Morbus Crohn und Colitis ulcerosa

Entzündungsregulator bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen entdeckt

Stuttgart - 18.06.2024, 10:45 Uhr

Genetische Varianten von ETS2-regulierten Genen sind für die dysregulierten Makrophagen bei Morbus Crohn und Colitis ulcerosa verantwortlich, wie die Ergebnisse einer neu erschienenen Studie zeigen. (Foto: Gorodenkoff/AdobeStock)

Genetische Varianten von ETS2-regulierten Genen sind für die dysregulierten Makrophagen bei Morbus Crohn und Colitis ulcerosa verantwortlich, wie die Ergebnisse einer neu erschienenen Studie zeigen. (Foto: Gorodenkoff/AdobeStock)


Ungefähr 5 Prozent der Weltbevölkerung sind von autoimmunen oder entzündlichen Erkrankungen betroffen. Wie diese Krankheiten entstehen, ist weiterhin nebulös. Nun wurde ein Transkriptionsfaktor identifiziert, der wichtig für die deregulierte Immunreaktion ist und sich als Arzneimittel-Target eignet. 

ETS2 ist ein Transkriptionsfaktor, der die Behandlung von chronisch entzündlichen Darmerkrankungen einen großen Schritt vorwärtsbringen könnte. Wie Morbus Crohn und Colitis ulcerosa ausgelöst werden, ist bis heute nicht vollständig geklärt. Übermäßig aktivierte Makrophagen und bestimmte Cytokine spielen eine entscheidende Rolle. Die Therapie richtet sich hauptsächlich nach dem Management der Darmentzündung oder der Inhibition einzelner Entzündungsmediatoren. In einer im Fachjournal Nature veröffentlichte Studie wurde nun der Transkriptionsfaktor ETS2 in Makrophagen näher untersucht. Bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen reguliert das Molekül wohl über einen molekularen Signalweg die Inflammation und ist als Arzneimittel-Target geeignet.

ETS2 ist ein Transkriptionsfaktor, der als Teil eines Signalweges an Enhancer bindet, dadurch wird die Transkription von Genen verstärkt. Und die Gene, die ETS2 hochregulieren kann, haben es in sich, wie die Forschungsarbeit zeigt: Unter anderem durch eine Genom-weite Assoziationsstudie erkannte die Forschungsgruppe, dass Genvarianten bei von ETS2 regulierten Genen mit einem erhöhten Risiko für Morbus Crohn und Colitis ulcerosa einhergehen. Ungefähr 75 Prozent der Europäer und über 90 Prozent der Afrikaner trägt ein ETS2-Risiko-Allel. Auch andere entzündliche Erkrankungen wurden bereits mit ETS2-regulierten-Genen in Verbindung gebracht: Primär sklerosierende Cholangitis, Takayasu Arteriitis und Spondylitis ankylosans treten mit bestimmten Genvarianten, die über ETS2 aktiviert werden, statistisch häufiger auf.

Um der Funktion von ETS2 auf die Spur zu kommen, untersuchte die Forschungsgruppe Makrophagen, die den Transkriptionsfaktor über- oder unterexprimierten. Fast alle Entzündungsfunktionen von Makrophagen werden demnach von ETS2 reguliert. Auch die Produktion von Cytokinen, die bekannterweise bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen involviert sind, wie Tumornekrosefaktoren (TNF) oder Interleukin (IL)-23, wurden in den Analysen von ETS2 beeinflusst. Außerdem werden einige der bereits bekannten Risikogene für chronisch entzündliche Darmerkrankungen über den ETS2-Signalweg abgelesen. Makrophagen, die ETS2 überexprimierten, ähnelten in ihrer Cytokin-Aussschüttung krankheitsaktiven Entzündungszellen. Die Forschungsgruppe konkludierte: ETS2 ist der zentrale Regulator in Makrophagen im Rahmen von entzündlichen Vorgängen, wie sie bei Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa stattfinden.

Mehr zum Thema

Morbus Crohn und Colitis ulcerosa können sich auch außerhalb des Darms manifestieren

Entzündung auf Abwegen

Neues Arzneimittel-Target mit bekanntem Wirkstoff

Wie kann ETS2 als Target für Arzneimittel dienen? Spezifische ETS2-Inhibitoren gibt es bisher nicht. In silico konnten Mitogen-aktivierte extrazelluläre Signal-regulierte Kinase (MEK)-Inhibitoren den Signalweg, über den ETS2 aktiviert wird, blockieren. In Zellkulturen mit Makrophagen oder Darmmmukosa-Proben von Erkrankten funktionierte das ebenfalls. Die Produktion von TNF und IL-23 konnte so ebenfalls gesenkt werden. Die Forschungsgruppe arbeitet nun daran, MEK-Inhibitoren direkt in die Makrophagen zu schleusen, damit andere Organe von deren Wirkung verschont bleiben.

Christina Stankey, zusammen mit zwei Kollegen Erstautorin der Studie, verdeutlicht die Relevanz ihrer Forschung: „Chronisch entzündliche Darmerkrankungen und andere Autoimmunkrankheiten sind sehr komplex und weisen zahlreiche genetische und umweltbedingte Risikofaktoren auf. Einen der zentralen Signalwege zu finden und zu zeigen, wie dieser mit einem bestehenden Wirkstoff ausgeschaltet werden kann, ist ein großer Schritt nach vorn.“


Juliane Russ, M.Sc., DAZ-Redakteurin
jruss@dav-medien.de


Diesen Artikel teilen:


0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.