Wettbewerbszentrale will höchstrichterliche Klärung

Dürfen Desinfektionsmittel als „hautfreundlich“ beworben werden?

Berlin - 07.12.2022, 15:15 Uhr

Desinfektionsmittel: Dürfen sie als hautfreundlich beworben werden? (x / Foto: IMAGO / Ralph Peters)

Desinfektionsmittel: Dürfen sie als hautfreundlich beworben werden? (x / Foto: IMAGO / Ralph Peters)


In der Hochzeit der Corona-Pandemie waren Desinfektionsmittel heißbegehrt und die Werbung hierfür allgegenwärtig. Aber wie darf für Produkte geworben werden, die unter die Biozidverordnung fallen? Dürfen sie als „sanft zur Haut“ oder „hautfreundlich“ angepriesen werden? Die Wettbewerbszentrale will dies jetzt vom Bundesgerichtshof klären lassen – nachdem das Oberlandesgericht Mannheim bereits zwei Urteile gefällt hat, die die Werbung für zulässig befunden haben.

Desinfektionsmittel waren gerade zu Beginn der Pandemie ein regelrechtes Trendprodukt. Wer sie anbot und dafür warb, ließ gelegentlich unter den Tisch fallen, dass die Werbung für Desinfektionsmittel den Regularien der Biozidverordnung unterliegt. Diese EU-Verordnung verbietet insbesondere eine irreführende Werbung – und gibt auch einige ausdrücklich unzulässige Beschreibungen des Produkts vor. 

Auszug aus Artikel 72 BiozidV

Werbung

(…)

(3) In der Werbung für Biozidprodukte darf das Produkt nicht in einer Art und Weise dargestellt werden, die hinsichtlich der Risiken des Produkts für die Gesundheit von Mensch oder Tier oder für die Umwelt oder seiner Wirksamkeit irreführend ist. Die Werbung für ein Biozidprodukt darf auf keinen Fall die Angaben „Biozidprodukt mit niedrigem Risikopotenzial“, „ungiftig“, „unschädlich“, „natürlich“, „umweltfreundlich“, „tierfreundlich“ oder ähnliche Hinweise enthalten.

Mit diesen Anforderungen soll der Tatsache Rechnung getragen werden, dass es sich bei Bioziden um Produkte handelt, die Schädlinge abtöten, damit aber auch negative Auswirkungen auf Mensch und Umwelt haben können. Die Produkte sollen daher in der Werbung nicht verharmlost werden.

Die große Frage für die Wettbewerbszentrale ist allerdings: Was ist unter „ähnlichen“ Hinweisen zu verstehen? 

Mehr zum Thema

Das Landgericht Karlsruhe entschied bereits im Jahr 2021 auf die Klage der Wettbewerbszentrale, dass die Bewerbung eines Desinfektionsmittels mit den Hinweisen „Bio“, „ökologisch“ oder „hautfreundlich“ irreführend sei – und zwar sowohl im Sinne des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb als auch der Biozidverordnung (Urteil vom 25. März 2021, Az. 14 O 61/20 KfH). 

In zweiter Instanz urteilte hingegen das Oberlandesgericht Karlsruhe, dass jedenfalls der Begriff „hautfreundlich“ kein „ähnlicher“ und damit unzulässiger Begriff im Sinne des Art. 72 Abs. 3 Satz 2 BiozidV sei. Die Angabe „Bio“ oder die Bezeichnung als „ökologisches Universal-Breitband-Desinfektionsmittel“ hielt das Oberlandesgericht aber mit Blick auf die Ähnlichkeit mit den generell verbotenen Aussagen wie „umweltfreundlich“ oder „natürlich“ für unzulässig und damit auch wettbewerbswidrig. (Urteil vom 8. Juni 2022, Az. 6 U 95/21).

„Hautfreundlichkeit“ ist keine pauschal verharmlosende Aussage

Nun hat das Oberlandesgericht Karlsruhe erneut in zweiter Instanz in einem Verfahren der Wettbewerbszentrale entschieden. Hier wollte die Wettbewerbszentrale klären lassen, ob die Aussagen „sanft zur Haut“, „hautfreundliche Produktlösung“ oder „Hautverträglichkeit“ in der Werbung für einen Desinfektionsschaum zulässig sind. Sie machte auch hier geltend, die Aussagen seien gleichbedeutend mit den nach Art. 72 Abs. 3 BiozidV genannten verbotenen Aussagen wie „ungiftig“ oder „unschädlich“. Jedenfalls werde das niedrige Risikopotenzial herausgestellt. 

Wie schon die Vorinstanz, das Landgericht Mannheim (Urteil vom 20. Oktober 2021, Az. 14 O 107/21), sah das Oberlandesgericht die Sache anders: Die Aussagen seien den per se durch die Verordnung verbotenen nicht ähnlich; sie relativierten das Risikopotenzial des Produkts oder seiner Wirkungen und deren Schädigungseignung nicht pauschal. Vielmehr beschrieben die Aussagen – wenn auch insoweit sehr allgemein – die Produktwirkung auf ein spezifisches Organ, nämlich die Haut des Menschen. Das sei zulässig (Urteil vom 9. November 2022, Az. 6 U 322/21).

Das letzte Wort hat der Bundesgerichtshof

Das letzte Wort ist in beiden Verfahren noch nicht gesprochen – Revision beim Bundesgerichtshof ist bereits eingelegt beziehungsweise geplant. Die Wettbewerbszentrale will mit einer höchstrichterlichen Rechtsprechung für Klarheit sorgen. 


Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


Diesen Artikel teilen:


0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.