conny am 29.05.2022 um 9:20 Uhr
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