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Verstoß gegen den Pressekodex?
Apotheker kritisiert „Kontraste“-Beitrag zur Homöopathie
Im Mai veröffentlichte das Politmagazin „Kontraste“ einen Beitrag, in dem es den Verkauf von Globuli und Co. in den Offizinen hierzulande kritisch hinterfragte. Dabei schoss die Redaktion jedoch über das Ziel hinaus, meint ein Apotheker aus Westfalen-Lippe. In einem Brief an den SWR-Intendanten Gniffke legt er dar, weshalb der Beitrag aus seiner Sicht schlecht recherchiert ist und mit seriöser Information nur noch wenig zu tun hat.
Die Homöopathie kam nicht gut weg im „Kontraste“-Beitrag vom 19. Mai dieses Jahres. Und auch das Bild, das die Fernsehsendung von der Apothekerschaft zeichnete, darf wohl als zweifelhaft beschrieben werden: Bereichern sich die Pharmazeutinnen und Pharmazeuten auf Kosten der Gesundheit ihrer Kundinnen und Kunden, denen oftmals nicht bewusst ist, dass für diese Arzneimittelgruppe ein Wirksamkeitsbeleg über den Placeboeffekt hinaus bisher nicht erbracht ist? Und verstoßen sie gegen ihre Berufsordnung, wenn sie im Beratungsgespräch nicht jeden explizit darauf hinweisen?
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Das schwierige Verhältnis der Apotheken zur Homöopathie
Ein Apotheker aus Westfalen-Lippe will diesen aus seiner Sicht tendenziösen Beitrag nicht auf sich und seinem Berufsstand sitzen lassen. In einem ausführlichen Brief an den SWR-Intendanten Kai Gniffke erläutert er, weshalb das Politmagazin in seinen Augen in seiner Kritik an der Homöopathie und der Rolle der Apotheker:innen über das Ziel hinaus schießt.
Zum einen werde die Gefährlichkeit dieser Produktgruppe überspitzt dargestellt. Der „Kontraste“-Beitrag zieht als Beispiel die Brustkrebspatientin Anita B. heran, die sich statt einer schulmedizinischen Behandlung für die Homöopathie entschied und letztlich starb, obwohl eine Operation und eventuell eine medikamentöse Nachbehandlung laut einem Gutachter eine reelle Chance auf Heilung versprochen hätten. Dieser Gebrauch ist aber nicht bestimmungsgemäß, betont der Apotheker in dem Schreiben, das der Redaktion vorliegt. Es gelte, zwischen Alternativ- und Komplementärmedizin zu unterscheiden, wie es auch in den apothekerlichen Weiterbildungen gelehrt werde – als „Add-on“ hätte der Einsatz wohl kaum geschadet. Ursächlich für den Tod der Patientin sei das Unterlassen einer wirksamen Therapie und nicht der Gebrauch von Homöopathika. „Der Fall illustriert also weniger die ‚Gefährlichkeit der Homöopathie‘ per se, sondern eher die Gefährlichkeit eines nicht bestimmungsgemäßen Einsatzes, in diesem Fall als Alternativ-Medizin.“
Ist Homöopathie gefährlich?
Die pauschale Behauptung, Homöopathie bei schweren Erkrankungen zu empfehlen, sei gefährlich, werde im Beitrag schlecht bis gar nicht begründet, meint der Apotheker, der selbst Fachapotheker für Arzneimittelinformation ist und die Bereichsweiterbildung „Homöopathie und Naturheilverfahren“ abgeschlossen hat. „Persönlich halte ich sie im Gegenteil sogar für inhaltlich unzutreffend und unangemessen sensationell dargestellt, weil die weit verbreitete komplementärmedizinische Empfehlung homöopathischer Mittel unzureichend von einem nicht bestimmungsgemäßen Einsatz Einzelner (!) als Alternativ-Medizin abgegrenzt wird. Deren zum Teil sogar strafrechtlich verfolgte Verfehlungen mit dem Umgang der übrigen ApothekerInnen gleichzusetzen, erscheint mir im Übrigen in etwa so fair, wie alle Autofahrer für die Unfallfolgen eines einzelnen Geisterfahrers verantwortlich zu machen.“
Müssen Apotheker auf mangelnde Evidenz hinweisen?
Als besonders schwerwiegend habe der Kollege darüber hinaus den Vorwurf empfunden, Apotheker:innen verstießen gegen ihre Berufsordnung, wenn sie nicht in jedem Beratungsgespräch zu homöopathischen Präparaten auf die mangelnde Evidenz bezüglich der Wirksamkeit hinweisen.
Ein Rechercheergebnis: Immer wieder klären Apotheker ihre Kunden nicht wissenschaftlich auf. Aus Glaubensgründen, oder um mehr Umsatz zu machen. Das steht im Widerspruch zur Berufsordnung."
Weil ihn diese Vorwürfe „tatsächlich erschreckt haben, habe ich sie rechtlich beurteilen lassen“, schreibt der Apotheker. „Die Antwort fällt in ‚Juristendeutsch‘ formuliert zwar vorsichtig, aber eindeutig aus: ‚.., dass die in dem Beitrag getroffenen Aussagen einer vertieften juristischen Überprüfung nicht gänzlich standhalten bzw. nicht hinreichend genug differenzieren‘.“ Im Beitrag werde zudem ein Beratungsgespräch, bei dem für ein homöopathisches Präparat eine Indikation genannt wird, als Beleg für einen Verstoß gegen das Werbeverbot gemäß Heilmittelwerbegesetz präsentiert – die „Gleichsetzung von Beratungsgesprächen mit Werbung wird aus juristischer Sicht jedoch als kaum haltbar eingeschätzt“, heißt es in dem Brief.
Auch der angebliche Verstoß gegen die Berufsordnung, wenn Apotheker:innen nicht in jedem Gespräch auf die fehlende wissenschaftliche Evidenz hinweisen, sei juristisch nicht haltbar. „Ein solcher Hinweis kann für ApothekerInnen im Beratungsgespräch zwar geboten sein, falls etwa ein erhöhtes Risiko für die Gesundheit des Patienten besteht, zum Beispiel wenn ein Einsatz als Alternativmedizin beabsichtigt wird, statt einer medizinisch indizierten, wissenschaftlich besser hinsichtlich des Nutzen-Risiko-Verhältnisses belegten Therapie. Keinesfalls aber wäre es sinnvoll, praktisch umsetzbar oder in der Berufsordnung oder an anderer Stelle gefordert, dass Apotheker eine verpflichtende Bewertung der verfügbaren wissenschaftlichen Evidenz in jede Beratung einschließen müssen. Und das gilt nicht nur für homöopathische Arzneimittel – wer sich mit evidenzbasierter Medizin ein wenig auskennt, dem sind die Grenzen der Verfügbarkeit qualitativ hochwertiger Studien für eine Vielzahl auch nicht homöopathischer Arzneimittel bewusst.“
„Kontraste“ verfehlt eigenen Anspruch
Dem eigenen Anspruch an sorgfältige Recherche und seriöse Information werde der „Kontraste“-Beitrag jedenfalls nicht gerecht, findet der Apotheker. „Mir ist bewusst, dass im Journalismus das Konzept der Aufmerksamkeitsökonomie eine zunehmend größere Rolle spielen mag“, schreibt er. Doch der freiwillige Pressekodex setze den Mitteln Grenzen, wie diese Aufmerksamkeit erregt werden darf. In Ziffer 14 heißt es etwa: „Bei Berichten über medizinische Themen ist eine unangemessen sensationelle Darstellung zu vermeiden, die unbegründete Befürchtungen oder Hoffnungen beim Leser erwecken könnte. (…)“ Diese Vorgabe sieht der Pharmazeut verletzt.
4 Kommentare
Bestimmungsgemäßer Gebrauch
von Stephan am 13.06.2022 um 15:55 Uhr
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AW: Bestimmungsgemäßer Gebrauch
von Christian Fehske am 26.06.2022 um 14:27 Uhr
AW: AW: Bestimmungsgemäßer Gebrauch
von Stephan am 27.06.2022 um 14:53 Uhr
ja
von Karl Friedrich Müller am 08.06.2022 um 12:22 Uhr
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