Parlamentarischer Abend in Berlin

Baden-Württembergs Apotheker im Dialog mit der Politik

Berlin - 10.04.2024, 13:45 Uhr

Gabriele Regina Overwiening, Martin Braun, Diana Söcker, Simone Borchardt und Tatjana Zambo beim parlamentarischen Abend in Berlin (v. l.). (Foto: LAV Baden-Württemberg)

Gabriele Regina Overwiening, Martin Braun, Diana Söcker, Simone Borchardt und Tatjana Zambo beim parlamentarischen Abend in Berlin (v. l.). (Foto: LAV Baden-Württemberg)


Landesapothekerkammer und der Landesapothekerverband Baden-Württemberg haben am Dienstag Vertreter:innen der Bundespolitik zum parlamentarischen Abend geladen. Um ihnen die Krise der Apotheken zu verdeutlichten, stellte LAV-Präsidentin Tatjana Zambo aktuelle Zahlen vor. Zudem formulierte sie klare Forderungen an die Politik, um das Sterben der Apotheken vor Ort zu stoppen.

Die baden-württembergischen Apotheker:innen hatten am Dienstagabend Bundestagsabgeordnete aus ihrem Bundesland eingeladen: Zum Beginn des Frühlings fand, wie jedes Jahr, in der der Landesvertretung Baden-Württembergs in Berlin ein parlamentarischer Abend statt.

Hier informierten die Standesvertreter:innen über die aktuelle Lage und artikulierten Sorgen und Nöte der Apotheken in Richtung Politik. An dem geselligen Beisammensein bei schwäbisch-badischer Küche nahmen etwa 20 Parlamentarier:innen teil, darunter auch Mitglieder des Gesundheitsausschusses, wie die CDU-Abgeordneten Diana Stöcker und Simone Borchardt. Aus der SPD-Fraktion lauschte unter anderem Heike Engelhardt aus dem Arbeitskreis Gesundheit den Ausführungen. Auch ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwieining ließ sich die Möglichkeit nicht nehmen, an diesem Abend den intensiven Austausch mit den anwesenden Politiker:innen zu suchen.

Ein Drittel der Apotheken in Existenz bedroht

Die Präsidentin des Landesapothekerverbandes Baden-Württemberg Tatjana Zambo verdeutlichte die existenzielle Krise der Apotheken, indem sie auf den Negativrekord beim Rückgang der Apothekenzahl in diesem Jahr verwies – sie sank gegenüber dem Vorjahr um fast 500.

Für die Zukunft sei zu erwarten, dass ein Drittel der Apotheken schließen müsse, wenn keine grundlegende politische Kehrtwende eingeleitet wird. Damit würde die Apothekenzahl in Deutschland von aktuell 17.571 (Januar 2024) auf etwa 12.000 sinken, prognostizierte Zambo.

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Dabei liege Deutschland in puncto Apothekendichte schon jetzt deutlich unter dem EU-Durchschnitt. Während in der EU im Schnitt 32 Apotheken die Versorgung von 100.000 Einwohner:innen gewährleisten, stünden dafür in Deutschland nur knapp 21 Apotheken zur Verfügung – mit abnehmender Tendenz. 

Sinkende Betriebsergebnisse trotz steigender Umsätze

Trotz gestiegener Umsätze sanken die durchschnittlichen Betriebsergebnisse der Apotheken von 204.000 Euro im Jahr 2021 auf 147.000 Euro im vergangenen Jahr. Zwar gebe es hier beachtliche Unterschiede hinsichtlich der Wirtschaftlichkeit. Eine gut situierte Minderheit der Apotheken – Zambo nennt ausdrücklich die Anbieter von Zytostatika – ziehe den Durchschnitt nach oben und verzerre das Gesamtbild.

Unterteilt man die Apotheken hinsichtlich ihrer jährlichen Betriebsergebnisse in drei Gruppen, zeigt sich, dass das obere Drittel mit einer Jahresbilanz von 291.000 Euro fast das Doppelte über dem Gesamtdurchschnitt liegt. Existenziell kritisch stelle sich die Lage für das untere Drittel dar, so Zambo. Hier würden Betriebsergebnisse „nahe Null“ erwirtschaftet.

Ursachen des Apothekensterbens

Natürlich konnte sie den anwesenden Abgeordneten auch die Gründe für die wirtschaftliche Schieflage und das Apothekensterben nennen: Fehlende Anpassung der Rx-Vergütung, die Erhöhung des Apothekenabschlags, Personalknappheit, Lieferengpässe und gestiegene Betriebs- und Personalkosten machen den Apotheken das Überleben schwer.

Für die nähere Zukunft befürchtet Zambo weitere Krisentreiber: Von den Apothekenreformplänen von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) sei kaum etwas Gutes zu erwarten. Hinzu kämen weitere Einbußen infolge des Skonto-Urteils von jährlich schätzungsweise 20.000 bis 25.000 Euro pro Apotheke. 

Weiterer Druck für die Apotheken vor Ort entstehe durch die holländischen Versender, die mit der Zulassung des CardLink-Verfahrens Wettbewerbsvorteile geltend machen könnten. Ungewiss ist auch, was die Tarifrunde 2024 bringt – Adexa fordert 10,5 Prozent mehr Gehalt. Zambo stellte klar: „Wir möchten unser Personal gut bezahlen.“ Dafür müsse aber auch das Geld zur Verfügung stehen.

Zambo beendete ihre Ausführungen mit einem dringenden Appell nach sofortiger Hilfe. Der Kassenabschlag müsse deutlich gesenkt und das Skonti-Verbot verhindert werden. Zudem forderte die LAV-Präsidentin eine kurzfristige Sicherstellungspauschale für Grundkosten, die sich aus der Apothekenbetriebsordnung ergeben. Dazu zählen etwa Kosten für die Sicherstellung von Mindestöffnungszeiten und die Warenbevorratung.

Mehrwert der Vor-Ort-Apotheke

Im Anschluss verdeutlichte Baden-Württembergs Kammerpräsident Martin Braun den Mehrwert der Apotheke vor Ort jenseits der nackten Zahlen. So sei das in diesem Jahr verbindlich eingeführte E-Rezept auf die Initiative der Apotheker:innen zurückzuführen. Bereits 1998 hatte der damalige Vorsitzende des Deutschen Apothekerverbandes (DAV) Hermann S. Keller angekündigt, man entwickle ein elektronisches Abrechnungssystem. Die Idee wurde nach der Jahrtausendwende von der damaligen Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) aufgegriffen. Trotz aller Probleme bei der Digitalisierung des Gesundheitssystems sei das E-Rezept ein Erfolg, der dem innovativen Geist der Apotheker:innen anzurechnen sei. Damit entstehe ein Mehrwert für die gesamte Gesundheitsbranche, so Braun: „Durch das E-Rezept rücken die Heilberufler zusammen.“

Sowohl LAV-Präsidentin Zambo als auch LAK-Präsident Braun sprachen den Apotheken eine „Lotsen“-Funktion zu. In Zeiten der Dunkelheit und Ungewissheit sollen sie anderen den Weg weisen, sie kennen die Untiefen des bevorstehenden Weges und verhindern den Schiffbruch.


Michael Zantke, Redakteur, DAZ
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

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von Karl Friedrich Müller am 10.04.2024 um 14:56 Uhr

28% Rückgang des Betriebsergebnises. Wow. Auch wenn diese Durchschnittsbilderei höchst problematisch ist. So ist davon auszugehen, dass die Wirklichkeit noch viel schlimmer ist.
Nicht nur kein Inflationsausgleich, sondern deftige negative Entwicklung. Und da kommt der HAB in Form von Seyfarth mit der Behauptung, ein € mehr würde genügen.
Da erreichen Sie vermutlich keinen Politiker argumentativ mehr. Schäuble schreibt in seinem Bich, dass es sich nur lohnt, sich für Dinge einzusetzen, für die eine Mehrheit gewonnen werden kann, durchführbar sind. Alles anderes ist verlorene Müh und den Einsatz nicht wert.
Lassen Sie das mal sacken. Wir Apotheken haben KEINE Fürsprecher, in keiner Fraktion.

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