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Anhörung zum Antrag der AfD
Notfall-Botendienste fallen durch
Botendienst auf ärztliche Verordnung und bis zu 7,50 Euro Honorar für die Apotheken – die AfD-Fraktion im Bundestag will die gesetzlichen Vorgaben für die vergütete Arznei-Lieferung reformieren. Anhänger finden sich jedoch kaum: Die Apotheken fürchten enormen Extra-Aufwand, die Kassenärzte wollen lieber das Dispensierrecht und die GKV bevorzugt eine generelle Lockerung der gesetzlichen Vorgaben für Apotheken, um etwa Abgabeautomaten möglich zu machen.
Für den Vorstoß der AfD-Fraktion im Bundestag, Die Apotheken mit 7,50 Euro je Botendienst zu vergüten und sie dafür im Gegenzug zu verpflichten, auf ärztliche Verordnung hin Notfall-Lieferungen anzubieten, kann sich offenbar niemand so richtig erwärmen. Am heutigen Mittwoch fand im Gesundheitsausschuss des Bundestags eine Anhörung zu einem entsprechenden Antrag der Fraktion statt – die Stellungnahmen der Verbände und der Sachverständigen lagen bereits vorab vor.
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„Botendienste der Apotheken bieten den Kranken einen schnelleren Zugriff auf wichtige Arzneimittel als der Versandhandel“, schreibt die AfD einleitend in ihrem Antrag, über den die DAZ bereits Anfang Juli berichtet hat. Um die Versorgung der Menschen insbesondere auf dem Land zu sichern, dringt sie daher darauf, den Botendienst der Apotheken besser zu vergüten als bisher, wenn dabei vergleichsweise weite Strecken zurückgelegt werden müssen und ein Arzt die Lieferung für medizinisch geboten hält.
Die AfD schlägt für solche Fälle ein gestaffeltes Honorar vor. Konkret heißt es in dem Antrag:
II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung dazu auf,
1. deshalb einen Gesetzentwurf vorzulegen, mit dem eine Verordnungsfähigkeit für Notfallbotendienste in der ambulanten Versorgung geschaffen wird;
2. dafür eine Pauschalhonorierung für jede Anlieferung erfolgt, die nicht mit anderen Honoraren, Handelspannen o. ä. verrechnet wird. Die Honorierung beträgt für eine Lieferung innerhalb eines Radius um die Apotheke von
a. bis zu zwei Kilometern 2,50 Euro zuzüglich Umsatzsteuer;
b. mehr als zwei Kilometern bis zu fünf Kilometern 3,50 Euro zuzüglich Umsatzsteuer;
c. mehr als fünf Kilometern bis zu zehn Kilometern 5,00 Euro zuzüglich Umsatzsteuer;
d. mehr als zehn Kilometern bis zu 25 Kilometern 7,50 Euro zuzüglich Umsatzsteuer.“
Die ABDA hat eine klare Haltung zu diesem Vorschlag: „Die vorgelegten Überlegungen für einen honorierten ärztlich verordneten Notfallbotendienst sind nach unserer Auffassung nicht geeignet, den Botendienst zu stärken und die Arzneimittelversorgung der Bevölkerung zu verbessern“, schreibt sie in ihrer Stellungnahme. Der Antrag stelle zwar zutreffend auf den wirtschaftlichen Druck ab, den Versandanbieter auf die Präsenzversorgung durch öffentliche Apotheken insbesondere in kleinstädtischen und ländlichen Regionen ausüben. „Diese unbestreitbar vorhandene Schieflage kann aber durch einen honorierten Botendienst nicht nachhaltig ausgeglichen werden. Dies gilt insbesondere für sogenannte Notfallbotendienste außerhalb der regulären Öffnungszeiten der Apotheken, da die dann notwendige Akutbelieferung zu diesen Zeiten durch den Versandhandel ohnehin nicht geleistet werden kann wird.“
Zum einen sieht die Bundesvereinigung keinen ausreichenden Bedarf für ärztlich verordnete Arzneimittellieferungen, zum anderen hält sie es für die Apotheken für unzumutbar, dieses Angebot vorzuhalten. „Insbesondere – aber nicht nur – während der Zeiten des Nacht- und Notdienstes müssten die Betriebserlaubnisinhaber personelle Vorkehrungen treffen, um etwaige Botendienstverschreibungen beliefern zu können.“ Selbst könne die Apothekerin oder der Apotheker die Lieferung nicht ausfahren, denn die Approbierten hätten die Anwesenheitspflicht nach § 23 Abs. 3 ApBetrO zu beachten.
ABDA: Vergütung würde zusätzliche Belastungen nicht mal ansatzweise ausgleichen
In der Praxis würde dies dazu führen, dass die Apothekeninhaber:innen zusätzliches Personal vorhalten müssten, um etwaige Botendienstpflichten erfüllen zu können. „Die hierbei anfallenden Vorhaltekosten sind erheblich und können durch die im Antrag vorgesehene Vergütung nicht mal ansatzweise ausgeglichen werden. Die Folge der durch den Antrag vorgeschlagenen Regelung wäre insofern eine zusätzliche Belastung für die öffentlichen Präsenzapotheken, die der von den Antragstellern behaupteten Zielsetzung gerade entgegenliefen.“
Apothekerin Daniela Hänel, die als Einzelsachverständige geladen war, stieß in dasselbe Horn: „Ein per Gesetz festgelegter, ärztlich zu verordnender Botendienst führt dazu, dass immer ein Bote in der Apotheke vorgehalten werden muss“, betont auch sie. Das sei in der aktuellen Situation weder wirtschaftlich noch personell machbar. Sie plädiert dafür, die Verantwortlichkeit für den Botendienst wie gehabt in den Händen der Apothekerinnen und Apotheker zu belassen und von einer gesetzlichen Regelung, wie von der AfD angeregt, Abstand zu nehmen.
KBV: Dispensierrecht statt Botendienst
Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) lehnt den Vorstoß ebenso ab, nutzt aber die Gelegenheit, um erneut für das ärztliche Dispensierrecht zu werben. „Oftmals befindet sich die diensthabende Apotheke in deutlicher Entfernung zur Notfallpraxis oder – bei vom Bereitschaftsarzt aufgesuchten Patienten – von der Wohnung der häufig auch immobilen Patienten“, schreibt die KBV. Ein auf die Notfallversorgung und die Abgabemöglichkeit von akut benötigten Arzneimitteln beschränktes Dispensierrecht für Ärztinnen und Ärzte würde aus Sicht der Bundesvereinigung ein wichtiges Instrument zur Verbesserung der Patientenversorgung darstellen. „Der Patient könnte sofort das benötigte Arzneimittel erhalten und müsste nicht erst eine ggf. weit entfernte oder schwer erreichbare Notdienstapotheke aufsuchen oder mit dieser wegen einer Belieferung Kontakt aufnehmen und diese dann abwarten.“
Die Forderung ist zwar ein alter Hut – ein Argument überrascht dann aber doch: „Auch würden zusätzliche Erschwernisse – z. B. wenn die Apotheke das verordnete Arzneimittel nicht vorrätig hat – entfallen“, glaubt die KBV. Dass die Notdienstpraxen gegebenenfalls besser bevorratet wären als die Apotheken, die ihre vergleichsweise großen Warenlager vor dem Notdienst noch extra bestücken, um alle Patientinnen und Patienten angemessen versorgen zu können, erscheint schwer vorstellbar.
GKV befürwortet stärkere Kontrolle der Apotheken
Einzig der GKV-Spitzenverband kann der Idee, Botendienste ärztlich zu verordnen, etwas abgewinnen. Denn nach den aktuellen gesetzlichen Vorgaben „können Apotheken faktisch selbst entscheiden, in welchen Fällen Botendienste erbracht werden. Dies ermöglicht es, diese Dienste auch als Serviceleistungen, u. a. zur Kundengewinnung und -bindung, zu nutzen und sie durch die Solidargemeinschaft finanzieren zu lassen.“
Dieses „Problem“ könnte nach Ansicht der Kassen tatsächlich gelöst werden, wenn an die Stelle der bisherigen Botendienste ein Notfallbotendienst treten würde, der „nur dann vergütet werden würde, wenn objektive Kriterien für diesen Notdienst bereits vor einer Einlösung des Rezepts festgelegt werden würden, und eine solche Entscheidung nicht in der Hand der Apotheke läge“. Dafür sei jedoch eine genaue Definition der Fälle nötig, in denen ein solcher Botendienst durch die Solidargemeinschaft vergütet werden kann.
Kassen wollen klare Kriterien für Botendienst-Verordnungen
„Sofern Botendienste dann wirksam auf die wirklich notwendigen Notfälle beschränkt würden, wäre es dann auch denkbar, den Aufwand für einen Botendienst bei größeren Entfernungen zwischen zu versorgender Person und Apothekenstandort höher zu vergüten“, schreibt der GKV-Spitzenverband weiter. Gleichwohl müsse sichergestellt werden, dass – auch im Interesse einer schnellen und wirtschaftlichen Versorgung der Patientinnen und Patienten – jeweils die dienstbereite Apotheke ausgewählt wird, die ihren Sitz am nächsten zum Wohnort der Patientinnen und Patienten hat. „Andernfalls könnten neue Geschäftsmodelle spezialisierter ‚Botenapotheken‘ o. ä. entstehen, die nicht gewünscht sind.“
Im Grunde ist das für die Kassen jedoch nur Plan B. In erster Linie machen sie sich für Lockerungen bei den gesetzlichen Vorgaben für Apotheken stark. „Zur Verbesserung der Versorgung der Patientinnen und Patienten wäre es vielmehr zielführend, neue Versorgungsangebote zu ermöglichen, die eine bedarfsgerechte Arzneimittelversorgung auch in weniger stark besiedelten Regionen ermöglichen“, heißt es in der Stellungnahme. „Dies ließe sich durch eine Flexibilisierung der Vorgaben und Anforderungen an Apotheken erreichen, um so abweichende Öffnungszeiten, Abgabeautomaten oder telepharmazeutische Angebote zu ermöglichen.“
Barmer bringt Analysepapier zum Botendienst ein
Übrigens: Die Barmer nutzt die Gunst der Stunde und wirft ihr kürzlich veröffentlichtes Analysepapier zum Botendienst in den Ring. Inhaltliche Fehler, etwa die Aussage, der Gesetzgeber habe abseits der Kontaktvermeidung in der Pandemie kein weiteres Ziel für die Botendienst-Regelung benannt, hat die Kasse in der Zwischenzeit nicht korrigiert.
1 Kommentar
Kassen-Diktat, Nachfragemonopol und Geschäftsideen
von Thomas B am 02.12.2022 um 9:24 Uhr
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