Apothekenklima-Index 2023

Rekordfrust bei den Apothekern

Düsseldorf - 26.09.2023, 13:45 Uhr

ABDA-Präsidentin Overwiening, hier an der Seite von ABDA-Hauptgeschäftsführer Schmitz, stellte im Vorfeld des DAT die Ergebnisse des aktuellen Apothekenklima-Indexes vor. (Foto: ABDA)

ABDA-Präsidentin Overwiening, hier an der Seite von ABDA-Hauptgeschäftsführer Schmitz, stellte im Vorfeld des DAT die Ergebnisse des aktuellen Apothekenklima-Indexes vor. (Foto: ABDA)


Die Stimmung in der Apothekerschaft ist auf einem Tiefpunkt. Fast zwei Drittel der Inhaber:innen rechnen damit, dass sich ihre wirtschaftliche Lage in den nächsten zwei bis drei Jahren verschlechtern wird. Und obwohl sie eigentlich dringend Personal bräuchten, um den Herausforderungen, insbesondere durch die Lieferengpässe, gerecht zu werden, können sich viele dieses Personal gar nicht mehr leisten. Dies zeigt der aktuelle Apothekenklima-Index, eine Umfrage, deren Ergebnisse die ABDA vor dem Start des Deutschen Apothekertags vorgestellt hat.

Wie ist die Stimmung in der Apothekerschaft? Wie sind die Erwartungen der Apothekenleiter:innen für ihre Branche und für sie persönlich? Was ärgert und was motiviert sie? Und wie sieht es gerade jetzt aus, da die Ampel-Regierung in die Halbzeit gegangen ist? Antworten gibt der aktuelle Apothekenklima-Index. Seit 2016 lässt die ABDA hierfür Inhaberinnen und Inhabern von öffentlichen Apotheken befragen. Die diesjährigen Ergebnisse der im Juli und August unter rund 500 Personen durchgeführten Umfrage stellte ABDA-Präsidentin Gabriel Regina Overwiening am Dienstag in Düsseldorf vor – bevor am morgigen Mittwoch der Deutsche Apothekertag beginnt. 

Kostendruck schlägt sich auch auf Personalplanung nieder

Ein Dauerbrenner für Apotheken ist das Thema Personal – und schon hier gab es Antworten, die Overwiening nachdenklich stimmen. Auf die Frage, ob in den nächsten zwei bis drei Jahren Einstellungen von pharmazeutischem Personal geplant sind, sagten nämlich 60 Prozent der Befragten, dass sie dies tun. Das Bemerkenswerte daran ist: 2022 sagten das noch 71,2 Prozent – der Wert ist also stark zurückgegangen. Zudem: 14,2 Prozent der Inhaberinnen und Inhaber erklärten, dass in den nächsten zwei bis drei Jahren pharmazeutisches Personal entlassen werde – das wiederum ist ein neuer Höchstwert, 2022 sagten dies nur 5,4 Prozent. „Das Zusammenkommen von weniger geplanten Einstellungen und mehr geplanten Entlassungen ist aus meiner Sicht nicht anders zu interpretieren, als dass der betriebswirtschaftliche Kostendruck massiv gestiegen ist“, so Overwiening. Denn klar sei: Eigentlich brauchen die Apotheken mehr Personal – doch viele könnten sich dieses aufgrund des Kostendrucks nicht mehr leisten.

Kaum ernsthafte Hoffnung auf Nachfolger:innen

Pessimistische Höchstwerte gibt es auch bei der Erwartungshaltung mit Blick auf die Bewerber:innen: 40,4 Prozent der Befragten sagen, sie rechnen bei der Ausschreibung einer offenen Stelle für eine:n Approbierten mit keiner einzigen Bewerbung. Vor zwei Jahren im Jahr 2021 waren das nur 25,8 Prozent. Bei ausgeschriebenen PTA-Stellen rechnen 27,2 Prozent mit keiner Bewerbung (2021: 17,4 Prozent). Dass sich auch keine PKA bei ihnen bewerben würden, sagen 28,2 Prozent der Befragten (2021: 18,2 Prozent). Ganz besonders schmerzhaft ist für Overwiening, dass es auch bei der Suche nach einem Nachfolger nicht besser aussieht. Von den Inhaberinnen und Inhabern, die ihre Apotheke aus Alters- oder anderen Gründen in den nächsten zwei bis drei Jahren abgeben wollen, glaubt kaum noch jemand, dass sich wenigstens ein ernsthafter Nachfolger oder eine ernsthafte Nachfolgerin bei ihnen vorstellt: 27,8 Prozent gehen davon aus, dass sich überhaupt niemand meldet. Knapp ebenso viele rechnen mit eine:r Bewerber:in.

Was die Erwartungen zur wirtschaftlichen Entwicklung in den kommenden zwei bis drei Jahren betrifft, sieht das Bild ebenfalls düster aus. Erfahrungsgemäß sind dabei die Erwartungen für die Branche immer etwas schlechter als für die eigene Apotheke. Dennoch: Hier wie dort wuchs der Pessimismus. Für die Branche erwarten 30,8 Prozent der Befragten eine etwas schlechtere Entwicklung und 52,0 Prozent eine deutlich schlechtere Entwicklung – es sind also fast 83 Prozent, die keinen rechten Glauben haben, dass es besser wird. Auch beim Blick auf die eigene Apotheke ist der Trend klar: 35,4 Prozent der Befragten erwarten eine etwas schlechtere Lage und 28,2 Prozent eine deutlich schlechtere Lage. Damit befürchten insgesamt 63,6 Prozent der Inhaberinnen und Inhaber mittelfristig eine Verschlechterung ihrer Lage. Vor diesem Hintergrund scheint kaum verwunderlich, dass 54,0 Prozent keine Investitionen für die nächste Zeit planen.

Was motiviert, was ärgert?

Abgefragt werden überdies stets die Stress- und Motivationsfaktoren. Auch letztere muss es allen Widrigkeiten zum Trotz noch geben, wie Overwienig betonte. Dazu gehören wie in den Vorjahren vor allem der persönliche Kontakt zu den Patientinnen und Patienten sowie die Zusammenarbeit mit dem Team in der Apotheke.

In Sachen Ärger liegen seit Jahren Bürokratie im Allgemeinen und Liefergenpässe ganz vorn im Ranking. Bei der Honorierung von Leistungen und Retaxationen nahm der Ärger-Faktor im Laufe der vergangenen zwei, drei Jahre zu. Nachdem mit dem Engpassgesetz (ALBVVG) in Sachen Präqualifizierung, Austauschfreiheiten bei Engpässen und Retax etwas in die richtige Richtung geschehen ist, ist nun klar, wo die Hauptforderung der Apotheken angesichts des auf ihnen lastenden wirtschaftlichen Drucks liegt: 90,4 Prozent der befragten Apothekeninhaber:innen wünschen sich, dass bessere wirtschaftliche Rahmenbedingungen in den nächsten zwei bis drei Jahren auf der politischen Tagesordnung stehen. Vier von fünf Befragten sagen, dass die Erhöhung des Festzuschlags pro Rx-Arzneimittel von derzeit 8,35 Euro (80,0 Prozent) sowie dessen Dynamisierung (84,2 Prozent) für sie oberste Priorität haben.

Breite Protestbereitschaft

Fast alle Inhaberinnen und Inhaber befürworten zur Erreichung dieser Ziele weitere Protestaktionen – die meisten uneingeschränkt (84,6 Prozent) und fast alle anderen (13,8 Prozent) zumindest punktuell. Dieses Stimmungsbild belege, so Overwiening, dass die ABDA mit ihren Entscheidungen und Planungen in diesem Jahr richtig liege. „Und natürlich geben uns diese Werte auch Rückendeckung für weitere Protestmaßnahmen“.

Was die Apotheker wollen, haben sie bereits deutlich gemacht – ebenso dass sie vom Bundesgesundheitsminister jetzt Antworten auf drängende Fragen erwarten. Was das Honorar betrifft, betonte Overwiening erneut: „Die Apothekerschaft fordert 12 Euro pro verordnetem Medikament oder – anders ausgedrückt – 2,7 Milliarden Euro pro Jahr zusätzlich, um die Arzneimittelversorgung auch künftig sicherzustellen.“ Selbst wenn sich das nach einer großen Summe anhöre: Derzeit bekommen die Apotheken aus den Töpfen der Krankenkassen 5,76 Milliarden Euro – gerade einmal 2 Prozent der Gesamtausgaben der Krankenkassen. Allein die Inflationsrate liege für die vergangenen zehn Jahre bei 38 Prozent und würde somit eine Honorarsteigerung um 3 Euro pro Rx-Arzneimittel erklären. Hinzu kommen steigende Tariflöhne. Auch wenn Overwiening die jüngsten Forderungen der Apothekengewerkschaft Adexa nicht ausdrücklich ansprach, ist klar: Das Mehr an Geld ist auch unerlässlich, um die Beschäftigten angemessen zu bezahlen und dem Nachwuchs eine Perspektive zu geben. Denn die Zahl der Apotheken kennt im Moment nur eine Richtung – nach unten.


Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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