Vertrauliche Erstattungsbeträge

Elefant im Raum: Bundestag berät Medizinforschungsgesetz

Berlin - 07.06.2024, 12:15 Uhr

Bei der Vorstellung des Medizinforschungsgesetzes am Donnerstag im Bundestag: Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD). (Foto: IMAGO / dts Nachrichtenagentur)

Bei der Vorstellung des Medizinforschungsgesetzes am Donnerstag im Bundestag: Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD). (Foto: IMAGO / dts Nachrichtenagentur)


Die im Entwurf für das Medizinforschungsgesetz vorgesehenen vertraulichen Erstattungsbeträge bei patentgeschützten Arzneimitteln hatten in den vergangenen Wochen zu viel Ablehnung im Gesundheitswesen geführt. Bei der 1. Lesung im Bundestag versuchten die meisten Rednerinnen und Redner das Thema zu umschiffen.

Verbesserung der Zusammenarbeit der Arzneimittelbehörden, beschleunigte Bewertung mononationaler klinischer Prüfungen, Erleichterungen bei strahlenschutzrechtlichen Forschungsvorhaben: Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) will mit dem Medizinforschungsgesetz (MFG) laut eigenen Angaben „die Rahmenbedingungen für die Entwicklung, Zulassung und Herstellung von Arzneimitteln und Medizinprodukten in Deutschland“ verbessern. An diesem Donnerstag wurde es im Bundestag in 1. Lesung beraten – und der Elefant im Raum wurde in der etwa 50-minütigen Debatte von den Rednern mehrheitlich ignoriert.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) sprach von einem „sehr wichtigen Gesetz“. Es verbinde den Ausbau des Forschungsstandorts, das Bekenntnis zum Produktionsstandort und verbessere die Versorgung. Man sei „ideologiefrei“ an die Sache herangegangen.

„Blüte an Ansiedlungen“

Er betonte, dass das Gesetz bereits von vielen Arzneimittelherstellern erwartet werde. Die „Blüte an Ansiedlungen“ der vergangenen Monate, beispielsweise der Pharmaunternehmen Eli Lilly und Roche, stehe mit dem Gesetz in Zusammenhang. Investitionen seien „explizit“ mit dem geplanten MFG begründet worden.

Jan-Niclas Gesenhues, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz, hob hervor, dass es sich bei den neuen Bestimmungen zum Strahlenschutzrecht um keine „kleinen Schönheitsreparaturen“ handele, sondern um eine „grundlegende Reform bei Strahlenschutzanwendungen in der medizinischen Forschung“. Man bringe damit auch wesentliche Entlastungen für die Wirtschaft und die Industrie auf den Weg sowie Einsparungen im hohen dreistelligen Millionenbereich pro Jahr.

Bundesethikkommission als Doppelstruktur

Von der Union gab es vor allem Kritik an der Bundesethikkommission, die neu eingerichtet werden soll. Es gebe bereits 33 Ethikkommissionen, so Hubert Hüppe, er verstehe nicht, warum noch eine hinzukommen müsse. Auch Erich Irlstorfer monierte, es würden „Doppelstrukturen“ aufgebaut.

Das Reizthema bezüglich des Gesetzes sparten allerdings sowohl konservative Oppositionspolitiker als auch die meisten Abgeordneten der Regierungsseite aus: die vertraulichen Erstattungsbeträge bei patentgeschützten Arzneimitteln.

Noch bevor das Kabinett den Entwurf beschlossen hatte, entspann sich insbesondere um diese ein Streit. Seither haben neben Vertretern der gesetzlichen und privaten Krankenversicherung auch der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA), der Bundesrat, die Ärzteschaft und auch einige Pharmaverbände und -unternehmen die Geheimpreise abgelehnt.

Geheimpreise: „Ein bisschen der Fremdkörper“

In der Debatte im Bundestag griff zuerst die Haushaltspolitikerin Paula Piechotta von Bündnis 90/Die Grünen das Thema auf. Sie betonte zunächst, dass es große Einigkeit bei Detailfragen des Gesetzes gebe, die Geheimpreise seien allerdings „ein bisschen der Fremdkörper“ in dem Entwurf. Der Punkt ziehe „die Gegnerschaft des gesamten Gesundheitswesens“ auf sich. Ihre Empfehlung: es wie 2016 zu machen, als die vertraulichen Erstattungsbeträge ebenfalls gesetzlich festgeschrieben werden sollten, dann aber im parlamentarischen Verfahren gestrichen wurden.

Während auch der CDU-Abgeordnete Erwin Rüddel in einem Satz seine Ablehnung der Geheimpreise zum Ausdruck brachte, nutzte die gesundheitspolitische Sprecherin der Partei die Linke, Kathrin Vogler, ihre gesamte Redezeit zu dem Thema. Wie Piechotta kam sie auf das Jahr 2016 zu sprechen. Sie erinnerte: Als der damalige Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) die vertraulichen Erstattungsbeträge hatte einführen wollen, habe Lauterbach das noch als „inakzeptabel“ bezeichnet.

Vogler: „Lex Lilly“

Sie sprach von dem Gesetz als „Lex Lilly“ – Regierungsvertreter wie Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und auch Lauterbach hätten sich in den vergangenen Monaten siebenmal mit dem Pharmaunternehmen getroffen, nur einmal sei nicht über das Gesetz gesprochen worden. Auch wenn Eli Lilly nun plane, in Alzey in Rheinland-Pfalz tausend Jobs zu schaffen, so Vogler, sei der Linken der Preis dafür zu hoch, wenn der Kanzler sich zum Lobbyisten mache.


Matthias Köhler, DAZ-Redakteur
redaktion@daz.online


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