- DAZ.online
- News
- Pharmazie
- Risikofaktoren für ...
Studie ermittelt
Risikofaktoren für Hydroxychloroquin-Retinopathie
Die Hydroxychloroquin-Retinopathie ist eine seltene, aber gefürchtete Nebenwirkung des Aminochinolins. Um die Augenerkrankung früh zu erkennen, wurden in einer aktuellen amerikanischen Studie wichtige Risikofaktoren analysiert, die eine Retinopathie begünstigen. Neben bereits bekannten Faktoren wie Anwendungsdauer und Dosis können weibliches Geschlecht, höheres Alter, Nierenerkrankungen und die Einnahme von Tamoxifen das Retinopathie-Risiko erhöhen.
Hydroxychloroquin (HCQ) wird bei rheumatoider Arthritis (RA), systemischem Lupus erythematodes (SLE), zur Malariaprophylaxe und zur Therapie von unkomplizierter Malaria eingesetzt. Hydroxychloroquin lagert sich, genauso wie sein Strukturanalogon Chloroquin, im Verlauf der Therapie in den Organen ein. Häufig treten während der Einnahme gastrointestinale Störungen, Hautreaktionen und Kopfschmerzen auf. Sehr selten sind Blutbildveränderungen wie eine Agranulozytose, Myopathien, toxische Leberschäden und Kardiomyopathien [2].
Mehr zum Thema
Interaktionen, Alter und Nierenfunktion berücksichtigen
Wirkstoffauswahl: Bunte Vielfalt der DMARDs
Die beiden Malariamittel Hydroxychloroquin und Chloroquin können beide eine Retinopathie auslösen. Chloroquin wird allerdings nicht mehr für die Therapie von Autoimmunerkrankungen empfohlen, da die okuläre Toxizität und das Risiko für Kardiomyopathien sowie muskuläre Nebenwirkungen höher sind als unter Hydroxychloroquin [3]. Da das Risiko für eine Retinopathie mit der Dosis und der Dauer der Einnahme steigt, soll Hydroxychloroquin in der antirheumatischen Therapie nicht über 5 mg/kg des tatsächlichen Körpergewichts dosiert werden. Die leitliniengerechte Therapie der rheumatoiden Arthritis empfiehlt den Einsatz von Hydroxychloroquin in Kombination mit Methotrexat und z. B. Sulfasalazin [4].
Hydroxychloroquin potenziell toxisch für die Retina
Durch Einlagerung des Chinolin-Derivats in die Hornhaut können reversible Hornhauttrübungen entstehen. Sehr selten kann sich bei langfristiger Einnahme eine Retinopathie entwickeln. Bei einer Langzeittherapie, wie es bei Autoimmunerkrankungen (rheumatoider Arthritis oder Lupus erythematodes) der Fall ist, können sich Chloroquin und sein Derivat Hydroxychloroquin aufgrund ihrer Affinität zu Melanin in der Pigmentschicht der Netzhaut einlagern. Es kommt zur Degeneration von Photorezeptoren und anderer retinaler Zellen, wodurch schwerste irreversible Augenschäden bis hin zum Visusverlust auftreten können. Diese Retinopathie ist zwar selten, aber irreversibel. Nach Absetzen der Medikation kann die Zellschädigung weiter fortschreiten. Eine Retinopathie sollte früh erkannt werden, bevor das retinale Pigmentepithel geschädigt wird. Aber die Symptome der Chloroquin-Retinopathie entwickeln sich oft schleichend und unbemerkt, was die Diagnose erschwert.
Durch Bestimmung von Netzhautläsionen Progression vermindern
Retinopathie früh erkennen
Frühe Symptome können unspezifisch sein:
- eine leichte Verschlechterung der Sehschärfe,
- Schwierigkeiten bei der Anpassung an dunkle Lichtverhältnisse oder eine
- Verzerrung der zentralen Sicht.
Augenscreenings sind von großer Bedeutung, um früh die Diagnose stellen zu können. Das Toxizitätsrisiko liegt bei empfohlener Hydroxychloroquin-Dosierung in den ersten fünf Jahren unter 1% und steigt nach zehn Jahren auf unter 2%. Nach 20 Jahren steigt das Risiko allerdings stark, auf bis zu 20%. Bei Patienten, die eine erhöhte Tagesdosis (> 5 mg Hydroxychloroquin/kg Körpergewicht) erhalten, oder bei Vorliegen von Risikofaktoren ist das Risiko zusätzlich erhöht. Bisher waren neben
- der Dauer der Anwendung und
- dem Überschreiten der empfohlenen täglichen Dosis auch Risikofaktoren wie
- eine Erkrankung der Nieren,
- die Einnahme von Tamoxifen und
- eine bereits vorbestehende retinale oder makuläre Erkrankung
von Bedeutung.
Retinopathie-Screening
Zu Beginn einer längerfristigen Einnahme von Hydroxychloroquin sollte innerhalb der ersten sechs Monate eine augenärztliche Basisuntersuchung erfolgen. Nach fünf Jahren Einnahmedauer wird eine jährliche augenärztliche Kontrolle für Patienten ohne Risikofaktoren empfohlen. Bei Patienten mit erhöhtem Retinopathie-Risiko wird bereits nach einer Einnahmedauer von einem Jahr eine jährliche Kontrolle empfohlen [5]. Bislang sind die Auswirkungen von Risikofaktoren auf das Retinopathie-Risiko allerdings nur wenig untersucht.
US-amerikanische Kohortenstudie
Die vorliegende US-amerikanische Kohortenstudie ermittelte Risikofaktoren für die Hydroxychloroquin-Retinopathie, die über Anwendungsdauer und verwendete Dosis hinausgehen. Die Studiendaten wurden durch das Kaiser-Permanente-Northern California(KPNC)-Gesundheitsnetzwerk gewonnen. Es wurden Daten von 4677 Patienten ausgewertet, die vom 1. Juli 1997 bis zum 31. Dezember 2014 im KPNC registriert wurden und mit der Einnahme von Hydroxychloroquin begonnen hatten. Die Probanden waren 18 Jahre oder älter und hatten sich nach fünf Jahren HCQ-Einnahme einem Retinopathie-Screening unterzogen. 82,8% der Probanden waren weiblich, und das mittlere Alter zu Beginn der Hydroxychloroquin-Einnahme lag bei 52,4 Jahren. Die Nachbeobachtungszeit betrug bis zu 15 Jahre und endete am 31. Dezember 2020. Durch die Datenbank waren Aufzeichnungen über demografische Daten, Medikationspläne, Labordaten und digitale Bilder der optischen Kohärenztomografie (OCT) der eingeschriebenen Probanden zugänglich. Die OCT-Aufnahmen wurden im Rahmen des routinemäßigen HCQ-Retinopathie-Screenings angefertigt. Zusätzlich enthält die Datenbank des US-Gesundheitsnetzwerks Aufzeichnungen der Apotheke zu allen Abgaben von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln. Die Patienten wurden von Beginn der HCQ-Einnahme bis zum letzten Retinopathie-Screening nachverfolgt. Beginn der Analyse auf Risikofaktoren war das erste Screening nach fünf Jahren, ab diesem Zeitpunkt starten die empfohlenen jährlichen Retinopathie-Screenings. Die Ergebnisse der OTC-Scans wurden durch erfahrene Augenärzte beurteilt, und die früheste auffällige Untersuchung wurde als Beginn der Retinopathie dokumentiert. Die Retinopathie-Fälle wurden anhand der Lokalisation der Netzhautschädigung in die Subtypen parafoveale und perizentrale Retinopathie eingeteilt.
Untersuchte Risikofaktoren
Da Hydroxychloroquin zu 25 bis 40% über die Nieren eliminiert wird, wurden
- chronische Nierenerkrankungen und eine eingeschränkte Nierenfunktion als Risikofaktoren für eine Retinopathie untersucht.
- Lebererkrankungen wurden ebenfalls als Risikofaktor eingestuft, da unter anderem CYP2D6, CYP2C8 und CYP3A4 beim Metabolismus eine Rolle spielen.
- Auch die zusätzliche Einnahme von Tamoxifen, welches ebenfalls eine Retinopathie auslösen kann, sowie weitere Faktoren wie
- das Alter bei Beginn der HCQ-Einnahme,
- das Geschlecht,
- ethnische Zugehörigkeit,
- Indikation der HCQ-Therapie (SLE, RA oder andere Indikationen) und
- Typ-2-Diabetes
wurden als potenzielle Risikofaktoren analysiert. Aus den Apothekenabrechnungen wurden die gewichtsbezogenen HCQ-Dosen in mg/kg/Tag berechnet.
Frauen haben höheres Retinopathie-Risiko
Innerhalb von 15 Jahren entwickelten 125 Patienten eine Retinopathie, davon wiesen 102 ein parafoveales und 23 ein perizentrales Muster auf. Der mittlere Zeitraum zwischen der letzten unauffälligen Untersuchung bis zum ersten auffälligen Screening betrug 1,6 Jahre. Ein höheres Alter zu Beginn der HCQ-Therapie war mit einem erhöhten Retinopathie-Risiko verbunden. Im Vergleich zu Probanden unter 45 Jahren stieg die Hazard Ratio (HR) bei den 45- bis 54-Jährigen auf 2,48 (95%-Konfidenzintervall [KI] = 1,28 bis 4,78), bei den 55- bis 64-Jährigen auf 3,82 (95%-KI = 2,05 bis 7,14) und auf 5,68 (95%-KI = 2,99 bis 10,79), wenn die Teilnehmer über 65 Jahre waren. Frauen hatten im Vergleich zu Männern ein höheres Risiko, eine Retinopathie zu entwickeln (3,83 [95%-KI = 1,86 bis 7,89]). Ein erhöhtes Retinopathie-Risiko haben Patienten mit einer chronischen Niereninsuffizienz, besonders bei einer eGFR unter 60 ml/min/1,73 m2 (1,95 [95%-KI = 1,25 bis 3,04]). Auch eine Korrelation zwischen der Anwendung von Tamoxifen und dem Retinopathie-Risiko war zu erkennen, von den 18 Tamoxifen-Anwenderinnen entwickelten drei eine Retinopathie (3,43 [95%-KI = 1,08 bis 10,89]). Im Gegensatz dazu waren die Einnahme von CYP-Hemmern, Diabetes, die Indikation der HCQ-Einnahme und Lebererkrankungen nicht mit dem Risiko einer Retinopathie assoziiert.
Die vorliegende Studie liefert Erkenntnisse für andere wichtige Risikofaktoren für die HCQ-induzierte Retinopathie neben der Hydroxychloroquin-Exposition selbst. Bei Langzeitanwendung sollten Faktoren wie weibliches Geschlecht, höheres Alter, eingeschränkte Nierenfunktion und die Einnahme von Tamoxifen berücksichtigt werden, um gegebenenfalls Dosierung und Abstand der Screening-Intervalle anzupassen.
Literatur
[1] Jorge AM, Melles RB, Marmor MF et al. Risk Factors for Hydroxychloroquine Retinopathy and Its Subtypes. JAMA Network Open Rheumatology 2024; doi:10.1001/jamanetworkopen.2024.10677
[2 Praxisorientierte Information für Ärzte zur Therapie mit Hydroxychloroquin von der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie e. V., Stand Juni 2024, https://dgrh.de/dam/jcr:880b3cd1-3550-4c29-b78f-17bc79d4e67c/393_79_s1_Issue_PrintPDF.PDF
[3] Fiehn C, Ness T, Weseloh C et al. Sicherheitsmanagement der Therapie mit Antimalariamitteln in der Rheumatologie. Interdisziplinäre Empfehlungen auf der Basis einer systematischen Literaturrecherche. Z Rheumathol 2020; https://doi.org/10.1007/s00393-020-00751-0
[4] Interdisziplinäre Leitlinie zum Management der frühen rheumatoiden Arthritis unter Federführung der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie e. V., Stand Juni 2024, https://register.awmf.org/assets/guidelines/060-002l_S3_Fruehe_Rheumatoide-Arthritis-Management_2019-12_01.pdf
[5] Marmor MF, Kellner U, Lai TYY et al. Recommendations on Screening for Chloroquine and Hydroxychloroquine Retinopathy (2016 Revision). Ophthalmology 2016; https://doi.org/10.1016/j.ophtha.2016.01.058
0 Kommentare
Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.