Wirkstoff-Lexikon

Pirfenidon

01.12.2022, 07:00 Uhr

Strukturformel Pirfenidon (x / Quelle: DAZ)

Strukturformel Pirfenidon (x / Quelle: DAZ)


Pirfenidon ist ein Immunsuppressivum, das als erster Wirkstoff gezielt zur Behandlung von leichter bis mittelschwerer idiopathischer Lungenfibrose (IPF) zugelassen wurde. Lange Zeit gab es keine medikamentöse Therapie, mit der sich das Fortschreiten der Krankheit verzögern ließ – bis 2011 der Wirkstoff Pirfenidon die Zulassung als Orphan Drug erhielt. Im Folgenden sind die wichtigsten Aspekte zusammengefasst – zum Nachlesen oder Anhören in unserem Podcast. 

Die Lungenfibrose ist eine seltene, sehr aggressive und häufig schnell fortschreitende Erkrankung. Dabei wird zusätzliches Bindegewebe in das Lungengewebe eingelagert. Diese sogenannte Fibrosierung führt zu einer Störung des Gasaustausches in der Lunge und langfristig zu einem Verlust der Elastizität der Lunge, weshalb die Patient:innen nur noch unter erhöhter Anstrengung atmen können. Eine Lungenfibrose kann meist nicht geheilt werden, sondern es gilt, das Fortschreiten zu verzögern.


Die Ursachen der Lungenfibrose können sehr vielfältig sein. Bei bekannter Ursache zielt die Therapie in erster Linie auf die Behandlung der Ursachen ab. Ein geringer Teil der Patient:innen leidet jedoch an einer Lungenfibrose mit unbekannter Ursache – die sogenannte idiopathische Lungenfibrose (IPF). Sie zählt zu den „Orphan Diseases“. Lange Zeit gab es dafür keine spezifische medikamentöse Therapie. Mittlerweile gibt es zwei relativ neue Medikamente, die speziell für die Behandlung von IPF zugelassen sind – dazu zählt neben dem Tyrosinkinase-Inhibitor Nintedanib das Orphan Drug Pirfenidon.

Wirkmechanismus

Pirfenidon zählt zu den Immunsuppressiva und weist sowohl antiinflammatorische als auch antifibrotische Effekte auf. Der Wirkmechanismus von Pirfenidon ist allerdings noch nicht vollständig geklärt. Man geht von einer Hemmung der Synthese von TGF-β aus. Bei TGF-β (transforming growth factor beta) handelt es sich um einen Wachstumsfaktor, der zusammen mit weiteren Wachstumsfaktoren für die Aktivierung der Fibroblasten sorgt. Bei idiopathischer Lungenfibrose resultiert die übermäßige Aktivierung von TGF-β in einer Proliferation der Fibroblasten und somit in der Neubildung von Bindegewebsfasern in der Lunge. 

Wirkmechanismus Pirfenidon (Quelle: DAZ)

Zusätzlich soll Pirfenidon die Synthese weiterer Zytokine blockieren, was ebenfalls einen antiinflammatorischen und antifibrotischen Effekt ausübt.

Pharmakokinetik

Die absolute Bioverfügbarkeit von Pirfenidon bei Menschen wurde nicht bestimmt. Pirfenidon bindet an Plasmaproteine und wird nur geringfügig ins Gewebe verteilt. Pirfenidon wird zu etwa 70 bis 80 Prozent durch CYP1A2 und zu einem geringen Anteil auch durch die Enzyme CYP2C9, CYP2C19, CYP2D6 und CYP2E1 metabolisiert. Innerhalb von 24 Stunden nach der Gabe wird Pirfenidon zu ca. 80 Prozent renal eliminiert.

Nebenwirkungen

Zu den häufigsten Nebenwirkungen bei der Therapie mit Pirfenidon zählen gastriointestinale Beschwerden wie Übelkeit, Durchfall, Dyspepsie und verminderter Appetit. Aber auch Kopfschmerzen und Ermüdung können bei der Therapie mit Pirfenidon auftreten.

Darüber hinaus kann es unter der Einnahme von Pirfenidon auch zu Photosensibilitätsreaktionen kommen. Patient:innen müssen diesbezüglich im Vorfeld aufgeklärt werden, damit entsprechende Schutzmaßnahmen ergriffen werden können. Dazu zählen das Meiden beziehungsweise das Minimieren von direktem Aufenthalt im Sonnenlicht und die tägliche Verwendung von Sonnenschutzmitteln. Beim Auftreten von Hautausschlag sollte umgehende ein Hautarzt oder eine Hautärztin hinzugezogen werden.

Zu den möglichen Nebenwirkungen zählen auch Leberschäden. Ein im Jahr 2020 erschienener Rote-Hand-Brief gibt ein wichtiges Sicherheitsupdate und neue Empfehlungen zur Prävention der arzneimittelinduzierten Leberschäden unter Anwendung von Pirfenidon: Es gilt vor der Behandlung mit Pirfenidon Leberfunktionstests durchzuführen, die in den ersten sechs Monaten der Therapie einmal monatlich und im Anschluss alle drei Monate durchgeführt werden. Patient:innen sollten dafür sensibilisiert werden, beim Auftreten von Symptomen, die auf einen Leberschaden hinweisen, umgehend einen Arzt oder eine Ärztin aufzusuchen. Diese möglichen Leberschäden können dazu führen, dass ein vorübergehendes oder dauerhaftes Absetzen von Pirfenidon erforderlich ist.

Wechselwirkungen

Pirfenidon wird überwiegend (70 bis 80 Prozent) durch CYP1A2 metabolisiert. Dies erklärt mögliche Wechselwirkungen mit Arzneistoffen, die ebenfalls über CYP1A2 verstoffwechselt werden. Die gleichzeitige Einnahme von Inhibitoren von CYP1A2, wie Fluvoxamin oder Ciprofloxacin, kann zu einer erhöhten Konzentration von Pirfenidon führen. Auch Grapefruitsaft kann zu einer Hemmung von CYP1A2 führen, weshalb auf den Konsum von Grapefruitprodukten während der Behandlung verzichtet werden sollte.

Da CYP2C9, CYP2C19 und CYP2D6 Pirfenidon metabolisieren, müssen auch hier mögliche Interaktionen mit Inhibitoren dieser Enzyme berücksichtigt werden.

CYP1A2-Induktoren hingegen verursachen eine Verringerung des Plasmaspiegels von Pirfenidon. Hierzu zählen etwa Omeprazol und Rifampicin. Eine gleichzeitige Einnahme sollte daher vermieden werden. Auch das Rauchen führt zu einer Induktion von CYP1A2 und muss daher vor und während der Behandlung eingestellt werden.

Da die Metabolisierung auch über CYP2C9, CYP2C19 und CYP2D6 erfolgt, muss auch hier auf mögliche Interaktionen Rücksicht genommen werden.

Kontraindikationen

Die Anwendung von Pirfenidon darf nicht bei Überempfindlichkeit gegen diesen Wirkstoff erfolgen. Eine weitere Gegenanzeige richtet sich an die oben beschriebene gleichzeitige Anwendung mit dem CYP1A2-Inhibitor Fluvoxamin.

Darüber hinaus gelten auch schwere Funktionsstörungen der Leber oder der Niere als Kontraindikationen bei der Therapie mit Pirfenidon.

Dosierung

Pirfenidon wird oral angewendet. Die empfohlene tägliche Dosis beträgt für Erwachsene dreimal täglich 801 mg Pirfenidon. Zu Beginn der Therapie muss die empfohlene Dosis in einem Zeitraum von 14 Tagen stufenweise eingestellt werden:

  • Tag 1 bis 7: 267 mg, dreimal täglich
  • Tag 8 bis 14: 534 mg, dreimal täglich
  • Ab Tag 15: 801 mg, dreimal täglich

Erhältlich sind daher Filmtabletten in den Stärken 267 mg, 534 mg und 801 mg.

Es wird empfohlen, Pirfenidon zusammen mit der Nahrung einzunehmen, um mögliche Nebenwirkungen wie das Auftreten von Übelkeit und Schwindel zu verringern.

Bei persistierenden gastrointestinalen Nebenwirkungen kann es notwendig sein, die Dosis kurzfristig zu reduzieren und anschließend wieder bis zur empfohlenen Tagesdosis zu steigern, um die Verträglichkeit zu verbessern.

Schwangerschaft und Stillzeit

Zur Anwendung von Pirfenidon in der Schwangerschaft liegen keine Studien vor. Tierexperimentelle Studien haben jedoch gezeigt, dass Pirfenidon plazentagängig ist und sich im Fruchtwasser anreichert. Zudem wurde bei Ratten eine verlängerte Tragzeit und eine verminderte Lebensfähigkeit der Föten bei Pirfenidon-Gabe beobachtet. Die Anwendung von Pirfenidon sollte daher in der Schwangerschaft nicht erfolgen.

Tierexperimentelle Studien haben darüber hinaus ergeben, dass Pirfenidon in die Muttermilch übergeht und dort akkumulieren kann. Ein Risiko für den Säugling kann daher nicht ausgeschlossen werden. Bei Anwendung von Pirfenidon in der Stillzeit muss daher die Entscheidung getroffen werden, ob das Stillen oder die Behandlung mit Pirfenidon zu unterbrechen ist.


Annika Piepenburg, Apothekerin
redaktion@daz.online


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