Knappe Kassen und Pandemie-Sonderregeln

BMG verschiebt Bewertung der Importförderklausel

Berlin - 15.07.2022, 17:50 Uhr

Die Apotheken werden sich auch weiterhin mit der ungeliebten Importförderklausel herumschlagen müssen. (s / Foto: Schelbert)

Die Apotheken werden sich auch weiterhin mit der ungeliebten Importförderklausel herumschlagen müssen. (s / Foto: Schelbert)


Mit dem Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung hatte der Gesetzgeber festgeschrieben, dass das BMG die Auswirkungen der Importförderklausel noch einmal unter die Lupe nehmen soll. Doch das Ministerium sieht sich mit Blick auf die aktuelle Lage außerstande, eine Bewertung dieser Vorschrift vorzunehmen und will deren Effekte weiter im Auge behalten.

Mit dem Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung (GSAV), das im Jahr 2019 in Kraft trat, wurde unter anderem die Importförderklausel neu geregelt. Seither gilt: Bei Arzneimitteln bis 100 Euro muss der Abstand zwischen Import und Original mindestens 15 Prozent betragen. Zwischen 100 und 300 Euro müssen es mindestens 15 Euro sein. Bei Import-Preisen von 300 Euro oder mehr müssen die Präparate mindestens 5 Prozent günstiger sein als das Original.

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Gleichzeitig hat der Gesetzgeber den GKV-Spitzenverband verpflichtet, dem Bundesministerium für Gesundheit (BMG) bis Ende 2021 einen Bericht über die Auswirkungen dieser Regelung vorzulegen. Auf Basis dieses Berichts sollte das Ministerium prüfen, ob die Importförderklausel in der aktuellen Fassung weiterhin nötig ist (§ 129 Absatz 1 Satz 10 und 11 SGB V)

Diese Bewertung liegt jetzt vor – allerdings ohne konkretes Ergebnis. Denn das BMG sieht sich außerstande, mit Blick auf die aktuelle Lage ein echtes Fazit zu ziehen. „Vor dem Hintergrund der pandemischen Lage in den letzten zwei Jahren und ihrer Auswirkungen auch auf die Arzneimittelversorgung kann derzeit keine endgültige Bewertung der gesetzlichen Importförderklausel erfolgen“, schreibt das Ministerium. Zudem gibt es zu bedenken, dass die Abgaberegelungen für Importarzneimittel zeitweise von den Sonderregelungen aufgrund der COVID-19-Pandemie überlagert wurden und werden. Analysen zum Abgabevorrang von preisgünstigen Importarzneimitteln seien daher mit erheblichen Limitationen verbunden.

Auswirkungen im Auge behalten

Zu beachten sei auch die finanzielle Lage der gesetzlichen Krankenversicherung in der derzeitigen Krisensituation. „Abzuwägen bei der Bewertung sind unter anderem die Stärkung des Wettbewerbs durch Importe im hochpreisigen Markt für patentgeschützte Arzneimittel, die Effekte auf den EU-Binnenmarkt und die eventuellen Neuregelungen durch die anstehende Revision des EU-Rechtsrahmens für Arzneimittel“, heißt es weiter. „Der gesetzliche Abgabevorrang von Importarzneimitteln sollte daher weiter beobachtet und gegebenenfalls angepasst werden.“

Die Abgabe von Importarzneimitteln führe zu direkten Einsparungen für die gesetzliche Krankenversicherung, erläutert das BMG. „Der GKV-SV geht von Ausgabeneinsparungen im niedrigen dreistelligen Millionenbereich aus. Die Arzneimittelimport-Industrie schätzt die direkten Einsparungen auf rund 260 Millionen Euro pro Jahr.“

Insbesondere ab Juli 2019, dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der neuen Preisabstandsregeln bei der Abgabe von Arzneimittelimporten durch den Rahmenvertrag, hätten sich nach Angaben des GKV-SV die direkten Einsparungen erhöht. „Die Importregelung dürfte auch einen indirekten Effekt auf Einsparungen haben, unter anderem über mögliche Absenkungen der Listenpreise, den Abschluss von Rabattverträgen für patentgeschützte Arzneimittel und die Gewährung von Rabatten durch pharmazeutische Hersteller. Die Quantifizierung dieser indirekten Effekte ist nicht möglich, da die Ausgaben eines preisgünstigen Importarzneimittels mit einer Situation verglichen werden müsste, in der es einen Abgabevorrang für preisgünstige Importarzneimittel nicht gäbe.“

Apotheken sparen mehr als sie müssen

Interessant ist aber auch ein Blick in die Auswertung des GKV-Spitzenverbands: Denn mit dem GSAV wurden biotechnologisch hergestellte Arzneimittel und antineoplastische Arzneimittel zur parenteralen Anwendung von der Importförderklausel ab Dezember 2019 ausgenommen – dennoch sparten die Apotheken hier kräftig weiter. „Eigentlich wäre zu erwarten, dass aufgrund des aufgehobenen Abgabevorrangs in diesen Arzneimittelgruppen auch keine entsprechenden preisgünstigen Importarzneimittel abgegeben wurden“, schreibt der Kassenverband. „In diesem Fall hätte der Anteil dieser Arzneimittel an den Einsparungen im Zeitverlauf absinken müssen.“ Dieser Effekt sei jedoch nicht zu beobachten gewesen, merkt die GKV an. „Vielmehr mäandert der Anteil um etwa 25 Prozent.“

Den Ergebnissen der Analyse nach scheint die gesetzliche Neuregelung das Abgabeverhalten der Apotheken kaum beeinflusst zu haben, halten die Kassen fest. „Die Apotheken geben weiterhin preisgünstige Importe innerhalb dieser Gruppe von Arzneimitteln ab, obwohl die Abgaberegeln hier keinen gesonderten Vorrang mehr vorsehen.“

Parenteral zubereitete Arzneimittel stellten jedoch einen Sonderfall dar: „In diesem Segment dürften vor dem Hintergrund der fehlenden Preisbindung die bestehenden, historisch gewachsenen Einkaufsbeziehungen zwischen zubereitenden Apotheken bzw. Herstellungsbetrieben einerseits und den liefernden Importarzneimittelanbietern eine relevante Rolle spielen. Insofern kommt hier der gesetzlichen Regelung zum Abgabevorrang eine eher nachgeordnete Bedeutung zu.“

Auch Hersteller wollen Importförderklausel loswerden

Die ungeliebte Importförderklausel wird den Apotheken wohl also noch eine Weile erhalten bleiben. Ihre Erfüllung zählt zu jenen Aufgaben, die den Offizinen auferlegt wurde, ohne dass sie dafür eine Vergütung erhalten würden, die sie für den zeitlichen und personellen Aufwand entschädigt. Auch die Pharmaindustrie zählt zu den Gegnern dieser Vorschrift: Erst Anfang der Woche forderte der Bundesverband der Arzneimittelhersteller (BAH) in seiner Stellungnahme zum Entwurf eines GKV-Finanzstabilisierungsgesetzes deren Abschaffung. „Die Förderung von Re- und Parallelimporten steht den Bestrebungen in Deutschland und Europa für mehr Sicherheit und Solidarität in der Versorgung entschieden entgegen“, betont der Verband.


Christina Müller, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (cm)
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

Kassenterror

von Friedemann Ahlmeyer am 17.07.2022 um 13:43 Uhr

Die Klausel ist unwichtig, weil die Ärzte Angst haben, dass sie bei Budgetüberschreitungen Honorarkürzungen seitens der Kassen hinnehmen müssen. Also wird möglichst preisgünstig ein Import verordnet. Egal ob lieferbar oder nicht. Damit besteht ein Preisanker für die Apotheken, der diese wiederum zwingt, ihn nicht zu überschreiten. Ist bei uns wieder mit mehrfachem Arbeitsaufwand verbunden, und stets regiert die Angst vor Vollabsetzung durch die Kassen. Wenn die Kassen von Wirtschaftlichkeit sprechen, bedeutet das de facto: Die Kasse spart, die Apotheke hat höhere Kosten. Oftmals höher als die Ersparnis der Kasse. Vergessen wird dabei, dass die Apotheke nur ein rudimentäres Interesse an höhepreisiger Abgabe hat, weil wir nur mit 3% daran partizipieren. Es ist dieser Kassenterror und der für die Apothele damit verbundene Aufwand, der die Apotheke Nerven, Zeit und Geld kostet. Wenn von Effizienzreserven gesprochen wird - hier u.a. liegen sie. Bei uns werden die Rezepte mittlerweile 3 x kontrolliert. Alleine 20000 Euro an Lohnkosten für Rezeptkontrolle, einfach Irrsinn. Es wäre sehr zu begrüßen, wenn Bürokratieabbau wirklich einmal angegangen würde. Die Leistungsbringer werden entlastet, und die Personalkosten bei den Kassen könnten auch deutlich sinken.

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