Lauterbachs Eckpunkte

Faire Umverteilung: 70 Cent Zuschlag

23.02.2024, 07:00 Uhr

Es soll ein Nullsummenspiel werden. (Foto: imago images / Steinach)

Es soll ein Nullsummenspiel werden. (Foto: imago images / Steinach)


Die Pläne des Bundesgesundheitsministeriums für eine Apothekenreform haben für Verärgerung in den Apotheken gesorgt. Statt zusätzlicher Milliarden soll es nur eine Umverteilung vom prozen­tualen zum festen Zuschlag geben. Aber wie könnte der Aussehen?

Das Bundesgesundheitsministerium hatte im Dezember in seinen Eckpunkten für die Apothekenreform angekündigt, der prozentuale Zuschlag auf Rx-Arzneimittel solle in zwei Stufen von drei Prozent auf zwei Prozent sinken. Diese Absenkung des Honorars solle „1 : 1“ zu einer Erhöhung des Festzuschlags verwendet werden. Es soll also ein Nullsummenspiel werden. In einem Beitrag im „Handelsblatt“ war dafür eine Erhöhung des Festzuschlags um zweimal jeweils 19 Cent angesetzt worden.

Doch es wurde schnell deutlich, dass dies für eine faire Kompensation bei Weitem nicht ausreicht. Damit hätten alle Apotheken Einbußen zu erwarten. Unabhängig von den Honorarforderungen der ABDA und unabhängig von anderen Problemen einer Umverteilung ist zu fragen, wie hoch eine faire Kompen­sation sein müsste, die die Einbuße beim prozentualen Honorar für die Gesamtheit der Apotheken ausgleicht – nicht für jede einzelne Apotheke.

„Erster Zahlenumriss“ im „AWA“

Dazu hatte Prof. Dr. Reinhard Herzog im Januar im „AWA“ einen „ersten Zahlenumriss“ präsentiert. Dieser geht für 2025 von einem Nettoumsatz der Vor-Ort-Apotheken von etwa 74 Milliarden Euro aus. Davon werden Umsätze mit Non-Rx-Produkten (11 Milliarden Euro), Umsätze mit Rezepturen, Impfstoffen und anderen Arzneimitteln, für die das Kombimodell nicht gilt (gut 8 Milliarden Euro), und der gesetzliche Rohertrag (etwa 7 Milliarden Euro) abgezogen. Das ergibt 48 Milliarden Euro als Apothekeneinkaufswert der Rx-Fertigarzneimittel zu Listenpreisen. Ein halbes Prozent davon sind 240 Millionen Euro. Um diesen Betrag würde das Apothekenhonorar sinken. 

Umgerechnet auf 770 Millionen Rx-Packungen ergibt das 31 Cent mehr Packungszuschlag als nötigen Ausgleich für 2025. Für 2026 setzt Herzog wegen der Preissteigerungen 50 Milliarden Euro als relevanten Apothekeneinkaufswert an. Ein Prozent davon sind 500 Millionen Euro. Bei konstanter Packungszahl wären 65 Cent mehr Packungszuschlag für 2026 im Vergleich zu 2024 erforderlich – oder 34 Cent mehr, als für 2025 ermittelt wurde.

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Nichts gewonnen

Dieser erste Umriss soll hier mit zusätzlichen Daten vertieft werden, die eine genauere Rechnung ermöglichen. Ausgangspunkt ist hier nicht der gesamte Apothekenumsatz. Damit erübrigt sich, die Umsätze für die nicht relevanten Produkte zu schätzen. Als Grundlage dienen hier stattdessen Verkaufsdaten der Vor-Ort-Apotheken für Rx-Arzneimittel, die das Marktforschungsunternehmen Insight Health in einer neuen Analyse für 2023 ermittelt und der DAZ für diese Berechnung zur Verfügung gestellt hat. Die Daten stammen aus dem Apothekenpanel von Insight Health mit etwa 7.300 öffentlichen Apotheken. Die Analyse betrifft Rx-Arzneimittel unabhängig vom Kostenträger. OTX-Arzneimittel wurden ausgeschlossen. Mit dieser Datenbasis wird eine Untergrenze für den Ausgleich des Festzuschlags ermittelt, weil der Versand aus dem In- oder Ausland nicht einbezogen wird. Für die Vor-Ort-Apotheken hat Insight Health im Jahr 2023 einen Umsatz mit Rx-Fertigarzneimitteln im Gesamtwert von 57.251 Millionen Euro und mit Betäubungsmitteln im Gesamtwert von 1.311 Millionen Euro, jeweils zu Apothekenverkaufspreisen (Lauer-Taxe), ermittelt. Davon müssen Grippeimpfstoffe mit einem Verkaufswert von 578 Millionen Euro abgezogen werden, für die das Kombimodell nicht gilt. Damit ergeben sich 57.984 Millionen Euro als maßgebliche Umsatzgröße. Als Absatz der Rx-Arzneimittel ohne Grippeimpfstoffe hat Insight Health 768 Millionen Einheiten ermittelt, ebenfalls für das Jahr 2023.

Über den Einkaufswert zum erhöhten Festzuschlag

Der Verkaufspreis gemäß Lauer-Taxe enthält pro Rx-Packung 8,35 Euro Festzuschlag und 0,41 Euro Beiträge für zwei Fonds, also 8,76 Euro pro Packung. Der Wert zu Verkaufspreisen enthält damit insgesamt Festzuschläge von 6728 Millionen Euro. Damit ergibt sich ein Wert der abgegebenen Arzneimittel von 51.256 Millionen Euro. Wegen des prozentualen Zuschlags sind dies 103 Prozent des zu ermittelnden Einkaufswertes. Der Einkaufswert der 2023 in den Vor-Ort-Apotheken abgegebenen, hier relevanten Rx-Arzneimittel zu Listenpreisen betrug demnach 49.763 Millionen Euro.

Die erste Stufe der Honorarabsenkung soll einen halben Prozentpunkt umfassen. Hier soll ermittelt werden, welcher Betrag sich daraus ergibt, um diesen auf die Packungen umzulegen und so die Einbuße auszugleichen. Ein halbes Prozent von 49.763 Millionen Euro sind 248,82 Millionen Euro und damit 32 Cent pro Packung. Um so viel müsste der Packungszuschlag in der ersten Stufe erhöht werden, wenn die Umverteilung schon jetzt stattfände.

Hochrechnung für die Jahre 2025 und 2026

Gesucht sind aber Werte für 2025 und 2026. Dafür sind Hochrechnungen nötig. Dabei wird unterstellt, dass Absatz und Umsatz der hier relevanten Arzneimittel in den Jahren 2024 bis 2026 weiter so steigen, wie Insight Health dies für 2023 gegenüber dem Vorjahr ermittelt hat. Dann würde der Absatz um 0,5 Prozent und der Umsatz um 3,15 Prozent zunehmen, jeweils pro Jahr und gegenüber dem Vorjahr.

Zwei Stufen mit mindestens 34 und 36 Cent nötig

Eine solche Hochrechnung ergibt für 2025 einen Einkaufswert der Rx-Arzneimittel zu Listenpreisen von 52.947 Millionen Euro und einen Absatz von 776 Millionen Packungen. Ein halbes Prozent dieses Einkaufswertes entspricht 34 Cent pro Packung. Für 2026 ergibt sich ein Einkaufswert der Rx-Arzneimittel von 54.615 Millionen Euro und ein Absatz von 780 Millionen Packungen. Mit der zweiten Stufe der Honorarabsenkung würde sich eine Reduktion um einen ganzen Prozentpunkt gegenüber 2024 ergeben. Auch hier ist ein Betrag für die Honorar­absenkung zu ermitteln und auf die Packungen umzulegen. Ein Prozent des berechneten Einkaufswertes entspricht 70 Cent pro Packung. Demnach müsste der Festzuschlag 2025 um 34 Cent gegenüber 2024 und 2026 nochmals um weitere 36 Cent steigen, um nur die Einbußen auszugleichen, die sich aus den Vor-Ort-Umsätzen ergeben.

Hinzu kämen die Umsätze aus dem in- und ausländischen Versand. Die Ergebnisse hängen auch von der Packungszahl ab. Wenn sich die an­genommenen steigenden Rx-Umsätze auf eine gleichbleibende Packungszahl verteilen würden, müsste der Ausgleich beim Fest­zuschlag pro Packung noch etwas höher sein. Er müsste dann ebenfalls 34 Cent für 2025, aber weitere 37 Cent für 2026 betragen.

Gute Orientierungsgröße - keine komplette Erfassung

Die obigen Rechnungen zeigen, wie anspruchsvoll eine genaue Berechnung für eine faire Umstellung ist. Die notwendigen Daten sind nicht unmittelbar zugänglich. Doch kann hier eine aussagekräftige Untergrenze angegeben werden, die dem „wahren“ Wert wohl bisher am nächsten kommt. Alle Werte unter den genannten 34 Cent für 2025 und weiteren 36 Cent für 2026 sind demnach keine faire Kompensation. Um die faire Kompensation genau zu ermitteln, sind zusätzliche Daten über den Versand erforderlich.

Kritik an Umverteilung bleibt

Unabhängig von diesen Rechnungen bleibt die grundsätzliche Kritik an der angedachten Umverteilung bestehen. Auch wenn die Umstellung fair berechnet wird, bleibt sie auf zwei Ebenen problematisch. Erstens wäre eine Senkung des prozentualen Zuschlags in einer Inflation die falsche Maß­nahme. Denn bei steigenden Preisen nehmen die wertabhängigen Kosten der Apotheken, vor allem für die Finanzierung der Ware, besonders zu. Zweitens geht jede Form der Umver­teilung am Kern des Problems vorbei. Die Apotheken brauchen insgesamt mehr Geld, weil alle Kosten steigen und der dringend nötige Nachwuchs nur mit zeitgemäßen Gehältern zu gewinnen ist. Eine Umverteilung bringt nicht das nötige Geld für das Personal und die Aufgaben der Zukunft.

Danksagung: Der Verfasser bedankt sich bei Insight Health für die konstruktive Zusammenarbeit.


Dr. Thomas Müller-Bohn (tmb), Apotheker und Dipl.-Kaufmann
redaktion@daz.online


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2 Kommentare

Fragen über Fragen

von Thomas B am 27.02.2024 um 11:46 Uhr

Damit wäre eine weitere Zementierung der Abkopplung von den allgemeinen Preisindices zementiert. Zudem würde weiter ignoriert, dass die Apotheken seit nunmehr 21 Jahren ununterbrochen um die Inflation an Finanzkraft verlieren. Macht seit 2003 eine Einkommenskürzung der Inhaber um über 40% aus.
Wo bleibt die seit 20 Jahren überfällige und hochverdiente preisentwicklungsbezogene Anpassung?
Wo ist der Dynamisierungsfaktor?
Wo ist die Kaufmannseigenschaft?
Woher nimmt die IHK noch die Berechtigung für ihre Beitragsforderung?
Wer sollte sich motiviert fühlen, einen Apothekenberuf zu erlernen oder sich gar in die Selbständigkeit wagen?
Von was sollen die PTA´s bezahlt werden, die eine Lighht-Filiale leiten sollen? Für das aktuelle Gehalt wird das niemadnd machen...
Wie sollen Lohn- und Kostensteigerungen erwirtschaftet werden können? Wer übernimmt den Notdienst der Light-Filialen?
Wer macht die "grossen" pDL?
Wer impft?
Wer soll bei der aktuellen Zinsentwicklung wie Hochpreiser dann noch finanzieren könne?

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Des Kaisers neue Kleider

von Jörg Wemsewitz am 23.02.2024 um 9:13 Uhr

Erstmal vielen Dank für diese Berechnungen, die in der Qualität nur wenige leisten können - wahrscheinlich noch nichtmal die meisten Steuerberater.

Nun ist die Frage auf welche Zahlen das BMG kommt, dass ja bereits bei dem Thema Umsatzsteuer und Kassenabschlag Probleme hatte komplexe Sachverhalte zu prozessieren. Man kann also gespannt sein.

Auch wenn der Artikel wirklich sehr Sachlich ist, sollte man sich auch mal die folgen für die unterschiedlichen Apotheken anschauen. Wie sieht die Welt 2025, 2026, und 2027! aus? Etwas mehr Fixum, nun gut. Dann bekommen wir unseren zu Unrecht gesenkten Kassenabschlag zurück. Endlich! Aber verlieren Geld bei der variablen Vergütung. Für viele Apotheken, zumindest haben das Steuerberater für mich und Freunde berechnet, verändert sich eigentlich nicht viel aber die Kosten steigen mal mit kleinen Sprüngen, mal mit großen Brocken. Und genau hier liegt das erste Problem. !!!!Wir brauchen mehr Geld!!!! Das ist eine ganz einfache Realität.

Und so kommen wir zur zweiten Baustelle, über die viel zu wenig geredet wird. Was ist ab 2027??? Da soll auf Basis irgendeines Gutachtens mit den Kassen das Fixum verhandelt werden. Ich habe immer noch Albträume vom letzten Gutachten (2hm). Mit Glück wissen wir 2028 wenn wir vor der Schiedsstelle waren, was wir 2027 vllt verdient haben. Man erinnere sich an die Zeiten als wir den Kassenabschlag verhandelt haben.
Wer investiert denn bei solchen Rahmenbedingungen substanzielle Beträge in seine Apotheke? Deshalb die zweite Forderung, wir brauchen Planungssicherheit bei den polt. Rahmenbedingungen und eine Perspektive, wie sich das Honorar weiterentwickelt. Das ist nicht unverschämt sowas zu fordern liebe ABDA, sondern anständig, denn wir Arbeiten jeden Tag sehr hart und tragen Verantwortung auch für unsere Mitarbeiter!

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