MedizinForschungsgesetz

Ampel-Abgeordnete feilen bei Erstattungsbeträgen und Leitplanken nach

Berlin - 03.07.2024, 12:15 Uhr

Paula Piechotta (Grüne) hat mit dafür gesorgt, dass der MFG-Entwurf nachgeschliffen wurde.   (Foto: IMAGO / dts Nachrichtenagentur)

Paula Piechotta (Grüne) hat mit dafür gesorgt, dass der MFG-Entwurf nachgeschliffen wurde.   (Foto: IMAGO / dts Nachrichtenagentur)


Der Bundestag will vor seiner Sommerpause das Medizinforschungsgesetz unter Dach und Fach bringen. Diesen Mittwoch hat der Gesundheitsausschuss noch einige Änderungsanträge beschlossen. So wurde bei den umstrittenen vertraulichen Erstattungsbeträgen nachgebessert. Zudem soll es für die Pharmaunternehmen unter gewissen Voraussetzungen Lockerungen bei den AMNOG-Leitplanken geben.

Mit dem Medizinforschungsgesetz (MFG) will die Ampel-Koalition die Rahmenbedingungen für die Entwicklung, Zulassung und Herstellung von Arzneimitteln und Medizinprodukten verbessern. So sollen klinische Prüfungen und das Zulassungsverfahren vereinfacht, entbürokratisiert und beschleunigt werden. Strahlenschutzrechtliche Anzeige- und Genehmigungsverfahren sollen mit Verfahren zur Genehmigung einer klinischen Prüfung mit Arzneimitteln verzahnt werden. Dies und mehr soll den Standort Deutschland in der medizinischen Forschung stärken und den Zugang zu neuen Therapieoptionen beschleunigen, heißt es im Gesetzentwurf.

In der Öffentlichkeit hitzig diskutiert wurde vor allem der Plan, dass die Erstattungsbeträge, die pharmazeutische Unternehmen und GKV-Spitzenverband nach der erfolgten frühen Nutzenbewertung eines neuen Arzneimittels vereinbaren, künftig auch vertraulich bleiben können. Dahinter steckt, dass Deutschland als Referenzpreisland in der EU gilt und die Industrie vor einer möglichen Preisspirale nach unten geschützt sein soll, wenn die deutschen Preise sehr niedrig sind. Vor allem bei den Krankenkassen stieß das Vorhaben auf erheblichen Widerstand. Doch selbst die Industrie, der die Regelung eigentlich entgegenkommen soll, hielt sich mit Jubel zurück. Wichtiger schien den Pharmaverbänden zu sein, dass der Gesetzgeber die sogenannten Leitplanken für die Preisverhandlungen nachbessert. Diese waren Ende 2022 mit dem GKV-Finanzstabilisierungsgesetz eingeführt worden und geben Preisobergrenzen in Abhängigkeit der Vergleichstherapie und des Ergebnisses der Nutzenbewertung vor.

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Nun wollen die Ampelfraktionen unter anderem an diesen beiden neuralgischen Punkten den Gesetzentwurf nachjustieren. Der Gesundheitsausschuss des Bundestags hat diesen Mittwoch seine Beratungen zum MFG abgeschlossen. Wenn sich der Bundestag am morgigen Donnerstag nochmals mit dem Gesetzentwurf befasst und ihn beschließt, wird er um 26 Änderungsanträge ergänzt sein.

Korrektur der AMNOG-Leitplanken 

Die Grüne-Bundestagsabgeordnete Paula Piechotta, Berichterstatterin ihrer Fraktion für Arzneimittel und Medizinprodukte, zeigt sich in einem Statement erleichtert: „In diesem Gesetz mussten wir als Abgeordnete viel neu verhandeln, denn der Regierungsentwurf war mehr als unausgewogen. Wir entbürokratisieren und beschleunigen klinische Studien und stärken die pharmazeutische Industrie da, wo es Sinn macht.“ So könnten auch Arzneimittel mit geringem Zusatznutzen wieder besser bezahlt werden, wenn das Unternehmen in Deutschland forscht.

Konkret werden Arzneimittel, deren klinische Prüfungen zu einem relevanten Anteil hierzulande durchgeführt wurden, von den „Leitplanken“ für die Preisverhandlungen befreit und so die Vereinbarung höherer Erstattungsbeträge ermöglicht. Auch die Patienten sollen profitieren: „Lassen pharmazeutische Unternehmer ihre klinischen Prüfungen an deutschen Studienzentren durchführen, erhalten Versicherte frühen Zugang zu dem betreffenden Arzneimittel“, heißt es im entsprechenden Änderungsantrag.

Vertrauliche Erstattungsbeträge unter erschwerten Bedingungen

Piechotta weiter: „Gleichzeitig haben wir den unsäglichen Vorschlag geheimer Arzneimittelpreise stark beschnitten, den das gesamte Gesundheitswesen inklusive der Mehrzahl der Hersteller abgelehnt hat: Dieser wird nur für dreieinhalb Jahre gelten und dann automatisch auslaufen.“

Anders als ursprünglich vorgesehen soll der pharmazeutische Unternehmer die Vertraulichkeit nun erst verlangen können, wenn der Erstattungsbetrag verbindlich feststeht (fünf Tage hat er dafür ab diesem Tag Zeit). Tut er dies, reduziert sich der Erstattungsbetrag für die Dauer des Unterlagenschutzes um einen Abschlag von 9 Prozent. So will man sicherstellen, dass nicht nur der Unternehmer von der fehlenden Preisreferenzierung etwas hat, sondern auch die Kostenträger und damit letztlich auch die Versicherten. Zusätzliche Bedingung ist, dass der Hersteller dem GKV-Spitzenverband „geeignete Unterlagen vorlegt, anhand derer er eine Arzneimittelforschungsabteilung im Unternehmen und zusätzlich relevante eigene Projekte und Kooperationen mit öffentlichen Einrichtungen in präklinischer oder klinischer Arzneimittelforschung in Deutschland nachweisen kann“. Die Vertraulichkeitsoption ist zudem zeitlich begrenzt: Das Bestimmungsrecht gilt nur für Vereinbarungen, die bis zum 30. Juni 2028 zustande kommen. Man will erst einmal beobachten, wie sich die Neuregelung bewährt – die Entscheidung über eine mögliche Verlängerung oder Entfristung obliegt dem Gesetzgeber. Daher ist auch ein Evaluationsbericht bis Ende 2026 vorgesehen. Weiterhin sollen Generikahersteller zur Preisfindung ein Jahr vor Ablauf des Unterlagenschutzes vom GKV-Spitzenverband Auskunft über den vertraulichen Erstattungsbetrag erhalten.

Weitere Änderungsanträge betreffen unter anderem die Anerkennung von Drittlandinspektionen, die Schaffung eines indikationsbezogenen ATMP-Registers (Register für Arzneimittel für neuartige Therapien – Advanced Therapy Medicinal Products), aber auch Änderungen bei den Ethik-Kommissionen. Piechotta hebt noch hervor, dass die Besetzung der Bundesethikkommission so angepasst wurde, dass die Mitglieder deutlich unabhängiger vom Gesundheitsminister ernannt werden.

Piechotta hofft künftig auf Gesetzentwürfe von höherer Qualität

Die Grünen-Abgeordnete ist überzeugt: „Die jetzt vereinbarten Anreize für Unternehmen sind deutlich zielgerichteter in der Lage, Arzneimittel-Investitionen ins Land zu holen als die Ideen aus dem Kanzleramt und dem Bundesgesundheitsministerium. Gleichzeitig behalten sie die Interessen der Versicherten besser im Blick.“ Sie hoffe, „dass die nächsten Gesetzentwürfe der Bundesregierung das Parlament wieder mit höherer Qualität erreichen, als wir das bei diesem Gesetz erleben mussten.“

BPI: Stabile Rahmenbedingungen sind das A und O

Eine erste positive Reaktion kam vom Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI): „Wir begrüßen, dass der Gesetzgeber das Problem der sogenannten AMNOG-Leitplanken nun grundsätzlich anerkennt – wenn auch nur für ein Teilsegment der betroffenen Arzneimittel. Es ist ein Anfang“, so Hauptgeschäftsführer Kai Joachimsen. Allerdings seien die AMNOG-Leitplanken für alle betroffenen AMNOG-Arzneimittel hoch problematisch, da sie Forschungsanreize zerstörten. Auch die vertraulichen Erstattungsbeträge würden nun sehr unattraktiv. Der vorgesehene „nachgelagerte Abschlag“ von neun Prozent treffe Arzneimittel, deren Erlössituation bereits prekär sei. „Doch für die pharmazeutische Industrie sind aufgrund der langen Zeiträume von der Forschung/Entwicklung bis zur Zulassung praktikable und stabile Rahmenbedingungen das A und O“, betont Joachimsen.

Ersatzkassen noch immer nicht zufrieden

Der Verband der Ersatzkassen (vdek) ist trotz eines gewissen Entgegenkommens der Politik noch immer unzufrieden: Die neue Regelung zu den vertraulichen Erstattungsbeträgen sei noch immer zu aufwendig und bürokratisch. „Besser wäre es gewesen, die Regelung ganz zu streichen.“ Das gelte auch für die geplanten Einschränkungen bei den AMNOG-Leitplanken. Es sei nicht nachzuvollziehen, warum die GKV mit höheren Preisen für die Förderung des Forschungsstandorts Deutschland bezahlen solle. 


Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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