Ministerin Köpping besucht Phoenix

„Jetzt ist die Situation richtig toxisch“

Leipzig - 21.02.2023, 12:30 Uhr

Köpping (rechts) beim Besuch des Großhändlers Phoenix in Leipzig. (b/Foto: Anja Köhler)

Köpping (rechts) beim Besuch des Großhändlers Phoenix in Leipzig. (b/Foto: Anja Köhler)


Was tun gegen Lieferengpässe? Um sich ein Bild von der Lage zu machen, hat Sachsens Gesundheitsministerin Köpping das Unternehmen Phoenix besucht. Ihr Mantra: Ausnahmen schaffen und miteinander im Gespräch bleiben. 

Sachsens Gesundheitsministerin Petra Köpping (SPD) hat dem pharmazeutischen Großhandel angesichts der Lieferengpässe weitere Unterstützung zugesagt. Zum einen solle ein Monitoring aufgebaut werden, um regionale Engpässe frühzeitig zu identifizieren. Zum anderen wolle der Freistaat das Arzneimittelrecht „im Rahmen unserer Möglichkeiten großzügig auslegen“, etwa bei den Vorschriften zu Lager- und Transportbedingungen. „Solange die Qualität der Arzneimittel nicht gefährdet wird, hat der Großhandel Spielraum beispielsweise in Bezug auf die Festlegung der Temperaturen in seinem Arzneimittellager. Auch dies unterstützt den Großhandel und spart Energiekosten“, sagte Köpping. 

Der Pharmagroßhandel sei für die Arzneimittelversorgung von enormer Bedeutung. „Er ist das Herz des Versorgungssystems und muss unterstützt werden“, betonte die Ministerin beim Besuch der Leipziger Niederlassung des Arzneimittelgroßhandels Phoenix Pharmahandel. In dem Vertriebszentrum beschäftigt Phoenix mehr als 100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Es versorgt rund 540 Apotheken in Sachsen, Sachsen-Anhalt, Brandenburg und Thüringen.

Aktuell mehr als 400 Lieferengpässe

Laut Sächsischem Sozialministerium (SMS) gibt es derzeit bundesweit bei mehr als 400 Arzneimitteln gemeldete Lieferengpässe. „Um die Auswirkungen für die Patientinnen und Patienten so gering wie möglich zu halten, sind auf Landesebene sinnvolle und schnell wirkende Maßnahmen erfolgt“, so Köpping. Demnach seien mit den Apothekerverbänden Vereinbarungen getroffen worden, geltendes Bundesrecht darf in Sachsen „unbürokratisch“ angewendet werden. Heißt: Apotheken dürfen einander kurzfristig und ohne gesonderte Erlaubnis aushelfen, auch wenn sie nicht zum selben Filialverbund gehören. Zudem dürfen sie auch größere Mengen eines Arzneimittels erlaubnisfrei herstellen und ohne Zulassung in den Verkehr bringen, wenn ein ansonsten industriell gefertigtes Medikament nicht verfügbar ist. Und: Apotheken dürfen aus dem Ausland importierte Arzneimittel unbürokratisch abgeben.

Laut SMS hat die Staatsregierung im vergangenen Jahr zusammen mit der Landesapothekerkammer dafür gesorgt, „dass Sachsen heute bundesweit die größte Flexibilität bei Dienstbereitschaft und Öffnungszeiten von Apotheken aufweist. Auch dies trägt zu einer Verbesserung der Arzneimittelversorgung der Bevölkerung in Sachsen bei“, so Köpping, die in Leipzig auch an anderer Stelle einen „Werbeblock“ für den Freistaat schaltete. „In unseren Behörden sitzen Fachleute, weswegen die Genehmigungsverfahren schnell vonstattengehen.“ Neuansiedlungen von Pharmafirmen stünde demnach nichts im Weg, „auch wenn das keine kurzfristigen Lösungen sind“. Allerdings habe die Pandemie gezeigt, wie anfällig die Globalisierung sei. Es sei daher wichtig, „dass sich Europa stabilisiert“ und die „Billigmentalität“ hinterfragt werde.

Köpping begrüßt Lieferengpass-Gesetzentwurf

Köpping begrüßte bei ihrem Besuch in Leipzig die ersten Maßnahmen des Bundesgesundheitsministeriums, etwa die Lockerung der Preisbeschränkungen bei Kinderarzneimitteln. „Lieferengpässe müssen bekämpft werden. Der Großhandel muss auch künftig seinen Aufgaben nachkommen können. Hier ist in erster Linie der Bund gefragt - dazu zählt auch die Unterstützung mit Blick auf die enormen Energiekostensteigerungen.“ Die Kommunikation mit dem BMG habe sich in letzter Zeit verbessert. „Jeder, der mich kennt, weiß, dass ich die Handynummer von Herrn Lauterbach habe und ihm SMS schreibe, wenn es Not tut“, scherzte Köpping. Generell sei es ihr ein wichtiges Anliegen, miteinander im Gespräch zu bleiben und zu schauen, „was wir als Landesregierung tun können“.

Phoenix-Geschäftsleiter Berschet: Liefersituation tut weh

Indes berichtete Karl-Heinz Berschet, Geschäftsleiter Operations bei Phoenix, „dass uns die Liefersituation seit einem halben Jahr richtig weh tut. Wir müssen schauen, dass wir in eine bessere Versorgung reinkommen.“ Begonnen hätten die Probleme bereits im Jahr 2018, als es in Texas zu Überschwemmungen gekommen war. Damals sei die Lage punktuell kritisch gewesen, „jetzt ist die Situation richtig toxisch, weil auch Krebsmedikamente betroffen sind“. 

Vor diesem Hintergrund stellte Berschet die Frage in den Raum, „was die Krankenkassen nicht verstehen“, wenn immer noch über Rabattverträge diskutiert werde. Die Vorstöße Sachsens seien hingegen begrüßenswert, besser wäre jedoch, es gebe bundesweit solche Regelungen. „Wir brauchen hier mehr Pragmatismus.“ Und: „Wir müssen es schaffen, einen Vorrat anzulegen. Ein Bestand für drei Monate wäre gut, um künftige Lieferengpässe besser abfedern zu können.“ Das Thema Bevorratung steht für Berschet noch vor der Vergütungsdiskussion. „Wenn wir keine Medikamente haben, die wir ausliefern können, brauchen wir auch nicht über das Geld reden.“

Freitag: Können nur ausliefern, was wir von der Industrie erhalten

Unterdessen erklärte Marcus Freitag, Vorsitzender der Geschäftsleitung Phoenix Pharmahandel sowie stellvertretender Vorsitzender des Bundesverbandes des pharmazeutischen Großhandels (PHAGRO): „Wir können nur ausliefern, was wir von der pharmazeutischen Industrie erhalten. Politische Maßnahmen zur Stabilisierung der Lieferketten sind hierfür unerlässlich.“ Die Politik müsse praktikable gesetzliche Leitplanken schaffen, damit pharmazeutische Industrie, Pharmagroßhändler und Apotheken in gemeinsamer Verantwortung die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung sicherstellen können. Bürokratiemonster wie das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz belasteten die ohnehin schon angespannte Versorgungslage zusätzlich.


Anja Köhler, Freie Journalistin
redaktion@daz.online


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