GMP-Kontrollen in China ausgesetzt

Anti-Spionage-Gesetze gefährden Arzneimittellieferketten

Berlin - 29.05.2024, 07:00 Uhr

Eine Produktionsstätte für pharmazeutische Güter im chinesischen Chongqing. (Foto: IMAGO / CFOTO)

Eine Produktionsstätte für pharmazeutische Güter im chinesischen Chongqing. (Foto: IMAGO / CFOTO)


Weil China strengere Gesetze gegen Spionage erlassen hat, wird es für ausländische Unternehmen schwerer, an den dortigen Produktionsstandorten notwendige Kontrollen durchzuführen. Viele Unternehmen fürchten um die Sicherheit ihrer Mitarbeiter*innen. Im kommenden Jahr könnten sich deshalb Lieferengpässe verschlimmern.

Der sichere Import von Arzneimitteln und Wirkstoffen aus China wird durch verschärfte Sicherheitsbestimmungen gefährdet. Diese Sorge haben verschiedene Pharma-Verbände in den vergangenen Tagen geäußert. Bereits im Juli des vergangenen Jahres trat eine Änderung des sogenannten „Anti-Spionage-Gesetzes“ in China in Kraft. In der Folge machte sich unter ausländischen Unternehmen Unsicherheit breit, Mitarbeiter*innen könnten im Rahmen ihrer regulären Tätigkeit als Spione verurteilt werden.

Eine weitere Gesetzesänderung bereitet den Firmen zusätzliche Schwierigkeiten: Seit Anfang Mai dieses Jahres ist das erneuerte „Staatsgeheimnisgesetz“ in Kraft, dessen Geltungsbereich wurde auch auf „Arbeitsgeheimnisse“ erweitert. Damit können Mitarbeiter*innen ausländischer Firmen an der Ausreise gehindert werden, sofern durch sie „Arbeitsgeheimnisse“ bekannt würden, die „nachteilige Auswirkungen“ für den Staat und die Unternehmen Chinas haben könnten.

GMP-Inspektionen ausgesetzt

Für ausländische Pharmaproduzenten und -Importeure ist das ein großes Problem. Beim Import von Arzneimitteln und Wirkstoffen nach Deutschland ist eine regelmäßige Kontrolle der sogenannten guten Herstellerpraxis (good manufacturing practice, kurz GMP) notwendig. In der Regel müssen diese Kontrollen laut Arzneimittelgesetz alle drei Jahre erfolgen. Bisher seien für 2024 bereits 17 solcher GMP-Prüfungen in China bei den deutsche Gesundheitsbehörden angemeldet – ob diese durchgeführt werden ist ungewiss.

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Laut einer aktuellen Umfrage der „Welt am Sonntag“ erschwere die verschärfte Anti-Spionage-Gesetzgebung in China schon jetzt die Probleme bei der Arzneimittelversorgung in Deutschland. Von den 16 befragten Landesgesundheitsministerien gaben Hessen, Berlin und Schleswig-Holstein an, geplante Inspektionsreisen nach China aufgrund „erheblicher Sicherheitsbedenken“ für unbestimmte Zeit ausgesetzt zu haben.

Andere Bundesländer gaben zwar an, weiterhin Inspektionen durchführen zu können, jedoch unter „erschwerten Bedingungen“. Auch das Gesundheitsministerium von Baden-Württemberg prüfe derzeit, ob Inspektionsreisen zu chinesischen Pharmastandorten in diesem Jahr durchgeführt werden können. Dabei spielten „Fragen der Freiheit und Sicherheit“ für die Mitarbeiter*innen eine wichtige Rolle.

Pharmaproduzenten sind alarmiert

Vertreter der Pharmabranche zeigten sich besorgt über die Entwicklung: „Angesichts der vielen Lieferengpässe, mit denen Deutschland ohnehin schon kämpft, sollte die Politik sich hier schnellstmöglich um eine Lösung kümmern, um die Medikamentenversorgung der Bevölkerung zu sichern“, sagte Sebastian Schütze, Mitglied der Geschäftsführung des Bundesverbandes der Pharmazeutischen Industrie (BPI) gegenüber der „Welt am Sonntag“.

Ähnlich sieht das auch Pharma Deutschland (BAH): Die zuständige Expertin für GMP-Zertifizierungen bei Pharma, Fatima Bicane, sagte am vergangenen Mittwoch gegenüber der Stuttgarter Zeitung, sie höre überall davon, dass anstehende Prüfungen an chinesischen Produktionsstätten ausgesetzt werden. Insbesondere zum kommenden Jahr drohten deshalb massive Lieferengpässe, da viele Zertifikate abliefen. „Die Inspektionsaktivitäten in China müssten eigentlich intensiviert werden“, sagt Bicane. „Inspektoren sollten jeden Tag in China sein, um diesen Rückstand aufzuholen und möglichen Engpässen zuvorzukommen.“

Pharma-Deutschland-Präsidentin Dorothee Brakmann sieht hier die Politik in der Pflicht zu handeln. Sie fordert gegenüber der Stuttgarter Zeitung, „dass ein Bundesministerium die Federführung übernimmt in Kooperation mit den Ländern“. In China müssten die Verantwortlichen davon überzeugt werden, dass die Zertifizierungen im Interesse beider Seiten seien.


Deutsche Apotheker Zeitung
redaktion@daz.online


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