Regierungsentwurf gegen Lieferengpässe

ALBVVG: Pharmaindustrie kocht

Stuttgart - 05.04.2023, 16:45 Uhr

Arzneimittelhersteller sehen mit dem Regierungsentwurf die Gefahr von Engpässen nicht gebannt. (Foto: DAZ/Schelbert)

Arzneimittelhersteller sehen mit dem Regierungsentwurf die Gefahr von Engpässen nicht gebannt. (Foto: DAZ/Schelbert)


Die Aufregung ist groß: Karl Lauterbach (SPD) hatte den Kabinettsentwurf für das Arzneimittel-Lieferengpassbekämpfungs- und Versorgungsverbesserungsgesetz (ALBVVG) kaum vorgestellt, da brach auch schon die Kritik der Pharmaindustrie über den Bundesgesundheitsminister herein. Die Forderungen der Arzneimittelhersteller seien nicht berücksichtigt worden – insbesondere mit Blick auf Diversifizierung der Lieferketten und Möglichkeiten zu kostengünstigerer Produktion.

Brandbeschleuniger, an den Problemursachen vorbei, halbherzig und kompliziert: Mit drastischen Worten haben die Pharmaverbände am heutigen Mittwoch ihrem Unmut über den eben erst veröffentlichten Kabinettsentwurf zum Lieferengpassgesetz Luft gemacht. Der Entwurf für das Arzneimittel-Lieferengpassbekämpfungs- und Versorgungsverbesserungsgesetz (ALBVVG) benenne zwar korrekt die Probleme, zeuge aber „erneut von Inkonsequenz“, heißt es in einer Stellungnahme des Bundesverbands der Pharmazeutischen Industrie (BPI). Von den geplanten Maßnahmen würden die Patientinnen und Patienten nicht profitieren.

„Das ALBVVG ist der politische Versuch, die Symptome eines kaputt gesparten Systems zu behandeln, ohne jedoch an der ursächlichen Wurzel von Fehlanreizen in der gesamten Grundversorgung anzusetzen“, sagte BPI-Hauptgeschäftsführer Kai Joachimsen. Da sich das Gesetz nur auf 1 bis 2 Prozent der Arzneimittel beziehe, gleichzeitig aber Rabattverträge, Preisobergrenzen und weitere Herstellerabschläge fortbestünden, sei der Effekt gering. Als „Brandbeschleuniger“ hingegen wirken laut Joachimsen Bevorratungs- und Meldepflichten. „Sie führen zu noch mehr Kosten – verursachen Bürokratie und binden Ressourcen.“ Der BPI-Hauptgeschäftsführer betont, dass der „Kostendruck“ bei den heimischen Herstellern sinken müsse.

Kabinettsentwurf ein Rückschritt

Auch Pro Generika kritisiert, dass das Gesetz sich nur auf Kinderarzneimittel und Antibiotika beziehe: „Bei allen anderen Medikamenten bleiben die Problemursachen bestehen und die Versorgungslage, wie sie ist: wenig stabil und teilweise sogar prekär“, erklärt Bork Bretthauer, Geschäftsführer des Branchenverbands. Im Gegensatz zum Referentenentwurf sei der Kabinettsentwurf sogar ein Rückschritt, da Maßnahmen zur Versorgung mit Krebsmitteln fehlten.

Die Engpässe seien darauf zurückzuführen, dass immer weniger Hersteller Generika kostendeckend produzieren können. Das Gesetz setze in dieser Richtung allerdings keine Anreize. Der Verband fordert daher eine Diversifizierung der Lieferketten, die Möglichkeit für Hersteller, höhere Preise erzielen zu können und ein „Frühwarnsystem für Problemursachen“.

Inflationsausgleich unzureichend

Der Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller (BAH) bemängelt, dass der Gesetzentwurf die „grundlegenden Probleme unberücksichtigt“ lasse. Hauptgeschäftsführer Hubertus Cranz erklärt, es handle sich vielmehr „um halbherzige, komplizierte Maßnahmen allenfalls zu Teilaspekten“. Kritisiert wird ebenfalls, dass es keine Aussagen zur geforderten „Diversifizierung in den Lieferketten aller Arzneimittel“ und „einer umfassenden Verringerung von Abhängigkeiten“ gibt. Wie schon der BPI fürchtet der BAH zusätzliche Belastungen durch erhöhte Anforderungen bei der Bevorratung. „Besonders enttäuschend ist, dass der dringend notwendige Inflationsausgleich für preisregulierte Arzneimittel nur unzureichend vorkommt“, ergänzt Cranz.


Matthias Köhler, DAZ-Redakteur
redaktion@daz.online


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