Neonatales Mikrobiom

Stillen bei Kaiserschnitt-Kindern besonders wichtig

Stuttgart - 10.03.2023, 12:15 Uhr

Das Mikrobiom der Milch und der Haut der Mutter sorgt bei der Erstbesiedlung von operativ entbundenen Babys für die bakterielle Vielfalt. (Foto: nataliaderiabina/AdobeStock)

Das Mikrobiom der Milch und der Haut der Mutter sorgt bei der Erstbesiedlung von operativ entbundenen Babys für die bakterielle Vielfalt. (Foto: nataliaderiabina/AdobeStock)


Säuglinge, die per Kaiserschnitt das Licht der Welt erblicken, haben ein höheres Risiko an Asthma oder Autoimmunkrankheiten zu erkranken als Personen, die auf natürliche Weise geboren wurden. Ein anderes Mikrobiom zu Lebensbeginn könnte hierfür der Grund sein. Ein Forscherteam der ETH Zürich hat sich die mikrobielle Erstbesiedlung von vaginal geborenen und Kaiserschnitt-Kindern genauer angeschaut. 

Eltern, deren Kind mittels Kaiserschnitt geboren wurde, fragen sich oft, was sie tun können, um die damit möglicherweise verbundenen Risiken zu reduzieren: Adipositas oder Autoimmunerkrankungen kommen bei vaginal geborenen Kindern seltener vor. Ein verändertes Mikrobiom wird oft als Grund genannt. Beim vaginal seeding wird direkt nach der Geburt ein Tuch mit Vaginalsekret über Mund und Nase des Säuglings gerieben, um Vaginalbakterien zu etablieren. Ein wissenschaftlicher Nachweis, ob diese Methode langfristig die Erkrankungswahrscheinlichkeit reduziert, fehlt bisher. Dass das vaginal seeding möglicherweise nicht nötig ist, um ein diverses Mikrobiom beim Säugling herzustellen, zeigt eine Schweizer Studie.

Hohe Plastizität der Mikrobiom-Übertragung

120 Mutter-Kind-Paare wurden untersucht, um die Übertragung der bakteriellen Besiedlung von Müttern auf ihre Kinder zu untersuchen. Der Mutter wurden kurz vor und bis zu einem Monat nach der Geburt Abstriche aus dem Mund-Rachen-Raum, dem Speichel, der Muttermilch, der Haut, dem Vaginalsekret und aus dem Stuhl entnommen. Bei den Neugeborenen wurden Proben aus dem Nasen-Rachenraum, dem Speichel, der Haut und dem Stuhl gewonnen. Durch Sequenzierung der DNA der Bakterien konnte das Forschungsteam feststellen, welche Mikroorganismen der Kinder aus welchen Körperregionen der Mütter stammen.

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Im Durchschnitt stammten 58,5 % der Mikrobenzusammensetzung der Säuglinge von ihren Müttern, unabhängig davon, ob die Geburt vaginal oder durch Kaiserschnitt stattfand. Kinder, die auf natürliche Wiese entbunden wurden, wurden hauptsächlich mit Vaginal- und Darmbakterien der Mutter besiedelt. Bei Kindern, die über Kaiserschnitt geboren sind, fand die Erstbesiedlung hauptsächlich mit Bakterien aus der Muttermilch und von der Haut statt. Bisher ging man davon aus, dass Kaiserschnitt-Kinder ein Defizit an Mikroorganismen aufweisen, da sie nicht mit dem Vaginalmikrobiom in Berührung kommen. 
Die Studie zeigte nun, dass Stillen und Hautkontakt zur mikrobiellen Besiedlung des Kindes beitragen. Frauen, deren Kind mittels Kaiserschnitt zur Welt kam, sollten zum Stillen und Kuscheln mit ihrem Neugeborenen ermuntert werden. Dies könne zu einem diversen, komplexen bakteriellen Ökosystem beim Kind führen, was sich schützend auswirken könne, meint Professor Christoph Härtel, der Direktor der Kinderklinik und Poliklinik am Uniklinikum Würzburg. Kaiserschnitt-Kinder könnten über „Hilfspfade“ (mütterliche Haut, Muttermilch) ein gesundes Mikrobiom erhalten. Jetzt wäre es interessant zu untersuchen, ob die Kinder, die viele Kuschel- und Stilleinheiten hatten, dann später unter anderem auch weniger Asthma entwickeln, so Härtel.


Juliane Russ, Volontärin DAZ
redaktion@daz.online


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