Verstoß gegen den Pressekodex?

Apotheker kritisiert „Kontraste“-Beitrag zur Homöopathie

Berlin - 08.06.2022, 09:15 Uhr

Wirklich gefährlich? Ein Apotheker nimmt den Kontraste-Beitrag zu Homöopathie auseinander. (s / Foto: janvier/AdobeStock)

Wirklich gefährlich? Ein Apotheker nimmt den Kontraste-Beitrag zu Homöopathie auseinander. (s / Foto: janvier/AdobeStock)


Müssen Apotheker auf mangelnde Evidenz hinweisen?

Als besonders schwerwiegend habe der Kollege darüber hinaus den Vorwurf empfunden, Apotheker:innen verstießen gegen ihre Berufsordnung, wenn sie nicht in jedem Beratungsgespräch zu homöopathischen Präparaten auf die mangelnde Evidenz bezüglich der Wirksamkeit hinweisen.


Ein Rechercheergebnis: Immer wieder klären Apotheker ihre Kunden nicht wissenschaftlich auf. Aus Glaubensgründen, oder um mehr Umsatz zu machen. Das steht im Widerspruch zur Berufsordnung."

„Kontraste“-Beitrag: „Gefährliche Homöopathie und die Rolle der Apotheker“ vom 19. Mai 2022


Weil ihn diese Vorwürfe „tatsächlich erschreckt haben, habe ich sie rechtlich beurteilen lassen“, schreibt der Apotheker. „Die Antwort fällt in ‚Juristendeutsch‘ formuliert zwar vorsichtig, aber eindeutig aus: ‚.., dass die in dem Beitrag getroffenen Aussagen einer vertieften juri­stischen Überprüfung nicht gänzlich standhalten bzw. nicht hinreichend genug diffe­ren­zieren‘.“ Im Beitrag werde zudem ein Beratungsgespräch, bei dem für ein homöopathisches Präparat eine Indikation genannt wird, als Beleg für einen Verstoß gegen das Werbeverbot gemäß Heilmittelwerbegesetz prä­sentiert – die „Gleichsetzung von Beratungsgesprächen mit Werbung wird aus juristischer Sicht jedoch als kaum haltbar eingeschätzt“, heißt es in dem Brief.

Auch der angebliche Verstoß gegen die Berufsordnung, wenn Apotheker:innen nicht in jedem Gespräch auf die fehlende wissenschaftliche Evidenz hinweisen, sei juristisch nicht haltbar. „Ein solcher Hinweis kann für ApothekerInnen im Beratungsgespräch zwar geboten sein, falls etwa ein erhöhtes Risiko für die Gesundheit des Patienten besteht, zum Beispiel wenn ein Einsatz als Alternativmedizin beabsichtigt wird, statt einer me­dizinisch indizier­ten, wissen­schaftlich besser hin­sichtlich des Nutzen-Risiko-Ver­hältnisses be­legten Therapie. Keinesfalls aber wäre es sinnvoll, prak­tisch um­setzbar oder in der Berufsordnung oder an anderer Stelle gefor­dert, dass Apo­theker eine verpflichtende Bewer­tung der verfüg­baren wissen­schaftlichen Evidenz in jede Beratung einschließen müssen. Und das gilt nicht nur für homöopathische Arznei­mittel – wer sich mit evidenzbasierter Me­dizin ein wenig auskennt, dem sind die Grenzen der Ver­fügbarkeit qualitativ hochwertiger Stu­dien für eine Vielzahl auch nicht homöopathischer Arzneimittel bewusst.“

„Kontraste“ verfehlt eigenen Anspruch

Dem eigenen Anspruch an sorgfältige Recherche und seriöse Information werde der „Kontraste“-Beitrag jedenfalls nicht gerecht, findet der Apotheker. „Mir ist bewusst, dass im Journalismus das Konzept der Aufmerksamkeitsökonomie eine zunehmend größere Rolle spielen mag“, schreibt er. Doch der freiwillige Pressekodex setze den Mitteln Grenzen, wie diese Aufmerksamkeit erregt werden darf. In Ziffer 14 heißt es etwa: „Bei Berichten über medizinische Themen ist eine un­angemessen sensationelle Darstellung zu vermeiden, die unbegründete Befürchtungen oder Hoffnungen beim Leser erwecken könnte. (…)“ Diese Vorgabe sieht der Pharmazeut verletzt.



Christina Müller, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (cm)
redaktion@daz.online


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4 Kommentare

Bestimmungsgemäßer Gebrauch

von Stephan am 13.06.2022 um 15:55 Uhr

Der Gebrauch eines homöopathischen Arzneimittels "statt einer schulmedizinischen Behandlung" sei "nicht bestimmungsgemäß"? Ist das Ablehnen der "Schulmedizin" und das Abraten, ja sogar Verbieten schulmedizinischer Behandlungen nicht einer der Grundpfeiler der Homöopathie? Homöopathie wird IMMER "statt einer schulmedizinischen Behandlung" angewendet, und das macht sie gefährlich!

» Auf diesen Kommentar antworten | 2 Antworten

AW: Bestimmungsgemäßer Gebrauch

von Christian Fehske am 26.06.2022 um 14:27 Uhr

Danke für den Kommentar - ein weit verbreitetes Missverständnis, sowohl bei Patienten und auch Apothekern. Aus genau diesem Grund halte ich Fort- und Weiterbildungen zu bestimmungsgemäßem Gebrauch homöopathischer Arzneimittel für enorm wichtig - weil dieser in vielen Fällen "add on" zur Schulmedizin (also als Komplementär-Medizin) erfolgen muss, um bestimmungsgemäß zu sein. Nicht in allen Fällen - aber wenn es so einfach wäre, bräuchte es auch keine qualifizierte Beratung / Apothekenpflicht für homöopathische Arzneimittel.

AW: AW: Bestimmungsgemäßer Gebrauch

von Stephan am 27.06.2022 um 14:53 Uhr

@Christian Fehske: 100 Prozent aller Homöopathen, die ich kenne, halten "Schulmedizin" für Teufelszeug. NIEMALS würden die Homöopathie als 'add on' zur "Schulmedizin" betrachten.

Das Ablehnen der Schulmedizin IST aus Sicht der Homöopathen der 'bestimmungsgemäße Gebrauch' der Homöopathie, die ja nicht umsonst von Hahnemann abfällig als "Allopathie" bezeichnet wurde.

ja

von Karl Friedrich Müller am 08.06.2022 um 12:22 Uhr

stimme voll zu. Der Bericht hat mich auch geärgert, war einseitig und polemisch darauf ausgerichtet, Apotheken in schlechtem Licht dastehen zu lassen. Die Homöopathie war nur Mittel zum Zweck. Darum ging es nicht wirklich.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

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