Kosten versus Nutzen

Die eigene Apotheke als regionale Marke: Lohnt sich der Aufwand?

14.08.2024, 13:45 Uhr

Die MediosApotheken haben sich mir ihren vier Standorten in Berlin (hier Oranienburger Tor) als Marke vor Ort etabliert. (Foto: Medios Apotheken)

Die MediosApotheken haben sich mir ihren vier Standorten in Berlin (hier Oranienburger Tor) als Marke vor Ort etabliert. (Foto: Medios Apotheken)


Ein Marke zu etablieren und zu pflegen ist kostspielig. Dies soll sich zum einen dadurch wieder amortisieren, dass die Absatzmenge über die Bekanntheit gesteigert werden soll. Zum anderen reagieren Verbraucher bei den Preisen von etablierten Marken offenbar weniger sensibel reagieren. Somit ist ein auch im Vergleich zum Wettbewerb etwas höherer Preis zu realisieren. Was bedeutet das für die Apotheke vor Ort? 

Die Definition einer Marke hat sich in den letzten 20 Jahren deutlich weiterentwickelt. Galt eine Marke lange Zeit lediglich als physisches Kennzeichen für die Herkunft eines Markenartikels und offenbarte damit dem Kunden in erster Linie, wer Hersteller oder Anbieter eines Produkts oder einer Dienstleistung ist, geht das heutige Verständnis von Marken weit darüber hinaus. Früher wie heute gilt, dass Marken in gleicher Aufmachung – gerade durch die spezifische Art der Markierung – und ubiquitär erhältlich sind, also überall. Daraus folgerten die ersten Markenforscher im deutschsprachigen Raum als Konsequenz für eine in sich stimmige Markenführung eine starke und intensive Verbraucherwerbung und auf dieser Grund­lage eine hohe und dauerhafte Anerkennung im Markt. Dies geht mit einem wahrnehmbaren Qualitätsversprechen der Marke einher.

Heute bedarf es aber deutlich mehr, um als Marke erfolgreich zu sein. Nicht nur Produkte können Marken sein, sondern auch Dienstleistungen, Ideen und Menschen können Markenstatus erreichen. Und dies trifft auch für Handelsgeschäfte und damit ebenso auf Apotheken zu, egal ob diese als Filialsystem arbeiten oder eben nur eine oder zwei Verkaufsstellen haben. Die Kriterien, wie sie ursprünglich für Fertigwaren im Sinne von Produkten für Marken festgelegt worden waren, lassen sich mit leichten Anpassungen auch auf Handelsgeschäfte übertragen. Im Übrigen erfüllt auch ein Gutteil der Handelsmarken bzw. der Eigenmarken die Anforderungen an einen Markenartikel, sodass es aus Kundensicht kaum noch maßgeblich ist, ob es sich um einen klassischen Markenartikel handelt oder um eine von einem Handelsunternehmen in den Verkehr gebrachte Eigenmarke.

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Apotheken sind Handels­geschäfte im weiteren Sinne

Apotheken sind von ihrem Wesen zwar in vielen Punkten von Einzelhandelsgeschäften abzugrenzende Verkaufsstellen, Kunden differenzieren hier aber weniger spitz, denn es handelt sich aus ihrer Sicht um ein Ladenlokal, welches sich zum Zweck des Einkaufs von zuvor definierten Artikeln aufsuchen lässt. Deshalb können Apotheken als Handelsgeschäfte im weiteren Sinne interpretiert werden und demnach auch als Marke im aktuellen Begriffsverständnis auftreten.

Vier Markenebenen

Betrachtet man nun Apotheken näher, können vier Markenebenen dort auf­einandertreffen:

  • Das Apotheken-A: Durch die hohe gesetzliche Regelungsdichte sind Apotheken per se schon durch das gotische Apotheken-A markiert und im definitorischen Sinne als Markenkonzept hinterlegt, denn durch die enge und strenge Regulatorik grenzen sich Apotheken von anderen Verkaufsstellen ab, die ggf. ebenfalls Gesundheitsprodukte führen wie Reformhäuser, Drogerien, Lebensmitteleinzelhändler und Naturkostfachhandel. Durch den vom Gesetzgeber auferlegten rechtlichen Rahmen wird den Apotheken eine Abgrenzung zu diesen Formaten gesichert, gleichzeitig schränken diese gesetzlichen Rahmenbedingungen aber auch die Möglichkeiten der Markenbildung ein, weil eben alles, was getan wird, nur in diesem recht engen gesetzlichen Korsett erlaubt ist.
  • Der Name der Apotheke: Auf der zweiten Ebene erfolgt dann die Markierung durch den konkreten Namen der Apotheke, z. B. als Adler-Apotheke, Hirsch-Apotheke oder Schwanen-Apotheke. Es bleibt dann bei einer Markierung, wenn die Apotheke daraus keine ergänzenden Botschaften ableitet und ausschließlich den vorgegebenen gesetzlichen Rahmen erfüllt. Durch das Fremd- und Mehrbesitzverbot sind Apotheken hinsichtlich der Anzahl der unter einheitlicher Leitung laufenden Verkaufsstellen deutlich begrenzt, sodass sich zu Recht die Frage stellt, ob sich eine Marken­führung für bis zu vier Apotheken explizit lohnt. Gleichwohl wird die regionale oder lokale Marke der Apotheke insbesondere durch die dort handelnden Personen geprägt, denn gerade in der Beratung machen sich Unterschiede zu anderen Apotheken deutlich stärker bemerkbar als im Sortiment.
  • Die Kooperation: Ist die Apotheke darüber hinaus Mitglied in einer Kooperation, die auch auf Endkundenseite wahrgenommen werden will, kommt die dritte Markenebene in Apotheken ins Spiel. Die Markenkonzepte der einschlägigen Apothekenkooperationen unterscheiden sich tatsächlich stark darin, wie intensiv neben dem eigenen Namen die Kooperation in den Vordergrund gerückt wird. Diesen Spagat kennen wir von anderen Einzelhandelsbranchen. Während bspw. die Intersport den Namen des Sportfachhändlers dominiert, tritt bei Parfümerien der Kooperation Beauty Alliance der Name der Parfümerie in den Vordergrund, im Zweifel erkennt der Kunde gar nicht, dass das Geschäft zu einer Kooperation gehört und schon gar nicht zu welcher. Oder aber er verbindet den Namen der Kooperation mit einem Label des Geschäfts selbst. Im Buchhandel gibt es bspw. Kooperationen, die nicht nach außen treten, sondern sich darauf konzentrieren, die einzelnen Geschäfte in ihrer eigenen Markenführung optimal zu unterstützen. Demnach ergeben sich daraus ggf. auch Anforderungen für Apotheken aus der Markenführung der Kooperation heraus. So sind die Kooperationsnamen beispielsweise durch Logos und andere Markenzeichen sichtbar anzubringen. Und auch die konzeptionellen Schwerpunkte sind in der Offizin umzusetzen, was auch nachvollziehbar ist, denn ansonsten stellt sich zu Recht die Frage, warum die Apotheke Mitglied in einer Kooperation ist, wenn sie nicht den Mehrwert der Kooperation lebt. Aus diesen bislang beschriebenen drei Ebenen können sich aber bereits deutliche Konflikte ergeben. Verträgt sich bspw. das Konzept einer Kooperation immer und in jedem Punkt mit der aus Sicht der regionalen Apotheke notwendigen Schwerpunktbildung am konkreten Standort? Oder sind Kooperationskonzepte an jeder Stelle kompatibel mit der Botschaft des gotischen Apotheken-A usw.?
  • Hersteller-Marken: Auf der vierten Ebene darf nicht vergessen werden, dass Apotheken Hersteller-Marken in ihrem Sortiment führen, die zum Teil erhebliche Werbeaufwände betrieben haben, die sie über eine enge Zusammenarbeit mit der Apotheke besonders promoten wollen. Manche Hersteller hatten dies in der Vergangenheit genutzt, um Apotheken besonders stark an das Unternehmen zu binden und dies auch bspw. mit einem Logo an der Außenfassade zu dokumentieren. Andere binden Apotheken durch starke Verkaufsförderungsaktionen mit einschlägigem Visual Merchandising-Material an sich, sodass auch hieraus eine gewisse Nähe von Pharmaunternehmen und Apotheke nach außen hin demonstriert wird.

Lohnt sich der Aufwand?

In diesem Konzert unterschiedlicher Markenebenen stellt sich nun für die regionale Apotheke – selbst wenn sie die Möglichkeiten der Öffnung dreier weiterer Standorte realisiert hat – die betriebswirtschaftliche Frage, ob der Aufwand einer Markenbildung, Markenführung und schließlich dauerhaften Markenpflege betrieben werden soll oder eher nicht, da der daraus erzielbare Zusatzertrag den Aufwand nicht rechtfertigt. Denn im Sortiment können sich Apotheken zwar unterscheiden, durch den Kontrahierungszwang sind die Unterschiede aber weniger stark ausgeprägt als bspw. zwischen zwei Textilhändlern, die unterschiedliche Preisgenres bedienen, andere Herstellerlabel im Sortiment haben oder sich auf bestimmte Größen spezialisiert haben. Das Präparat L-Thyroxin bekomme ich als Kunde hier oder dort. Die gesetzlichen Rahmenbedingungen lassen zudem deutlich weniger Spielräume zur Kommunikation, zur Preisbildung oder zu Ergänzungsprodukten wie im herkömmlichen Einzelhandel, sodass sich die Markenbildungscharakteristik in erster Linie auf Beratungsleistungen und pharmazeutische Dienstleistungen fokussiert und weiterhin fokussieren wird. Dies setzt einen überdurchschnittlichen Beratungsbedarf beim Konsumenten voraus und bedingt, dass zu jedem Zeitpunkt der Öffnung der Apotheke besagte Beratungsqualität auch uneingeschränkt abrufbar ist. Reiseapotheke ist man nicht nur dann, wenn der Chef da ist oder die eine Mitarbeiterin Dienst hat, die sich darauf spezialisiert hat. Und Reiseapotheke ist man nicht, wenn man sich in Indonesien auskennt, nicht aber in Westafrika.

Die zentrale Frage bei der Markenbildung

Mit anderen Worten heißt die zentrale Frage bei der Bildung einer regionalen Marke für die Adler-Apotheke, was diese von allen anderen Apotheken unterscheidet oder unterscheiden kann, warum es eben lohnend sein könnte, genau dort hinzugehen, und welches Markenversprechen in der Adler-Apotheke besser, schneller, öfter, länger und nachhaltiger, gegebenenfalls sogar günstiger angeboten wird als andernorts. Kann dies durch ein in sich stringentes und attraktives Angebot beantwortet werden, macht das Nachdenken über eine regionale Marke Sinn. Und dann ist es auch erforderlich, mit allen gebotenen Mitteln einer auf Regionalität ausgerichteten Kommunikation auch darauf hinzuweisen, denn der Aufbau einer regionalen Marke kostet Geld und rechnet sich dadurch, dass die Frequenz, die Kaufbereitschaft und die Höhe des Kassenbons pro Kunde gesteigert werden. Deshalb muss die Frage einer regionalen Markenführung für Apotheken auch immer im Kontext zum Standort oder zu den insgesamt maximal vier Standorten geklärt werden. Handelt es sich um einen gut erreichbaren, an sich schon durch Laufkundschaft geprägten Standort, kann eine Marke Sinn machen, denn so versucht man zu erreichen, dass die Quote derer, die reinkommen, erhöht werden kann. Auf der anderen Seite würden Skeptiker gerade hier anmerken, dass die Frequenz an sich schon hoch ist, also ein Selbstläufer, warum also noch Geld für die Marke ausgeben und nicht einfach die Laufkundschaft abschöpfen? Dies gilt im Übrigen nur, wenn alle Filialapotheken in etwa dem gleichen Konzept folgen, also hinsichtlich den angebotenen Indikationsschwerpunkten, hinsichtlich pharmazeutischer Dienstleistungen, hinsichtlich der fachlichen Ausrichtung identisch oder ähnlich funktionieren. Ist dies nicht der Fall, alle laufen aber unter dem gleichen Namen und werden auch markentechnisch beworben, ist die Irritation beim Kunden größer als der Nutzen für den Inhaber. An Solitärstandorten, also in der Nähe von Arztpraxen, Handels­geschäften, aber ansonsten keinem Frequenz-Hotspot eine regionale Marke aufzubauen, ist mühsam, denn vor dem Hintergrund der Gleichartigkeit des Warenangebots müsste das Spezialsortiment so ausgeprägt sein oder die Beratungsqualität so überdurchschnittlich, dass der an sich bequeme Kunde den Weg genau zu dieser Apotheke auf sich nimmt.

Name allein kein Markenversprechen

Nun mag man argumentieren, dass alleine schon die Benennung der Adler-Apotheke einen Teil der Markenbildung ausmacht. Ja und nein! Damit grenzt man sich namentlich ab, kann entsprechend werben und kommunizieren, es besteht keine Verwechslungsgefahr und man kann eindeutig gefunden werden. Damit hat man aber noch kein eigenständiges Markenversprechen abgegeben, denn alleine aus der Namensungleichheit resultiert noch kein Leistungsunterschied. |

Fazit

  • Ein Name ist noch keine Marke.
  • Marke wird ein Apotheken-Name dann, wenn damit ein eindeutig auf die Kunden gerichtetes Versprechen von einer gewissen Einzigartigkeit gegeben wird, was sich z. B. aus einem besonderen Angebot, aus einer so ansonsten nicht anzutreffenden Kombination aus an sich bekannten Dingen oder auch besonderen Dienstleistungen wie Öffnungszeiten, Seminaren, Eigenprodukten usw. gegeben wird.
  • Marken verändern sich im Zeitverlauf, ungeachtet, ob sie global, international, bundesweit oder eben regional bespielt werden. Deshalb kommt der erstmaligen Entwicklung einer Marke, ihrer konsequenten Weiterentwicklung und der kontinuierlichen Markenpflege ein besonderes Augenmerk zu.
  • Markenentwicklung und -pflege kosten Geld, ein halbherziges Konzept wird von Kunden schnell als solches entlarvt und führt ge­gebenenfalls zum Gegenteil dessen, was man an sich erreichen wollte.
  • Und Markenführung kostet Zeit und bedarf auch einerseits eines sehr sachlichen, strategischen Weitblicks und eines hinreichenden Maßes an Kreativität. Auch das gilt regional wie global.
  • Das Thema Marke amortisiert sich bei einem guten Konzept mit zunehmender Größe schneller, des­wegen sind die Anstrengungen in regionale Marken besonders intensiv zu prüfen.

Prof. Dr. Andreas Kaapke
a.kaapke@kaapke-projekte.de


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