Erfolgreiche Mitarbeitergewinnung

Personal: Immer agieren statt reagieren

Bonn - 23.01.2023, 07:01 Uhr

Den eigenen Arbeitsplatz aktiv mitgestalten zu können, verstärkt die Bindung an und die Identifikation mit dem Betrieb. (Foto: wildworx / AdobeStock)

Den eigenen Arbeitsplatz aktiv mitgestalten zu können, verstärkt die Bindung an und die Identifikation mit dem Betrieb. (Foto: wildworx / AdobeStock)


Das Gesundheitswesen wird bekanntermaßen durch einen enormen Fachkräftemangel geplagt. Doch während es für viele Offizinen zunehmend schwieriger wird, geeignetes Personal oder eine Leitungsnachfolge zu finden, haben andere viel weniger Probleme. In unserer neuen Serie wollen wir den Gründen hierfür nachgehen und beleuchten, welche Faktoren tatsächlich für eine erfolgreiche Personalgewinnung entscheidend sind und wie man das vorhandene Personal auch langfristig halten kann.

Apotheken-Coach Nicole Müller (Quelle: apotheken-coach.de)

Warum haben manche Apotheken eigentlich weniger Personalprobleme als andere? Bevor wir mit unseren Kolleginnen und Kollegen selbst über ihre Erfolgsgeheimnisse plaudern, schauen wir zunächst noch mit einem Schritt Abstand auf den Arbeitsplatz öffentliche Apotheke. Fachlich versierte Unterstützung erhalten wir hierbei von Nicole Müller. Sie ist als Apotheken-Coach tätig und bietet unter anderem ein Mentoring-Programm speziell für weibliche Führungskräfte an. 

Von der PTA zum Apotheken-Coach

Müller selbst startete ihre Laufbahn als PTA in einer öffentlichen Apotheke, schnupperte dann als Apothekenreferentin einige Außendienst-Luft und arbeitete sich schließlich bis zur Verkaufs- und Marketing Direktorin eines Pharmaunternehmens hoch. Sie kennt also beide Seiten: die Arbeit als Angestellte sowie das Dasein als Vorgesetzte mit Personalverantwortung. Und mit diesem Wissen sowie ihrer absolvierten Coaching-Ausbildung macht sie sich nun daran, diese beiden Gruppen noch näher zueinander zu führen.

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Die Frage, wie man ausreichendes und gutes Personal finden kann, ist laut Müller sehr komplex und bestehe nicht allein in der eigentlichen Personalbeschaffung. Vielmehr müsse zunächst bei der Apothekenleitung angesetzt werden. Ihr erster Tipp bei der Suche nach neuem Personal besteht darin, sich als Führungskraft bewusst eine positive innere Haltung anzugewöhnen. Denn eine demotivierte Leitung sorge auch für eine demotivierte Belegschaft. Man sei als Chef oder Chefin in jeglicher Hinsicht ein Vorbild für die Mitarbeitenden. Denn, so Müller, „das Team spürt doch, ob die Führungspersönlichkeit mit Freude in die Zukunft schaut, oder mit Sorge“. Aus diesem Grund solle man sich eher auf Chancen fokussieren, anstatt sich stets die Limitationen der eigenen Arbeit vor Augen zu führen oder sich immer wieder über negative Entwicklungen zu ärgern. Positives Mindset nennt sie dies. 

„Arbeitsklima ist größerer und nachhaltigerer Motivator, als ein hohes Gehalt“

Gerade auch in Zeiten eines akuten Personalmangels sei es besonders wichtig, besonnen zu bleiben und statt Hektik eine positive Haltung an das Team weiterzugeben. Der langfristige Erfolg des gesamten Teams gehe nämlich von der Führungskraft aus. Erst recht bei Betrieben mit überschaubarer Teamgröße, wie es die meisten Apotheken sind. Und ein gutes, zufriedenes Team, das Freude an der gemeinsamen Arbeit hat und harmonisch zusammenarbeitet, trage dies auch nach außen weiter. Dies komme nicht nur gut bei der Kundschaft an, sondern ebenfalls im eventuell pharmazeutisch ausgebildeten Freundeskreis der Mitarbeitenden. Die beste Werbung für den eigenen Betrieb kann also das eigene zufriedene Team sein. Solch ein stimmiges Arbeitsklima sei außerdem ein deutlich größerer und nachhaltigerer Motivator, als ein hohes Gehalt. 

(Foto: Robert Kneschke / AdobeStock)

Neben der positiven Grundeinstellung solle allerdings auch kritisch auf die eigene Rolle als Führungskraft geschaut werden. Im Pharmaziestudium werde diese Kompetenz leider nicht vermittelt, sodass sich Apothekenleitungen der Personalführung häufig gänzlich ohne Vorerfahrungen widmen. Im hektischen Apothekenalltag komme dieses Thema dann wiederum auch viel zu kurz. Um aktiv ein Team zu leiten brauche es einen Plan, Zeit und einiges an Menschenkenntnis. Führen bedeutet also zunächst Arbeit und erfordert auch eine gewisse Lernbereitschaft. 

Doch Wachstum entsteht laut Müller nur außerhalb der gewohnten Komfortzone. Eine führungslose Truppe verschenke wertvolle Ressourcen und biete Raum für Demotivation und Konflikte. Man müsse stattdessen dafür sorgen, möglichst alle Mitarbeitenden abzuholen und gemäß ihres Stärkenprofils einzusetzen. „Wenn wir mit den Ergebnissen von heute nicht zufrieden sind, dann müssen wir etwas ändern“, weiß Müller. Hierzu sei neben des Begreifens der Führungsrolle auch eine ehrliche Reflexion des eigenen Verhaltens hilfreich. Man solle sich beispielsweise fragen, wie man kommuniziert, in welcher Weise man Konflikte zu lösen versucht und wie man im Team an gemeinsamen Visionen arbeitet. 

Coachings und Fortbildungen als Unterstützung

An dieser Stelle können Coachings und Kommunikations-Fortbildungen eine sinnvolle Unterstützung sein, wie Müller aus ihrer eigenen Erfahrung als Chefin weiß. „Schluss mit der Idee, dass es so etwas wie ‚geborene Anführer’ oder ‚Chefinnen-Naturtalente‘ gibt. Führung kann man mit dem richtigen Leader-Mentoring lernen“, so Nicole Müller.

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Auch der Umgang mit dem vorhandenen Personal stellt für Müller einen wichtigen Grundpfeiler der erfolgreichen Personalgewinnung dar. Schließlich soll das einmal gewonnene Personal auch langfristig gehalten werden. Hierzu empfiehlt sie unter anderem regelmäßige Teambesprechungen, Einzelgespräche und Workshops. Sie bieten Raum für Ideen und positive Entwicklung. Im besten Fall sollten Meetings außerdem nicht ausschließlich durch die Vorgesetzten geführt werden, sondern auch von Mitarbeitenden. 

Honorierung guter Leistung – aber wie?

Den eigenen Arbeitsplatz aktiv mitgestalten zu können, verstärke die Bindung an und die Identifikation mit dem Betrieb. Auch die Wirkung eines wertschätzenden Umgangs sowie von aufrichtigem Lob sollten laut Müller nicht unterschätzt werden. Gute Arbeitsleistungen sollten außerdem entsprechend honoriert werden. Dies solle jedoch weniger nach einem „Wenn-Dann“-Prinzip geschehen – also nicht mit der Erfüllung einer Bedingung in Aussicht gestellt werden – sondern als ehrlich dankbare Reaktion. 

Leistet die unterbesetzte Belegschaft gerade Großes, so könne man sich beispielsweise mit einem spontanen Smoothie-Tag oder einem Überraschungsbonus erkenntlich zeigen. Wie solch ein Bonus ausgezahlt wird, könne man das Team auch selbst entscheiden lassen. Soll der Bonus für Jobräder oder einen gemeinsamen Ausflug eingesetzt werden? Oder soll er stattdessen lieber anteilig ausgezahlt werden? Auch eine tolle Weihnachtsfeier werde in Sachen Team-Building oftmals verkannt.

Erst recht in Krisenzeiten rät Müller dazu, sensibel auf die Bedürfnisse aller Personen zu achten. Man könne aktiv fragen: „Wie können wir diese Situation meistern, liebes Team und was brauchen wir dafür?“. Hierdurch werde deutlich, dass die Führungskraft die Belastung wahrnimmt und gleichzeitig an einer konstruktiven Lösung arbeite. Daher sollten gerade während eines akuten Personalmangels auch weiterhin regelmäßige Teammeetings abgehalten werden. Diese können darüber hinaus wichtige Impulse für die Besetzung einer offenen Stelle geben. 

Noch vor Veröffentlichung einer Stellenanzeige könne man zunächst einmal gemeinsam überlegen, wen man eigentlich genau braucht. Welche persönlichen und fachlichen Eigenschaften sollte die neue Person mitbringen? Wer hierbei das Team vollständig mit einbezieht, könne sogar von Synergien profitieren: Die Mitarbeitenden merken, dass ihre Meinung gehört und geschätzt wird. Sie entwickeln im konstruktiven Austausch miteinander eine Vorstellung von der perfekten Ergänzung ihres Teams. Und eventuell kommt jemandem spontan eine Person aus dem Bekanntenkreis in den Sinn, die das gesuchte Profil aufweist.

Wann mit der Personalsuche beginnen und wo?

Idealerweise solle man die Suche nach neuem Personal nicht erst aus der Not heraus beginnen, sondern bei ausreichender personeller Ausstattung. Doch dieser Zeitpunkt werde nach Müllers Erfahrung in vielen Apotheken schnell verpasst. Wenn die Apothekenleitung selbst den ganzen Tag im Handverkauf beschäftigt ist, herrsche bereits ein eklatanter Mangel. Denn die Suche nach geeigneten Mitarbeitenden brauche eben Zeit. Einfach mal eben eine Stellenanzeige formulieren und auf allen verfügbaren Plattformen veröffentlichen bringe nur selten nachhaltigen Erfolg. Stattdessen müsse man sich vom Rest abheben. Müller warnt auch davor, einfach die erstbeste Person einzustellen. Denn wenn der Mensch nicht zum Rest des Teams passt, habe man am Ende durch die vermeintlich erfolgreiche Einstellung wenig gewonnen.

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Quasi täglich höre sie, dass Leitungskräfte viel zu wenig Zeit hätten, um ihre Tipps anzunehmen und wirklich etwas zu ändern. Der Faktor Zeit sei laut Müller jedoch eines der größten Missverständnisse überhaupt. Wir alle verfügen am Tag über dieselbe Zeit, es komme allerdings darauf an, wie wir diese nutzen. Wer den ganzen Tag nur auf die eintretenden Entwicklungen reagiere, der lasse sich die Zeit vom Alltag verplanen. Daher sei es wichtig, sich wenigstens eine halbe Stunde jeden Tag bewusst für Führungsaufgaben zu nehmen und einen Plan zu entwickeln. 

Selbst bei einer knappen Personaldecke schaffe ein gut eingespieltes Apothekenteam erstaunlich viel, man dürfe sich auch mal auf sein Team verlassen. Dies könne sich am Ende für alle lohnen, denn aus ihrer Erfahrung weiß Müller: „Je mehr man seinen Angestellten zutraut, desto motivierter sind sie in der Regel auch. Meine erfolgreichsten Mentees sind die Apotheken-Inhaber, die erkennen, dass Fokussierung auf eine individuelle und stärkenorientierte Mitarbeiterführung die Mitarbeiter so unendlich wachsen lässt. Die Mitarbeiter übernehmen neue Aufgaben und Verantwortung. Dadurch gewinnen die Führungskräfte natürlich auch mehr Zeit, um strategische Aufgaben zu erledigen und natürlich auch für ihre Work-Life Balance.“ 

Das „Great Apo to Work“ – Siegel wird im Rahmen von Nicole Müllers Mentoring-Programm an die Apotheken mit der besten Mitarbeitendenführung verliehen. (Quelle: apotheken-coach.de)

Neben der eigenen positiven Grundhaltung, der bewussten Führung und dem Augenmerk auf das Bestandspersonal rät Müller außerdem zum Aufbau der Apotheke als Marke. Gerade bei einem Markt mit deutlichem Überfluss an Stellenangeboten sei es wichtig, sich von anderen abzuheben und einen Betrieb aufzubauen, für den Menschen gerne arbeiten möchten. 

Im Rahmen ihres Mentoring-Programms hat sie daher die Auszeichnung „Great Apo to Work“ entwickelt. Mit ihr werden nach einem festen Kriterienkatalog die herausragendsten Apotheken mit der besten Entwicklung honoriert. Müller sei es besonders wichtig, ihren Teilnehmerinnen zu vermitteln, dass Änderungen nachhaltig und langfristig gelebt werden müssen. Man solle sich niemals auf dem Erfolg ausruhen. Daher werde diese Auszeichnung auch immer nur für ein Jahr verliehen.

Interessierte finden Nicole Müllers Angebot unter apotheken-coach.de. Aufgrund der Nachfrage bietet sie seit Januar zusätzlich zu dem Apothekenleiterinnen-Mentoring auch ein begleitendes Programm für die involvierten Teams an.


Jessica Geller, Autorin, DAZ.online
redaktion@daz.online


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3 Kommentare

Es geht nicht nur ums Geld

von Apothekerin am 23.01.2023 um 11:07 Uhr

Ich habe mich als frisch Approbierte nach einem Jahr gegen die öffentliche Apotheke entschieden. Dies lag nicht am Gehalt (bei mir in der Gegend sind 30% Übertarif schon Standard, ich verdiene jetzt nicht mehr.), es lag vor allem daran dass ich mich unterfordert gefühlt habe. Im Studium werden wir momentan extrem auf komplexe Inhalte geschult, wir führen umfangreiche Medikationsanalysen durch und genau das macht mir auch Spaß. Sobald jedoch in (meiner) öffentlichen Apotheke etwas komplizierter wurde, ging es direkt zur Leitung. Jetzt bin ich in der klinischen Pharmazie tätig und fühle mich deutlich geforderter. Die Arbeitszeiten (Max. bis 16:30) sind natürlich auch sehr entspannt.

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Personal

von Mahe am 23.01.2023 um 8:43 Uhr

Ist alles recht und gut.Das Hauptproblem ist das schlechte Gehalt aller Apothekenmitarbeiter, kombiniert mit den schlechten Arbeitszeiten.Bei Kleinbetrieben ist auch der Urlaub ein riesiges Problem. Da geht es nicht, da auch nicht......Man braucht sich nicht wundern, wenn es z.B.keine Apotheker gibt! Eine Apothekerin , die 1 Jahr in der öffentlichen Apotheke gearbeitet hat, verlässt die Apotheke , weil sie in der Industrie 68000 Euro pro Jahr erhält!!! (Vergleich Tarifgehalt 2.5.Berufsjahr 52200 Euro) Die Gehälter in der Apotheke sind sehr bescheiden dagegen!! Gleichzeitig meinte sie, jetzt hätte sie endlich ein Leben im Gegensatz zu der Zeit in der öffentlichen Apotheke !!! Wo liegt der Fehler?Mitarbeitersitzungen sind sowieso eine Qual.Sitzen Sie einmal nach einem ganze Arbeitstag noch bis 10 Uhr in der Apotheke! Das Anfangsgehalt der Industriepothekerin übertrifft sogar das Endgehalt einer Apothekerin in der höchsten Stufe(60827 Euro ,mit 12 Prozent mehr sind es 68000 Euro!)

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AW: Personal

von Martinson am 23.01.2023 um 18:12 Uhr

Sooooo schlecht ist der Verdienst gar nicht in der Apotheke vor Ort. Nach aktuellem Tarifvertrag kommt man in der Apotheke vor Ort auf 57790.- (mit 20%+ wie meist üblich), mit 13. Gehalt 62600.- (2.-5. BJ). Mit Notdiensten ist man schnell bei 66000.-.
Unterm Strich bleibt damit meist mehr übrig, weil man nicht
in Ballungsräumen wie z.B. Leverkusen (Bayer) wohnen muss.

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