DAZ: Was läuft beim E-Rezept richtig gut und erleichtert den Apothekenalltag?
Giermann: Stecken der Karte und das direkte Übernehmen der Verordnung vom Gematik-Server ist sicherlich eine Prozesserleichterung, von der Apotheken profitieren, wenn sie reibungslos klappt. Das ist, trotz aller häufig geäußerten Kritik, aber zunehmend der Fall, wie auch die Umfragen beispielsweise in unseren ERFA-Gruppen ergeben. Wenn es einen Fall ohne Substitutionen und Beratungsbedarf beim Versicherten gibt, in dem die Verordnung einfach nur abgerufen, dispensiert und anschließend in die Abrechnung gegeben wird, so ist ersichtlich, welches Riesenpotenzial in der Digitalisierung der Rezepte steckt.
Was sind die Hauptprobleme für Apotheken?
Damit sind wir beim Hauptproblem: Der eben geschilderte „Geradeaus-Fall“ kommt nur selten vor. Die Probleme beginnen häufig schon bei der Technik. Tägliche Ausfälle innerhalb der Telematikinfrastruktur, wie sie über den WhatsApp-Kanal der Gematik gemeldet werden, sind aktuell nicht die Ausnahme, sondern die Regel. Dann gibt es noch das Problem, dass Verordnungen nach wie vor nicht zeitnah von den Ärzten signiert werden – wodurch sie die Apotheke nicht abrufen kann. Das ist kein technisches, sondern ein prozessuales Problem, das nur im Dialog mit den Ärzten gelöst werden kann. Schließlich bemerke ich seit einigen Wochen eine Art Goldgräberstimmung im Markt: Viele Anbieter werben mit Lösungen, bevor deren Detailspezifikation verabschiedet war. Das verunsichert viele Apotheken. Das allgemeine Misstrauen gegenüber IT-Dienstleistern ist jedoch kein fruchtbarer Boden für Innovationen, die den Apotheken vor Ort zugutekommen würden.
Was würde Apothekern helfen?
Technische Probleme haben die Anbieter noch immer irgendwann in den Griff bekommen. So wird es auch hier sein. Auch die prozessualen Stolpersteine werden reduziert werden. Helfen würde den Apotheken eine einheitliche, positiv gestimmte Kommunikation in Richtung ihrer Kundinnen und Kunden. Wenn ausschließlich die EU-Versandapotheken das Thema E-Rezept medienwirksam besetzen, ist das Risiko hoch, dass bei den Verbrauchern der Eindruck entsteht, die Vor-Ort-Apotheken in Deutschland haben auf das E-Rezept entweder keine Lust oder ihnen fehlen die technischen Voraussetzungen. Deswegen sind das Wichtigste, um das E-Rezept zum Vorteil für die stationären Apotheken umzuwandeln, positive Nachrichten in Richtung der Endverbraucher, um ihnen Lust zu machen, diese digitale Innovation mit ihrer Apotheke vor Ort zu erleben. Und das wird nur gehen, wenn möglichst viele Akteure in der Branche hier kommunikativ ins gleiche Horn stoßen, um den Werbeetats der Versender ein möglichst hohes Gegengewicht entgegensetzen zu können. Auch Tools wie KIM und TIM können dann zur Kundenbindung genutzt und verfeinert werden.
1 Kommentar
wie digital sind wir wirklich?
von Nachdenker am 22.03.2024 um 7:16 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.