Welt-Alzheimer-Tag am 21. September

Was gibt es Neues aus der Demenzforschung?

Stuttgart - 21.09.2023, 07:00 Uhr

Morbus Alzheimer tritt meist altersbedingt auf und ist die häufigste Form der Demenz. (Foto: Orawan/AdobeStock)

Morbus Alzheimer tritt meist altersbedingt auf und ist die häufigste Form der Demenz. (Foto: Orawan/AdobeStock)


Alljährlich erinnert der Welt-Alzheimer-Tag die Öffentlichkeit am 21. September an das Thema Alzheimer und andere Demenzerkrankungen. Die Therapieoptionen sind nach wie vor sehr begrenzt. Welche Neuigkeiten gibt es dazu aus der Forschung?

Weltweit lebten 2019 nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation WHO etwa 55 Millionen Menschen mit einer Demenzerkrankung. In Deutschland sind es Ende 2021 etwa 1,8 Millionen Menschen gewesen. Aufgrund des demografischen Wandels schätzt man, dass bis 2050 die Zahl der Erkrankten über 65 Jahren auf etwa 2,8 Millionen steigen wird. Am häufigsten liegt ein Alzheimer als Ursache vor.

Das Risiko, an einer Demenz zu erkranken, steigt mit dem Alter. Außerdem sind Frauen häufiger betroffen als Männer. Bei der Erkrankung kommt es zum Abbau und Verlust der kognitiven Fähigkeiten, die sich auf die Aufmerksamkeit, das Lernen, das Gedächtnis, die Orientierung, aber auch die Sprache, Motorik und die sozialen Fähigkeiten auswirken. Ursächlich dafür sind vermutlich Beta-Amyloid-Ablagerungen sowie hyperphosphorylierte Tau-Proteine, die sich in den Nervenzellen ablagern und so deren Zelltod bewirken. 

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Die Wissenschaft hat sich in den letzten Jahren vor allem bemüht, in die Bildung des Beta-Amyloids einzugreifen. Impfstoffe wurden entwickelt, die Teile des Beta-Amyloids als Immunogen enthalten und so die Bildung von Antikörpern induzieren sollen, die sich gegen die Plaques richten. Die Ergebnisse der Phase-II-Studie des ein­zigen Kandidaten ABvac40, die 2022 beendet wurde, stehen noch aus. 

Die zweite Option, die passive Immunisierung mit monoklonalen Antikörpern, bietet den Vorteil, dass sich die Antikörper-Spiegel deutlich besser kontrollieren lassen als unter einer aktiven Immunisierung, die individuell sehr unterschiedlich ablaufen kann. 

Nach der umstrittenen Zulassung von Aducanumab (AduhelmTM) hat die amerikanische Zulassungsbehörde Anfang des Jahres den zweiten monoklonalen Antikörper Lecanemab (LeqembiTM) zur Behandlung von Demenz in den USA zugelassen. Ob Lecanemab auch in Europa durch die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) zugelassen wird, entscheidet sich in den nächsten Monaten. Die Chancen stehen aber gut. 

Und auch der Antikörper Donanemab verlangsamte in der Phase-III-Studie mit 1700 Probanden signifikant die klinische Verschlechterung von Patienten im Frühstadium um 35 %. Allerdings traten auch hier die für Anti-Amyloid-Antikörper typischen, aber seltenen Nebenwirkungen Hirnschwellungen und Blutungen auf (s. Beitrag „Ermutigende Ergebnisse bei Alzheimer“, DAZ 2023, Nr. 19, S. 28). Hersteller Eli Lilly hat bekannt gegeben, dass die Zulassung für Donanemab bei der US-Arzneimittelbehörde FDA beantragt wurde. Für Europa ist diesbezüglich nichts bekannt. 

Tau-Protein als Angriffspunkt

Aber auch auf Ebene der Tau-Fibrillen hat sich etwas getan. Bei der sogenannten Antisense-Therapie werden Oligonukleotide eingesetzt, die für Teile einer komplementären Sequenz der Tau-mRNA codieren. In der Zelle lagern sich die Antisense-Oligo­nukleotide mit der Ziel-mRNA zu­sammen, sodass diese nicht abgelesen und stattdessen abgebaut wird. 

In einer randomisierten, placebokontrollierten, doppelblinden Phase-I­-Studie mit 46 Patienten, die an einer milden Form von Alzheimer litten, konnte mithilfe des intra­thekal applizierten Antisense-Oligonukleotids MAPTRX 24 Wochen nach der letzten Gabe eine durchschnittlich mehr als 50%ige Reduktion der Gesamt-Tau-Konzentration im Liquor erreicht werden (s. Beitrag „Target Tau-Protein“, DAZ 2023, Nr. 26, S. 23).

Amisulprid soll in einer Phase-II-Studie untersucht werden

Und auch Amisulprid greift in die Pathophysiologie des Tau-Proteins ein. Das Team um Prof. Dr. Evgeni Ponimaskin von der Medizinischen Hochschule Hannover hat vor Kurzem vielversprechende Ergebnisse der Demenzbehandlung mit dem aus der Schizophrenie-Therapie bekannten Wirkstoff veröffentlicht. Das atypische Antipsychotikum wirkt nämlich nicht nur an den bei der Schizo­phrenie entscheidenden Dopamin-Rezeptoren, sondern hemmt auch die Überaktivität des Serotonin-Rezeptors 5-HT7. Infolge wird weniger krankhaftes Tau-Protein abgelagert. So konnte bei mit Amisulprid behandelten Mäusen ein deutlich reduzierter Gedächtnisverlust gesehen werden. Und auch in anderen Zellmodellen einschließlich gentechnisch modifizierten Humannervenzellen zeigte sich Amisulprid aussichtsreich. 

Im nächsten Schritt wollen die Wissenschaftler den Wirkstoff nun in einer Phase-II-Studie untersuchen. Prof. Dr. Ponimaskin meint: „Bereits abgestorbene Nervenzellen lassen sich zwar nicht wieder reparieren. Wir hoffen aber sehr, dass das Medikament im frühen Krankheitsstadium die Demenz stoppen oder sogar ganz verhindern könnte.“

Hilft eine Tanztherapie gegen Demenz?

Um Demenz-Betroffene auf allen Krankheitsebenen anzusprechen, empfiehlt die aktuelle NICE-Leitlinie gegen Demenz, auf verschiedene Behandlungsoptionen zurückzugreifen, einschließlich nicht-pharmakologischen. In einem aktuellen Cochrane-­Review untersuchten Karkou et al. vor Kurzem, ob sich eine Tanzbewegungstherapie positiv auf den Verlauf einer Demenzerkrankung auswirken kann. Nach Recherche in mehreren Datenbanken konnten die unabhängigen Autoren lediglich eine randomisierte kontrollierte Studie ausfindig machen. In dem dreiarmigen Parallelversuch hatten 204 Teilnehmer mit leichten neurokognitiven Störungen oder einer leichten Demenz teilgenommen. Die Teilnehmer, die mithilfe von ausge­bildeten Tanztherapeuten eine zwölfwöchige Tanztherapie erhalten hatten, wurden dabei mit Teilnehmern, die eine Bewegungstherapie erhalten hatten, sowie mit einer Warteliste-Kontrollgruppe verglichen. Es zeigte sich, dass innerhalb der drei Gruppen in Bezug auf die neuropsychologischen Symptome kaum oder kein Unterschied feststellbar war. Einen leicht positiven Effekt zeigte die Tanztherapie hingegen auf die Entwicklung von Depressionen, der auch drei und neun Monate nach der Intervention weiter anhielt. Die Autoren verweisen jedoch darauf, dass aufgrund der geringen Sicherheit der Evidenz weitere randomisierte Studien durchgeführt werden müssen.

Literatur

Aberle D. Target Tau-Protein. DtschApothZtg 2023;163(26):23

Daubitz T. Die tröpfelnde Pipeline. DtschApothZtg 2022;162(15):34

Daubitz T. Ermutigende Ergebnisse bei Alzheimer. DtschApothZtg 2023;163(19):28

Dementia: assessment, management and support for people living with dementia and their carers. NICE-Leitlinie, Stand: 20. Juni 2018

Die Alzheimer-Krankheit. Informationen der Deutschen Alzheimer Gesellschaft e. V., www.deutsche-alzheimer.de/demenz-wissen/die-alzheimer-krankheit

Die Häufigkeit von Demenzerkrankungen. Information der Deutschen Alzheimer Gesellschaft. e. V., August 2022, www.deutsche-alzheimer.de/fileadmin/Alz/pdf/factsheets/infoblatt1_haeufigkeit_demenzerkrankungen_dalzg.pdf

Karkou V et al. Is dance movement therapy an effective intervention for dementia? A review of the evidence. Cochrane Database Syst Rev 2023;8(8):CD011022, doi: 10.1002/14651858.CD011022.pub3

Marxen A. Ein Schizophrenie-Medikament gegen Alzheimer? Neuer Ansatz zur Bekämpfung von schädlichen Ablagerungen im Gehirn. Pressemitteilung der Alzheimer Forschung Initiative e.V., 5. September 2023, www.alzheimer-forschung.de/presse/pressemitteilungen/meldung/schizophrenie-medikament-gegen-alzheimer/

Neuer Alzheimer-Wirkstoff Donanemab: Der aktuelle Stand. Informationen der Alzheimer Forschung Initiative e.V.,18. Juli 2023, www.alzheimer-forschung.de/forschung/aktuell/donanemab/

Neues Alzheimer-Medikament Leqembi: Die wichtigsten Fragen und Antworten. Pressemitteilung der Alzheimer Forschung Initiative e. V., 7. September 2023, www.alzheimer-forschung.de/presse/pressemitteilungen/meldung/leqembi-die-wichtigsten-fragen-und-antworten/


Marina Buchheit-Gusmão, Apothekerin
redaktion@daz.online


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