Pflicht zur Arbeitszeiterfassung

Was bedeutet das „Stechuhr-Urteil“ für die Apotheken?

14.09.2022, 13:45 Uhr

Zeiterfassung muss sein, allerdings muss sie nicht elektronisch erfolgen. (Foto: Olivier Le Moal/AdobeStock)

Zeiterfassung muss sein, allerdings muss sie nicht elektronisch erfolgen. (Foto: Olivier Le Moal/AdobeStock)


Laut einem Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom gestrigen Dienstag besteht in Deutschland eine Pflicht zur Arbeitszeiterfassung. Begründet wird dies mit der Auslegung des deutschen Arbeitsschutzgesetzes nach dem sogenannten Stechuhr-Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 2019. Müssen nun alle Apotheken eine Stechuhr einführen?

Laut einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) aus dem Jahr 2019 müssen Betriebe die Arbeitszeit ihrer Angestellten komplett erfassen – egal, ob diese im Büro, im Außendienst oder von zu Hause aus arbeiten. Über die Umsetzung wird in der Ampel-Regierung, in der Wirtschaft und unter Arbeitsrechtlern derzeit noch heftig diskutiert. Nun ist das Bundesarbeitsgericht aber vorgeprescht. Es hat am gestrigen Dienstag geurteilt, dass in Deutschland eine Pflicht zur Arbeitszeiterfassung besteht (Az.: 1 ABR 22/21). Die Präsidentin des höchsten deutschen Arbeitsgerichts, Inken Gallner, begründete die Pflicht von Arbeitgebern zur systematischen Erfassung der Arbeitszeiten ihrer Beschäftigten mit der Auslegung des deutschen Arbeitsschutzgesetzes nach dem sogenannten Stechuhr-Urteil des EuGH. 

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Eigentlich ging es in dem Fall vor dem Bundesarbeitsgericht darum, ob ein Betriebsrat auf Einführung und Anwendung einer elektronischen Zeiterfassung bestehen kann. Der Betriebsrat hatte hier ein Initiativrecht gefordert. Das lehnte das Bundesarbeitsgericht zwar ab, allerdings nur, weil es in § 3 Abs. 2 Nr. 1 Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) eben schon eine entsprechende gesetzliche Verpflichtung gebe. „Der Arbeitgeber ist nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG verpflichtet, ein System einzuführen, mit dem die von den Arbeitnehmern geleistete Arbeitszeit erfasst werden kann. Aufgrund dieser gesetzlichen Pflicht kann der Betriebsrat die Einführung eines Systems der (elektronischen) Arbeitszeiterfassung im Betrieb nicht mithilfe der Einigungsstelle erzwingen. Ein entsprechendes Mitbestimmungsrecht nach § 87 BetrVG besteht nur, wenn und soweit die betriebliche Angelegenheit nicht schon gesetzlich geregelt ist“, heißt es in einer Mitteilung des Gerichts.

Muss die Zeiterfassung elektronisch erfolgen?

Was bedeutet das nun für die Apotheken? Arbeitgeber sollten sich darüber in Klaren sein, dass nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung besteht, kommentiert der Stuttgarter Arbeitsrechtler Marcel Seifert das Urteil auf Anwalt.de. Da in den Apotheken mobiles Arbeiten und Vertrauensarbeitszeit nicht die Regel sind und zumeist irgendeine Form der Erfassung stattfindet, dürfte diese Pflicht zunächst erfüllt sein. Weder der EuGH noch das Bundesarbeitsgericht machen Angaben dazu, wie die Arbeitszeiterfassung zu erfolgen hat. Es gibt also keine Vorschrift, die Arbeitszeit elektronisch zu erfassen. Allerdings hieß es schon im EuGH-Urteil von 2019, dass Arbeitgeber verpflichtet werden müssen, eine objektive, verlässliche sowie zugängliche Erfassung der Arbeitszeit einzuführen, um die von den Angestellten geleistete tägliche Arbeitszeit zu messen. Wenn ein Stundenzettel oder eine Excel-Tabelle dies gewährleistet, sind diese Lösungen zumindest nach aktuellem Stand ausreichend.

Wer allerdings die Arbeitszeit der Mitarbeiter:innen nicht genau erfasst, muss schleunigst nachbessern:. Laut Pressemitteilung des Gerichts heißt das: „Der Arbeitgeber ist nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG verpflichtet, ein System einzuführen, mit dem die von den Arbeitnehmern geleistete Arbeitszeit erfasst werden kann.“ Die Pflicht gilt also ab sofort.


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1 Kommentar

Was nützt eine Excel Tabelle....

von Lila am 18.09.2022 um 10:46 Uhr

...wenn da einfach was eingetragen werden kann, ohne Kontrolle, das mit der eigentlichen Arbeitszeit übereinstimmt. In den letzten 38 Jahren meiner beruflichen Tätigkeit in verschiedenen öffentlichen Apotheken, war es immer völlig klar, dass man mindestens 10 min vor Dienstantritt da war und schon mal die Vorbereitung zum Öffnen der Apotheke getroffen hat. Genauso wie es nach Dienstende normal war und ist, dass noch Kasse gemacht wird usw.
Wenn man das Glück hat, einen netten Chef zu haben, der auch andersherum nicht so genau auf die Zeit schaut, mag es sich noch ausgehen. Meine Erfahrungen sind da anders. Zum Teil wird es mit der übertariflichn Bezahlung begründet, z.T. ist es sogar in Arbeitsverträgen schriftlich festgehalten; da sollte man mit spitzen Bleistift nachrechnen.. Es mag sich kleinlich anhören, aber ich bin für genaue elektronische Zeiterfassung, denn nur dann ist es wirklich für beide Seiten fair.

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