Wind of change

Mit frischem Wind zum personellen Erfolg

24.01.2024, 07:00 Uhr


Gute Fachkräfte zu finden gestaltet sich zunehmend schwierig für Apothekenleitungen. In der Serie „Erfolgreiche Personalgewinnung“ stellen wir Ihnen Kolleginnen und Kollegen vor, die darüber berichten, wie sie erfolgreich neues Personal gefunden haben und auch langfristig halten. Im vierten Teil der Serie lernen Sie die junge Apothekerin Michelle Pohst kennen, die in ihrer Apotheke zunächst als Angestellte tätig war und später als Chefin die Betriebskultur neu definiert hat.

Den Schritt in die Selbstständigkeit wagen wahrscheinlich die wenigsten Apothekerinnen und Apotheker in erster Generation so früh wie Michelle Pohst. Im Jahr 2019 übernahm die damals gerade einmal 28-Jährige die „Kern Apotheke“ in Düsseldorf Eller. Trotz ihres jungen Alters war dieser Schritt wohl überlegt und gut vorbereitet: Seit ihrer Approbation drei Jahre zuvor arbeitete sie als angestellte Apothekerin in dem Betrieb und ließ sich vom Vorbesitzer alles genau zeigen – von den alltäglichen Herausforderungen der öffentlichen Apotheke über die Versorgung von Pflegeheimen bis hin zu den Betriebsergebnissen. Von jugendlicher Naivität also keine Spur. Ihr damaliger Chef gab ihr etliche wertvolle Informationen und Erkenntnisse aus seiner langjährigen Erfahrung mit auf den Weg. Und doch entschied Michelle Pohst schon früh in ihrer Karriere als Selbstständige, dass sie Vieles anders machen möchte. 

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Besonders die Einblicke aus Sicht einer Angestellten sowie der Austausch innerhalb des Kollegiums ermöglichten es ihr, noch vor Über­nahme der Apotheke potenzielle Schwachstellen zu erkennen. So war der Betrieb beim Vorgänger sehr hierarchisch und nach „alter Schule“ aufgebaut gewesen, womit sich viele der Angestellten sichtlich schwertaten. Wertschätzung und die gemeinsame Arbeit auf Augenhöhe hat auch Pohst als Angestellte sehr vermisst. Dies war somit automatisch einer der ersten Punkte, die sie nach der Übernahme ändern wollte. Bis heute liegt deshalb ihr Fokus auf ihrem Team und den Bedürfnissen der einzelnen Personen. Das scheint in der Belegschaft gut anzukommen: Einige Kolleginnen wollten ursprünglich unter der Leitung des Vorbesitzers die Apotheke wechseln, sind jedoch aufgrund der damals anstehenden Apothekenübernahme durch Pohst geblieben. Und arbeiten noch bis heute dort.

Mitspracherecht bei Neueinstellung

Michelle Pohst versteht sich als Teil ihres Teams und baut von Anfang an auf flache Hierarchien. Sie duzt sich mit allen Beschäftigten und fasst bei jeder anfallenden Aufgabe bei Bedarf selbst mit an, egal worum es sich handelt. Auf mögliche Vorzüge oder Sonderbehandlungen, wie das obligatorische Freinehmen an Brückentagen oder zwischen den Jahren, verzichtet Pohst als Chefin sehr bewusst. „Das sind schließlich meine Kolleginnen, nicht meine Untergebenen“, so die Apothekerin. Natürlich gibt es aber auch in ihrer Apotheke Dinge, die Chefinnensache sind. So kümmert sich Pohst um die Veröffentlichung der Stellenanzeigen und führt die damit einhergehenden Vorstellungs­gespräche. Alleine über die zukünftige Personalie entscheidet sie jedoch nie. Wer in das Team kommt ist eine absolute Team-Entscheidung, welcher sie sich als Leitung gerne anschließt. Das wichtigste Kriterium ist immerhin, dass die Person in das Team passt: „Die sollen ja am Ende miteinander arbeiten“. Ihre Angestellten führen aus diesem Grund auch die Probearbeitstage vielversprechender Bewerbender selbstständig durch. Sie als Vorgesetzte ist dann zwar vor Ort, hält sich aber absichtlich im Hintergrund. Im Anschluss an den Termin befragt sie ihr Team zu dessen Eindruck und ob es sich eine Zusammenarbeit mit der Person vorstellen kann. Mit dieser Vorgehensweise ist Pohst von Anfang an gut gefahren: Bislang hat sie jede freie Stelle binnen weniger Tage oder Wochen besetzen können und hat zudem sehr wenig Personalfluktuation.

Social-Media als Aushängeschild nutzen

Nicht nur die zentrale Lage der Apotheke dürfte für die sehr kurzen Zeiträume der Personalsuche verantwortlich sein. Neben ihrer Team-orientierten Führungsweise setzt Pohst auch auf eine moderne Öffentlichkeitsarbeit für ihren Betrieb. In den üblichen sozialen Medien informiert sie über die Dienstleistungen sowie Aktions­tage ihrer Apotheke und veröffentlicht regelmäßig interessante, laienverständlich aufbereitete Gesundheits­informationen zu verschiedenen Themen. Auch ihre bisherige Personalsuche stützte sie unter anderem auf ihre Social-Media-Präsenz: Mit gezielten Werbeanzeigen sowie einem unterhaltsamen Recruiting-Video machte sie auf ihre Apotheke als Arbeitsplatz aufmerksam. Zusätzlich inserierte sie ihre Personalgesuche auch in den üblichen Portalen, wie beispielsweise auf der Internetseite der zuständigen Apothekerkammer. Und doch waren dies nicht die einzigen Wege, auf denen sie bislang an potenzielles neues Personal gelangte. Nach gerade einmal rund zwei Jahren ihrer Selbstständigkeit wurde in ihrer Apotheke eingebrochen. Eine belastende Situation für die noch recht frischgebackene Chefin. Einige Aufräumarbeiten und diverse Besuche der ortsansässigen Polizei später tat sich jedoch ganz unverhofft ein Licht am Horizont auf: Einer der zuständigen Polizisten schwärmte bei seiner Schwiegermutter von der netten Atmosphäre in der Apotheke und ermunterte sie, sich dort als PKA zu bewerben. Besagte Schwiegermutter ist nun seit zwei Jahren ein nicht mehr wegzudenkender Teil von Pohsts Team. Zuvor hätte die junge Apothekerin sich nicht zu träumen gewagt, dass ein Einbruch ihre Apotheke tatsächlich einmal so bereichern könnte. Dies ist aus ihrer Sicht nur aufgrund des wirklich guten Betriebsklimas möglich gewesen. Das sorgt auch dafür, dass sie immer wieder Bewerbungen auf Empfehlung ihrer Mitarbeitenden erhält.

Grillparty und Cocktail-Taxi

Dass ihr eigenes Personal selbstständig im Bekanntenkreis nach neuen Kolleginnen und Kollegen Ausschau hält, ist für sie eine der größten Bestätigungen ihres antiautoritären Führungsstils. Denn es zeigt eben auch, dass sich ihr Personal wohl fühlt und gerne zur Arbeit kommt. Ein wichtiger Aspekt für Pohst. Um dies auch dauerhaft zu gewährleisten, setzt sie sich mindestens einmal im Quartal mit allen Beschäftigten zu einer Besprechung zusammen. Über die Themen darf das Team eigenständig entscheiden. Jede und jeder soll offen ansprechen können, wo der Schuh drückt oder welche Wünsche bestehen. Zusätzlich setzt Pohst auf regelmäßige Team-Building-Maßnahmen. Neben der obligatorischen Weihnachtsfeier trifft sich das Personal samt Chefin mindestens einmal im Jahr außerhalb der Apotheke. Zuletzt geschah dies im Rahmen einer Grillparty im Garten einer engagierten Mitarbeiterin, die das Ganze freiwillig (während der Arbeitszeit) organisierte. Aus der gut gefüllten Trinkgeldkasse wurde ein Cocktail-Taxi bestellt, das sein Übriges zur ausgelassenen Stimmung tat. Zwischendurch holt die Chefin auch mal ein Eis für alle oder lässt sich andere Gesten der Wertschätzung einfallen. Pohst ist es wichtig, auch im hektischen Apothekenalltag nicht aus den Augen zu verlieren, was ihr Team leistet. Dies versucht sie bestmöglich über das Gehalt zum Ausdruck zu bringen, jedoch kann ihre Einzelapotheke sich dahingehend leider keine großen Sprünge erlauben. Sich selbst zahlt Pohst sogar weniger Gehalt aus, als ihren angestellten Approbierten. Wenn sie könnte, würde sie die Gehälter ordentlich anheben. Deutlich mehr Handlungsspielraum hat sie bei ihrem Verhalten als Vorgesetzte sowie bei der Gestaltung der Betriebskultur, sodass sie in diesem Bereich ihren Fokus legt. Sie konzentriert sich auf die Menschen in ihrem Betrieb sowie deren Bedürfnisse. Ihr liegt es besonders am Herzen, dass jeder und jede ein persönliches, auf die eigenen Vorlieben zugeschnittenes Geburtstagsgeschenk erhält. Ihre Leute sollen sich als individuelle Persönlichkeit geschätzt wissen, nicht bloß als Arbeitskraft.

Schwierige Situationen meistern

Trotz der flachen Hierarchien ist Pohst jedoch klar, dass ihr als Chefin auch weniger angenehme Führungsauf­gaben obliegen. Probleme und Fehler kommen in jedem Betrieb vor, auch in ihrem. Sie stellt sich diesen immer möglichst lösungsorientiert und mit einer positiven Fehlerkultur. In solchen Fällen spricht Pohst die betreffende Person direkt, falls notwendig unter vier Augen, an und erarbeitet so gemeinsam eine Lösung. Bei Bedarf übernimmt sie im gegenseitigen Einvernehmen auch die weitere Kommunikation mit der betroffenen Kundschaft. Im Nachgang überlegt sie anschließend mit den betroffenen Mitarbeitenden, wie solche Sachverhalte in Zukunft verhindert werden können und stößt entsprechende Maßnahmen an. Hierbei erwartet sie natürlich, dass das Personal aus den Fehlern lernt und die erarbeiteten Verbesserungsmaßnahmen in der Zukunft umsetzt. Eine offensichtliche „Keinen-Bock-Haltung“ oder gar ein Ausnutzen der zugewandten Betriebskultur würde Pohst nicht dulden. Von solchen Personen würde sie sich dann selbstverständlich trennen müssen, immerhin schaden diese nicht nur ihr, sondern auch dem Rest des Teams.

Der gute Ruf ist entscheidend

Anderen Apothekenleitungen, für die sich die Personalsuche bislang noch nicht so positiv gestaltet, rät Pohst, sich zuallererst einen möglichst guten Ruf zu erarbeiten. Dies bezieht sie neben der freundlichen sowie fachlich fundierten Beratung auch auf das Klima innerhalb des Teams. Wenn die Charaktere zusammenpassen und sich idealerweise sogar ergänzen, könne man von den Synergien profitieren. Dazu braucht es allerdings die Auf­geschlossenheit, dem Personal zu vertrauen, ihm ein Mitspracherecht einzuräumen sowie eine grundsätzlich offene eigene Bürotüre. Und das Verständnis, dass es nicht bloß um Arbeitskräfte geht: „Mitarbeitende sind Menschen, die sich in ihrem Job wohlfühlen wollen“, so Pohst. „Wieso also nicht einfach fragen, was sie sich wünschen?“ und dies natürlich nach Möglichkeit auch umsetzen.


Jessica Geller, Autorin, DAZ.online
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

kleiner Finger und ganze Hand

von Karl Friedrich Müller am 24.01.2024 um 10:42 Uhr

"Auf mögliche Vorzüge oder Sonderbehandlungen, wie das obligatorische Freinehmen an Brückentagen oder zwischen den Jahren, verzichtet Pohst als Chefin sehr bewusst. „Das sind schließlich meine Kolleginnen, nicht meine Untergebenen“, so die Apothekerin."
was das das eine mit dem anderen zu tun?
Sie wird schnell merken, dass die Mitarbeiter selbst scharf auf die Brückentage sind. Was Freiziet angeht, kann ich nur vor zu viel Rücksicht warnen. Gerade als viel arbeitender Chef braucht man auch Pausen. Das muss vom Team akzeptiert und verstanden werden. Das hat nichts mit Bevorzugung zu tun, sondern dem Erhalt der eigenen Gesundheit und Arbeitsfähigkeit. Das heißt natürlich auch nicht, dass man alle Brückentage belegen soll.

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