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Lauterbach will mit seinem Spargesetz das Apothekenhonorar um mindestens 170 Mio. Euro kürzen, zahlreiche Apotheken werden zu Tode gespart. Zur gleichen Zeit haut er wohl ohne Not rund 400 Mio. Euro für neue Arztpraxis-Hardware raus. Und produziert damit jede Menge Elektronikschrott. In welcher Welt leben wir eigentlich? Wir hoffen auf den Bundestag und auf kundige Parlamentarier, die ihm das Apothekensterben zeigen. Und wir schauen mit Zuversicht auf den kommenden Apothekertag, der viel Sinnvolles anstoßen könnte: weg mit der sinnlosen Präqualifizierung, Schluss mit Nullretaxationen und frische Ideen für einen besseren Nacht- und Notdienst.
25. Juli 2022
Die „Operation Edelschrott“ ist zurzeit bei Ärztevertretern das Thema. Und vollkommen zurecht. Was sich da anbahnt, ist hanebüchen. Im Klartext geht es um einen von der Gematik beschlossenen Austausch von insgesamt 130.000 TI-Konnektoren, mit denen die Praxiscomputer der deutschen Ärzteschaft auf sicherem Weg an die Telematik-Infrastruktur angeschlossen sind. Der Austausch sei notwendig und „alternativlos“, meinen Bundesgesundheitsministerium und Gematik, weil die Sicherheitszertifikate ablaufen. Würde man diesen Austausch nicht vornehmen, seien die Konnektoren nicht mehr sicher – und ja, mein liebes Tagebuch, wer kann das schon wollen, dass Praxen mit unsicheren Datenzugängen arbeiten. Kostenpunkt des Hardwaretausches für die Krankenkassen: schlappe 400 Mio. Euro. Eben mal so wird da millionenteurer Elektronikschrott produziert. Unser Redaktionskollege vom „Aktuellen Wirtschaftsdienst – AWA“, Dr. Hubert Ortner, hat sich das mal genauer angesehen. Seine kommentierende Analyse bringt so einiges zutage. Er verweist auf die Spezialisten der ‚Computerzeitschrift „c’t“, die sich die Konnektoren genauer angeschaut haben. Ihr Ergebnis: Ein Austausch dieser Konnektoren sei gar nicht notwendig, es würde ausreichen, bei vielen dieser Geräte die sogenannte gSMC-K-Karte auszutauschen, was nur einen Bruchteil eines neuen Konnektors kosten würde. Und bei Konnektoren anderer Bauart könnte sogar das Zertifikat per Software verlängert werden ohne Austausch der Hardware. Mein liebes Tagebuch, unfassbar, oder? Warum vertraut die Gematik den Aussagen der Konnektoren-Hersteller, die natürlich für neue Hardware sind? Warum schauen da das Bundesgesundheitsministerium und das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik nicht genauer hin und übernehmen einfach so die Vorschläge der Hardware-Hersteller und -vertreiber? Immerhin geht es da um den stolzen Betrag von 400 Mio. Euro, den die gesetzlichen Krankenkassen für diese Konnektoren locker machen sollen und das in Zeiten des GKV-Finanzstabilisierungsgesetzes von Lauterbach, der Effizienzreserven heben will, unter anderem bei Apotheken: Deren Honorar will er um 170 Mio. Euro kürzen. Mein liebes Tagebuch, hier werden einige Apotheken zu Tode gespart, dort wird eine Verschwendungsorgie größten Ausmaßes gefeiert – in welchem Land leben wir eigentlich?
Die unsägliche Aktion (unter der Gürtellinie!) der Hessischen Ärztefunktionäre, mit der sie gegen die pharmazeutischen Dienstleistungen von uns Apothekers Sturm laufen, hat auch bei unserem pharmazeutischen Nachwuchs nur Kopfschütteln ausgelöst: Das Gebaren mancher Ärzteverbände sei „schockierend“. Der Bundesverband der Pharmaziestudierenden in Deutschland (BPhD) nennt in seiner Kolumne dieses ärztliche Funktionärsverhalten „einfach nur traurig“. Der Verband fragt sich, wo auf dem Weg zwischen Universität und Berufsleben der Respekt und die Hochachtung vor dem Gegenüber verloren gegangen sei. Mein liebes Tagebuch, wie wahr! Eine leise Ahnung, wo dieser Respekt auf der Strecke geblieben ist, können wir uns, die wir schon einige Jahre in der Offizin sind, natürlich vorstellen: Es muss wohl auf dem Weg zwischen Gierdorf und Bankkontohausen gewesen sein. Interessant wäre es zu erfahren, wie junge angehende Medizinerinnen und Mediziner über pharmazeutische Dienstleistungen und ein Miteinander von Arzt- und Apothekerberuf denken. Wäre schön, wenn sie das Fazit der Pharmaziestudierenden unterschreiben könnten: „Durch die Zusammenarbeit zwischen Ärzt*innen und Apotheker*innen entsteht ein ungeheurer Zusatznutzen für Patient*innen, wenn einmal common sense geworden ist, dass sich pharmazeutische Dienstleistungen für alle Beteiligten lohnen.“ Vielleicht schließen sich der Bundesverband der Pharmaziestudierenden und die Bundesvertretung der Medizinstudierenden in Deutschland mal kurz, verurteilen gemeinsam die Anti-Dienstleistungskampagne der hessischen Ärztefunktionäre und verabschieden gemeinsam einen Aufruf für ein besseres Miteinander der beiden Heilberufe. Ein Traum?
7 Kommentare
2 € Rabatt
von Gerhard Zibulak am 01.08.2022 um 14:35 Uhr
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Prozentualer Aufschlag
von Dr.Diefenbach am 31.07.2022 um 13:30 Uhr
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Bitte; erst nachdenken, dann fordern
von Dr. Radman am 31.07.2022 um 13:28 Uhr
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P.Ditzels jüngstes Tagebuchvom 31.7.22
von Wolfgang Steffan am 31.07.2022 um 9:26 Uhr
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Frische Ideen für den Notdienst
von Karl Friedrich Müller am 31.07.2022 um 8:50 Uhr
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Wir sind nicht wahrnehmbar…
von Ulrich Ströh am 31.07.2022 um 8:40 Uhr
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AW: Wir sind nict wahrnehmbar…
von gabriela aures am 31.07.2022 um 9:09 Uhr
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