BPhD-Kolumne

Apotheker müssen Patienten über Homöopathie aufklären

26.09.2022, 07:00 Uhr

Julian Held ist Beauftragter für Gesundheitspolitik beim Bundesverband der Pharmaziestudierenden in Deutschland. (Foto: BPhD)

Julian Held ist Beauftragter für Gesundheitspolitik beim Bundesverband der Pharmaziestudierenden in Deutschland. (Foto: BPhD)


Die Homöopathie ist nicht erst seit gestern ein umstrittenes Thema. So sieht Julian Held, der beim Bundesverband der Pharmaziestudierenden (BPhD) für Gesundheitspolitik zuständig ist, die Heilberufler:innen in der Pflicht, Patienten darüber aufzuklären, dass Homöopathie nur Kopfsache sei. Bei der Antragsdiskussion zu dieser Therapierichtung auf dem Deutschen Apothekertag hat es der Berufsstand nach Helds Meinung versäumt, ein Zeichen für Wissenschaftlichkeit und evidenzbasierte Pharmakotherapie zu setzen. 

Von Hippokrates über Paracelsus bis hin zu Hahnemann – das sogenannte Ähnlichkeitsprinzip findet sich auch bei den ganz Großen der medizinischen und pharmazeutischen Geschichte. Der Ansatz, eine Krankheit mit einem potenzierten Präparat zu therapieren, welches im gesunden Körper eine ähnliche Wirkung auslösen soll wie die Krankheit selbst, kommt rational einem Kampf gegen Windmühlen gleich. Dennoch fasziniert er die Menschen bis heute – ob sie sich der Wirkungsweise der Homöopathie nun bewusst sind oder auch nicht.

Die Debatte um die Wissenschaftlichkeit und die Wirksamkeit der Homöopathie wurden mit dem Einzug der modernen Medizin im 20. Jahrhundert wieder verschärft. Es lodert das Feuer eines immerwährenden Streits zwischen Anhänger:innen und Kritiker:innen. Doch auch Hahnemann schlug sich bereits Ende des 18. Jahrhunderts mit der von ihm benannten „alten Medizin“ herum. Interessanterweise geriet der Homöopathie-Begründer schon zu seiner Zeit mit den Ärzten über den Vorstoß dieser Therapieform aneinander. Aber nicht nur mit diesen, sondern auch mit jenen, die seine Ideen aufgriffen, abzuwandeln und neu zu denken suchten.

Von Wirksamkeit und Unbedenklichkeit 

Homöopathische Präparate sind von der Apotheke kaum zu trennen. Und nebenbei: Warum sollte man das auch wollen? Schließlich machen Homöopathika gut eine halbe Milliarde Euro des jährlichen Umsatzes in Apotheken aus. Zudem: die GKV-Ausgaben belaufen sich diesbezüglich auf unter 1 Prozent, also warum denn jetzt so einen Hehl darum machen?

Das Problem liegt darin begründet, dass es keinerlei Evidenz für die Wirksamkeit von Homöopathika über den Placeboeffekt hinaus gibt. Das ist zunächst einmal in Ordnung, denn auch der Placeboeffekt kann nachgewiesenermaßen therapeutisch wirksam sein. Apotheker:innen müssen sich dessen bewusst sein und sollten Patient:innen immer darüber informieren, dass Homöopathie lediglich Kopfsache ist.

Heikel wird es, wenn Apotheker:innen, respektive Ärzt:innen Homöopathika mit einem Heilsversprechen abgeben beziehungsweise verordnen. Konkrete Indikationen findet man nur auf Präparaten, die eine erfolgreiche Wirksamkeitsstudie durchlaufen haben, ansonsten greift § 10 Abs. 4 Arzneimittelgesetz. Für die bloße Registrierung ist ein Wirksamkeitsnachweis nicht erforderlich, da bei hohen Potenzen kaum Wirkstoff im Präparat vorhanden ist. Vice versa ist es daher wenig verwunderlich, dass Präparate geringer Potenz mit nennenswerten Anteilen von pflanzlichen Inhaltsstoffen auch eine biologische Wirkung im Körper haben. Bemerkenswerterweise konterkariert Hahnemanns These der stark wirksamen Hochpotenzen diese Feststellung.

Zu Risiken und Nebenwirkungen

Für Homöopathika gelten also andere Maßstäbe als für evidenzbasierte Arzneimittel und für fachkundige Personen muss das auch offensichtlich sein. Ob für Patient:innen auf der Hand liegt, dass Homöopathika eine Sonderstellung in der Arzneimitteltherapie einnehmen, muss aber noch einmal durchdacht werden: In der Wahrnehmung der Patient:innen kümmert sich eine Apotheke um die Gesundheit der Bevölkerung – so übrigens auch nach § 1 BApO vorgeschrieben. Innerhalb des Bildes der Gesundheitsversorgung in der Apotheke erhält die Homöopathie mit ihrer exklusiven Abgabe durch Gesundheitspersonal eine Legitimation, die ihrem Wesen nicht gerecht wird. Die Art und Weise, wie Homöopathie funktioniert, nämlich durch Potenzierung und Energieeintrag in die Arzneiform, hat nichts mit moderner Arzneimitteltherapie zu tun, mit der sich die Apotheke identifizieren sollte.

In dieser Deutlichkeit sollte dies auch Patient:innen gegenüber vermittelt werden. Die Prämisse, ein Homöopathikum könne man an Patient:innen abgeben, da ein rationales Arzneimittel für einen bestimmten Fall einer leichten Erkrankung nicht notwendig sei, verfehlt den Kern unserer Berufskompetenz.

Mal anders gedacht: Ist es wirklich notwendig, dass wir unserem Körper suggerieren, er bräuchte bei jeder noch so kleinen Beschwerde ein Arzneimittel, das unsere Gesundheit erhält? Dem ist nicht so. Alternative? Lebensstilinterventionen! Kompetente Beratung und Aufklärung! Erkennen, wann tatsächlich ein evidenzbasiertes Arzneimittel Anwendung finden und Arzt oder Ärztin konsultiert werden sollten!

Das muss der Konsens für Apotheker:innen sein, um das wissenschaftliche Fundament der Pharmakotherapie zu stärken und auszubauen.

Von Gesundheit, Politik und Zukunft

Wohin also mit den Globuli, den Dilutionen und Triturationen? Auf dem diesjährigen Deutschen Apothekertag (DAT) in München lagen zwei Anträge vor, die sich mit der Zukunft der Homöopathie in der Pharmazie beschäftigten. Einer davon verfolgte das Bestreben, es dem vergangenen 126. Deutschen Ärztetag gleichzutun und die Zusatzbezeichnung „Homöopathie“ aus der Musterweiterbildungsordnung zu streichen.

Verblüffenderweise herrschte auf dem DAT keine Klarheit, ob der Abwandlung der Bezeichnung auch inhaltliche Anpassungen folgen würden. Die Delegierten scheuten sich um die Debatte zu den Anträgen und übergingen sie kurzerhand. Der DAT 2022 hat es damit versäumt, sich klar zu diesem Thema zu positionieren und ein Zeichen für Wissenschaftlichkeit und evidenzbasiertes Handeln zu lancieren.

Mit Verlaub: Wenn kritische Themen auf der Hauptversammlung der ABDA keinen Platz finden, sollte die Diskussionskultur noch einmal überdacht werden. Streitgespräche und argumentativer Schlagabtausch müssen einem guten Kompromiss vorausgehen, gerade auf der größten standespolitischen Bühne der Apotheker:innen.

Abschließend zur Klarstellung: Worum es hierbei explizit nicht geht, ist, die Homöopathie nach den Standards moderner Naturwissenschaft zu verteufeln und zu verbieten. Das liefere ausschließlich einen Nährboden für einen erneuten Teufelskreis. Es geht darum, ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass die Homöopathie an anderen Maßstäben gemessen werden muss als die evidenzbasierte Medizin, die wir stets anstreben sollten. Homöopathie sollte seitens der Patient:innen nicht mit Pharmakotherapie assoziiert werden. Es ist in unserer Verantwortung als Heilberufler:innen, Aufklärung zu schaffen!


Julian Held, BPhD-Beauftragter für Gesundheitspolitik
redaktion@daz.online


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3 Kommentare

Homöopathie

von Dorf-apothekerin am 26.09.2022 um 14:52 Uhr

Es ist doch interessant, dass die Homöopathie immer wieder das Sommerloch stopfen muss.
Das Engagement des Herrn Held für Wissenschaftlichkeit in Ehren. Seine Argumente sind seiner Jugend und seiner fehlenden Praxis zuzuschreiben. Wenn ein Patient in die Apotheke kommt, möchte er von mir keinen Vortrag über Theorien. Er braucht Hilfe! Und unsere Zeit ist mit allem möglichen Sinnigen und Unsinnigen überbordet, sodass man zum Punkt kommen muß. Wenn Herr Held glaubt, dass Homöopathie nur Kopfsache ist, hat er seine Hausaufgaben in Naturwissenschaften schon auf dem Gymnasium nicht gemacht. Ich könnte ganze Abende füllen von den erlebten Wirkungen, die nichts mit einer Kopfsache zu tun haben. Das Optimum liegt in einr Kombination von Evidenz basierter Medizin und einr Erfahrungsmedizin, die darauf basiert, dass der Mensch weder Prototyp noch Roboter ist, den man mit einer Werkzuegkiste an Leitlinien wieder auf die Reihe bringt, sondern dass jeder Mensch ein individuelles, faszinierendes Geschöpf ist, dem eine genauso individuelle Behandlung seiner Beschwerden zusteht.
Beide! Therapierichtungen haben ihre Grenzen. Die sogenannte Wissenschaft verliert ihren Glanz dadurch, dass sie kaum noch unabhängig ist. Sie ist nicht das allein Seelig- machende.
Dass es solche nutzlosen Anträge überhaupt soweit nach vorne schaffen, ist der Tatsache geschuldet, dass diejenigen, die sich mit Homöopathie auskennen Ihre wertvolle Zeit nicht mit Nutzlosigkeit kaputt machen. Ich halte es allerdings für notwendig Kommentare abzugeben, um der Gegenseite ihre Selbstherrlichkeit ein bißchen einzutrüben.

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Zweck

von Reinhard Rodiger am 26.09.2022 um 13:52 Uhr

Der Zweck der Homöopathie war, weniger Schaden anzurichten als damals übliche Behandlungsformen.Heute
sind Gesundheitsstörungen dazu gekommen, deren Behebung
notwendig, aber ohne wissenschaftliche Klärung ist.
Manch eine Evidenz liegt so nahe bei Placebo, dass die Frage auftaucht, ob der Nutzen den möglichen Schaden überwiegt.
Da stockt der Diskurs.Die Frage ist, ob alles ausgeblendet werden kann, was noch keine Evidenz hat.Das geht nicht.
Also muss man sich konstruktiv damit auseinandersetzen.Da hilft der Rückzug auf die Naturwissenschaft nicht..

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Diskussionskultur

von Dr. Ralf Schabik am 26.09.2022 um 8:23 Uhr

Ja, auch ich vermisse seit Jahren bei vielen Anträgen einen konstruktiven argumentativen Schlagabtausch auf dem DAT. Allerdings müssen wir uns fragen, wie lange ein DAT dauern darf, wie viele Anträge in welcher Zeit behandelt werden können und vor allem, welche Themen relevant sind. Gerade der letzte Punkt ist schwer zu objektivieren.
Der Verweis in einen Ausschuss kann ein Mittel sein, einen Antrag in kleinerem Rahmen von "Spezialisten" konstruktiv zu debattieren.
Von der Arbeitsgruppe "Nachhaltigkeit" erwarte ich mir hier zB sehr viel Vorarbeit - beginnend schon damit, die vielen inhaltlichen Fehler in den diesbezüglichen Anträgen auszubügeln und für die eigentlichen (teilweise sehr guten) Grundideen Vorschläge zu erarbeiten.
Auch die beiden Anträge zur Homöopathie bedürfen noch Veränderungen, die in einem großen Gremium nur schwer zu erarbeiten sind.
"Berufskompetenz" alleine auf "Evidenz" zurückzuführen, verkennt komplett die Realität des Alltags.
Arbeit in der Offizin muss auf solider Fachkompetenz aufbauen, aber mit "Wissenschaft" alleine kann nur ein kleiner Teil der tagtäglichen Herausforderungen gelöst werden. Sonst dürften wir keinerlei OFF-Label-.Use praktizieren, aber selbst anerkannte "schulmedizinische" Therapien lassen oft Evidenz vermissen.
Die Forderungen, die im letzten Teil des Artikels zu lesen sind, halte ich für berechtigt - und genau deshalb benötigen wir für interessierte Kolleginnen und Kollegen eine Weiterbildungsmöglichkeit für "Phytopharmazie und Integrative Therapien". Dies (einschließlich Anforderungen an ein Curriculum) in Worte zu fassen, kann eine Hauptversammlung nicht leisten.

Übrigens: Fatal finde ich den Antrag "Übergang zum nächsten TOP" - diese Möglichkeit würde ich aus der Geschäftsordnung verbannen. Wenn mir ein Antrag nicht zusagt, kann ich ihn ablehnen. Ihn aber einfach so "abzuschießen", ist eines konstruktiven Gedankenaustausches unwürdig.

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