Die Verbandsvertreter:innen eint die Befürchtung, dass es negative Folgen für Patient:innen haben wird, wenn parallel zur Legalisierung von Cannabis als Genussmittel nicht auch die Versorgung mit medizinischem Cannabis besonders geschützt und reformiert wird. „Bürger:innen brauchen einen verlässlichen Zugang zu medizinischem Cannabis in pharmazeutischer Qualität und dürfen für die Behandlung medizinischer Symptome nicht in die Eigentherapie mit Produkten des Genussmittelmarktes oder aus eigenem Anbau gedrängt werden“, heißt es in den offenen Briefen. Die aktuellen politischen Bestrebungen sollten daher aus ihrer Sicht genutzt werden, „die nach wie vor bestehenden Hürden im Bereich Medizinalcannabis abzubauen, sodass fünf Jahre nach Einführung des ‚Cannabis als Medizin‘-Gesetzes die Versorgung von Patient:innen nachhaltig verbessert werden kann“.
Zwar dürfen Ärzte und Ärztinnen Cannabisarzneimittel seit März 2017 verschreiben – dennoch liegt die Versorgung aus Sicht der Verbände im Argen. „Derzeit werden noch immer fast 40 Prozent aller Anträge auf Kostenübernahme durch die Krankenkassen abgelehnt, was zu einer hohen Quote von Privatzahler:innen in unseren Apotheken führte“, sagt VCA-Geschäftsführerin und Apothekerin Christiane Neubaur. Doch das Cannabis aus der Apotheke kann sich nicht jede:r leisten. Und so beklagen die Verbände, dass die jetzige Situation zu sozialen Schieflagen führe. Zudem würden viele Patient:innen, die Cannabis aus medizinischen Gründen benötigen, in die Illegalität gedrängt oder sogar strafrechtlich verfolgt.
Genehmigungsvorbehalt abschaffen
Franjo Grotenhermen, stellvertretender Vorsitzender der ACM, erklärt: „Die anhaltende Kriminalisierung vieler unbescholtener Bürger:innen, die sich mit Cannabis selbst therapieren müssen, ist einem modernen und reichen Land wie Deutschland unwürdig. Auch bei der Behandlung mit Cannabis-Medikamenten muss die Therapiehoheit da liegen, wo sie hingehört, bei den behandelnden Ärzt:innen.“ Gero Kohlhaas vom Patientenverband Selbsthilfenetzwerk Cannabis-Medizin (SCM) betont: „Zu wenige Ärzt:innen verschreiben diese hochwirksame Therapie aufgrund der bürokratischen Hürden. Der Genehmigungsvorbehalt muss abgeschafft werden, um Patient:innen unabhängig von ihren finanziellen Möglichkeiten Zugang zu einer notwendigen Therapie zu gewährleisten. Gleichzeitig müssen verschreibende Ärzt:innen vor einem Regress geschützt werden.“
Bedarf an Medizinalcannabis vorrangig decken
Der Bedarf von Cannabis als Genussmittel wird dem Verbändepapier zufolge konservativ auf etwa 400 Tonnen pro Jahr geschätzt. Maximilian Schmitt, Vorsitzender des Vorstands des Bundesverbands pharmazeutischer Cannabinoidunternehmen (BPC), fordert deshalb: „Der legale Markt darf auf keinen Fall die Versorgung mit Produkten für den medizinischen Bereich gefährden. Um die therapeutischen Bedürfnisse von Patient:innen sicherzustellen, sollte deshalb der Bedarf an Medizinalcannabis vorrangig gedeckt werden.“
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