Mitgliederversammlung Hamburger Apothekerverein

Graue: Es werden „härtere Tage“ kommen

Hamburg - 08.11.2023, 13:45 Uhr

Kritisiert Lauterbachs „Griff in die Mottenkiste“: Der Vorsitzende des Hamburger Apothekervereins, Jörn Graue. (Foto: DAZ/tmb)

Kritisiert Lauterbachs „Griff in die Mottenkiste“: Der Vorsitzende des Hamburger Apothekervereins, Jörn Graue. (Foto: DAZ/tmb)


Die Einführung des Kombimodells im Jahr 2004 ohne verbindliche Ankopplung an die gesamtwirtschaftliche Entwicklung war entscheidend für die derzeitigen wirtschaftlichen Probleme der Apotheken. Davon ist Jörn Graue überzeugt. Er befürchtet „härtere Tage“ und „an die 1.000“ Apothekenschließungen im nächsten Jahr, aber die Apothekerschaft könne Krisen meistern. Bei der Mitgliederversammlung des Hamburger Apothekervereins am Dienstagabend wurden der Vorstandsvorsitzende Graue und zwei weitere Vorstände turnusgemäß wiedergewählt.

Bei der Mitgliederversammlung des Hamburger Apothekervereins am Dienstagabend, dem Vorabend des Protesttages der norddeutschen Apotheken, analysierte der Vorstandsvorsitzende Jörn Graue die Ursachen der derzeitigen Lage. Dazu verwies er vor allem auf die Einführung des Kombimodells im Jahr 2004 ohne verbindliche Ankopplung an die gesamtwirtschaftliche Entwicklung. „Die fehlende Indexierung fällt uns heute hart auf die Füße“, betonte Graue. Dafür sollte nicht der Staat verantwortlich gemacht werden, sondern „unser Fehler war es damals, nicht für die handwerklich saubere Ausarbeitung der zugesicherten regelmäßigen Anpassung gesorgt zu haben“, erklärte Graue.

Nun würden die Pläne von Bundesgesundheitsminister Lauterbach dem Fass den Boden ausschlagen. „Ein Leichtgewicht verordnet nach Gesundheitskiosken jetzt Leichtapotheken“, erklärte Graue. Seine Pläne seien ein „Griff in die Mottenkiste“. Er vermische die Erkenntnisse, die er dem schlecht funktionierenden amerikanischen Gesundheitssystem abgeschaut habe, mit der linken Ideologie seiner früheren Weggenossin – gemeint ist die frühere Gesundheitsministerin Ulla Schmidt. Seine „toxische Devise“ sei, den freien Berufen mit staatlicher Gewalt ein Ende zu bereiten und gleichzeitig Kapitalgesellschaften den Weg zu ebenen. 

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Graue erwartet, dass Lauterbach seine Pläne trotz der Apothekerproteste durch das Parlament peitschen werde. Zu stark sei auch der Einfluss der Medien, die seine Pläne bejubeln würden. Daher würden „härtere Tage“ kommen. Nach den 600 Apothekenschließungen, die für dieses Jahr erwartet werden, würden es wohl im nächsten Jahr an die 1000 sein, fürchtet Graue. Doch „eine freie Apothekerschaft kann Krisen meistern“, erklärte Graue und ergänzte: „Die Politik aber sollte lernen, über den Tag hinauszudenken, und wir sollten lernen, auf uns selbst zu vertrauen.“ Letztlich zeigte er sich gewiss: „Der Spuk verschwindet, so schnell wie er gekommen ist“.

Neue Probleme bei der Abgabe von Teilmengen

Weitere Schwierigkeiten sieht Graue beim E-Rezept. Der Rezeptvalidator der Gematik schweige, obwohl er „ready“ sei, angeblich aufgrund eines Einspruchs der Ärzte. Nachdem die schwierige Frage zur Signatur einer pragmatischen Lösung zugeführt worden sei, würden neue Ungereimtheiten bei der Abgabe von Teilmengen auftreten. Diese werfe schwere rechtliche Probleme mit dem nicht korrekt aufgerufenen Herstellerrabatt auf. Dabei bezog sich Graue auf den Fall, dass aus einer großen Packung mehrfach ausgeeinzelt wird. Denn der Hersteller hätte dann nur eine Großpackung in Verkehr gebracht und dürfte nicht mit dem Rabatt für mehrere kleine Packungen belastet werden.

Kritik an Erhöhung des ABDA-Haushalts

Auch zum ABDA-Haushalt äußerte sich Graue kritisch. Die Mitgliedsorganisationen in Hamburg und Schleswig-Holstein hätten gegen den Haushalt für 2024 gestimmt. Sie würden die „exorbitante Erhöhung im kommenden Jahr für höchst unglücklich“ halten, „da viele Apotheken bereits aus dem letzten Loch pfeifen“. Georg Zwenke, Geschäftsführer des Hamburger Apothekervereins und des Apothekerverbandes Schleswig-Holstein, ergänzte, dass dies am 18. November thematisiert werden soll, wenn die ABDA-Präsidentin bei der Mitgliederversammlung des Apothekerverbandes Schleswig-Holstein sprechen wird.

Zudem konstatierte Graue, das Lieferengpassgesetz bringe mehr Ärger als Vorteile. Dazu berichteten er und Zwenke auch über Schwierigkeiten in der Zusammenarbeit mit dem Deutschen Apothekerverband bei der Auslegung von Regeln, beispielsweise bei der Abgabe von Teilmengen und kürzlich zur Anwendung der Auswahlkaskade gemäß Rahmenvertrag. Zum jahrelangen Streit über die BtM-Gebühr bei Substitutionsverordnungen berichtete Zwenke, dass der Hamburger Verein nun gegen eine Krankenkasse klagt.

Graue wiedergewählt

Bei der Mitgliederversammlung standen turnusgemäße Wahlen für drei Vorstandsmitglieder auf der Tagesordnung. Der Vorstandsvorsitzende Jörn Graue sowie die Vorstandsmitglieder Nils Bomholt und Lawrence Oshinowo stellten sich zur Wiederwahl und wurden ohne Gegenkandidaten für eine weitere Amtszeit bestätigt.


Dr. Thomas Müller-Bohn (tmb), Apotheker und Dipl.-Kaufmann
redaktion@daz.online


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2 Kommentare

Es Werden härtere Tage koomen

von Jafar Hosseini am 08.11.2023 um 14:55 Uhr

Seine „toxische Devise“ sei, den freien Berufen mit staatlicher Gewalt ein Ende zu bereiten und gleichzeitig Kapitalgesellschaften den Weg zu ebenen.

heißt das ,daß er dadurch Kosten reduziert bekommt?
Ich verstehe hier der Logik nicht

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: Es Werden härtere Tage koomen

von ratatosk am 28.11.2023 um 12:33 Uhr

Charaktere wie die von Karl brauchen keine Logik, sondern ruhen in ihren selbstgeschaffenen Sphären.
Daneben mag er keine Apotheken und vom Großkapital kann er sich mehr erwarten.
Da Wissen um dramatisch höhere Preise für Arzneimittel in den USA generell hat er nicht, Fragen nach Kompetenz begegnet er meist mit so was wie, ich war aber mal in Harvard, als würde das irgendwas bedeuten.

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