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Welche Arzneimittel werden gegen Lungenfibrose eingesetzt?

Stuttgart - 03.09.2024, 09:14 Uhr

Mittels Spirometrie können Parameter bestimmt werden, um die Lungenfunktion zu bewerten (Foto: Viktor Koldunov/AdobeStock).

Mittels Spirometrie können Parameter bestimmt werden, um die Lungenfunktion zu bewerten (Foto: Viktor Koldunov/AdobeStock).


Sie entsteht meist über mehrere Jahre, führt zu chronischem Husten, Atemnot und letztlich zum Tod. Eine Lungenfibrose ist bis heute nicht heilbar. Und wieder ist ein Arzneimittelkandidat in der Entwicklung gescheitert. Was ist eine Lungen­fibrose und welche Risikofaktoren sind bekannt?

Die idiopathische Lungenfibrose (IPF) ist eine chronische, progrediente und nicht reversible interstitielle Lungenerkrankung. Obwohl die IPF die häufigste Erkrankung aus der Gruppe der idiopathischen interstitiellen Pneumonien ist, gehört sie mit einer Prävalenz von circa acht Fällen pro 100.000 Einwohnern zu den Orphan Diseases. Die Prävalenz steigt mit zunehmendem Alter. Betroffen sind meist männliche Patienten zwischen dem sechzigsten und siebzigsten Lebensjahr, überwiegend mit Raucheranamnese. Allerdings sind nur 1 bis 6 % der Patienten zum Zeitpunkt der Diagnose noch aktive Raucher. Durchschnittlich vergehen nämlich 21 Jahre zwischen Rauchstopp und Manifestation der IPF [1].

Bei einer Lungenfibrose kommt es zu chronischen Entzündungen des Bindegewebes in der Lunge. Dabei sind auch die Wände der Lungenbläschen betroffen. Die chronischen Entzündungs­vorgänge des Interstitiums führen zu einem Umbau des Lungengewebes in Bindegewebe, welches verhärtet und vernarbt. Daraus resultiert eine Funktionseinschränkung, zudem verliert die Lunge ihre Dehnbarkeit und versteift, wodurch das Einatmen erschwert wird. Mit fortschreitender Erkrankung wird zunehmend gesundes durch vernarbtes Gewebe ersetzt, welches dauerhaft verbleibt [2].

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Pathogenese der Lungenfibrose weiterhin unklar

Trotz intensiver Forschung ist die Ursache einer IPF immer noch ungeklärt, es wurde jedoch eine Vielzahl an Risikofaktoren identifiziert. Dazu gehören die Exposition gegenüber Zigarettenrauch und Metallstäuben und gastroösophagealem Reflux mit Mikroaspiration. Ein Risiko sind auch verschiedene Genpolymorphismen, die mit der Mukusregulation und Zellregeneration im Zusammenhang stehen. Darüber hinaus könnten auch Virus­infektionen und Umwelteinflüsse wie Luftverschmutzung oder der Kontakt mit Asbest, Chemikalien oder Allergenen eine Rolle spielen [1, 3].

Beschwerden einer idiopathischen Lungenfibrose meist schleichend

Häufig tritt Atemnot zunächst nur bei Belastung auf, später auch im Ruhezustand, hinzu kommen Husten, Müdigkeit und Appetitlosigkeit. Im Normalfall treten die Beschwerden schleichend auf und nehmen mit der Zeit zu. Typisch ist ein durch Abhören wahrnehmbares Knisterrasseln (Sklero­phonie) beim tiefen Einatmen über den unteren Lungenabschnitten. Im Krankheitsverlauf nehmen forcierte Vitalkapazität (FVC), totale Lungen­kapazität (TLC), sowie die Diffusionskapazität (TLCO) ab.

Im Kasten „Symptome einer IPF“ sind die häufigsten Symptome einer IPF aufgelistet. Die Diagnose erfolgt als Ausschlussdiagnose. Im Durchschnitt vergehen 1,5 Jahre vom Beginn der Beschwerden bis zur exakten Diagnosestellung [1, 3].

Symptome einer idiopathischen Lungenfibrose

Unter diesen Symptomen leiden Patienten am häufigsten (nach [3]):

  • Dyspnoe (85,9 %)
  • Sklerosiphonie (79 %)
  • Husten (74,7 %)
  • Fatigue (39,0 %)
  • Benommenheit (14,5 %)
  • Brustschmerzen (13,2 %)
  • Angst (9,4 %)
  • Uhrglasnägel/Trommel­schlägelfinger (17,9 %)

Fünf Säulen der Lungenfibrose-Therapie

Die Therapie einer IPF beruht auf folgenden fünf Säulen: Pharmakotherapie, nicht-pharmakologische Therapie, Therapie von Komorbiditäten, Lungentransplantation und Palliativtherapie.

In der Pharmakotherapie stellt die Behandlung mit den antifibrotischen Wirkstoffen Nintedanib oder Pirfenidon heute den Therapiestandard dar. Nintedanib ist ein Inhibitor verschiedener Rezeptortyrosinkinasen und blockiert dadurch die Signaltransduktion von VEGF (Vascular Endothelial Growth Factor), FGF (Fibroblast Growth Factor) und PDGF (Platelet Derived Growth Factor). Pirfenidon hemmt die Produktion von profibrotischen und proinflammatorischen Zytokinen und reduziert Kollagensynthese sowie Fibroplastenproliferation [3, 4].

Zu den wichtigsten nicht-pharmakologischen Therapien gehören die Langzeitsauerstofftherapie und die gezielte pneumologische Rehabilitation, welche ein individualisiertes Trainingsprogramm umfasst.

Die durch eine IPF verursachten Einschränkungen der Patienten werden durch Komorbiditäten noch vergrößert. Auch leisten Begleiterkrankungen einen wesentlichen Anteil zur Mortalität. Werden sie adäquat behandelt, kann dies erheblich zu Wohlbefinden und Überleben der Patienten beitragen. Die Anzahl der Begleiterkrankungen steigt meist mit höherem Lebensalter. Häufige Erkrankungen sind z. B. arterielle Hypertonie, koronare Herzerkrankung oder Diabetes mellitus. Ein gastroösophagealer Reflux verstärkt die Symptome nicht nur, sondern trägt eventuell sogar zur Entstehung und Progression einer IPF bei, weshalb dieser auf jeden Fall leitliniengerecht behandelt werden muss.

Eine Lungentransplantation kommt aufgrund von Alter und Komorbiditäten nur bei den wenigsten Patienten in Betracht. Sie ist die einzige definitive Therapie.

Besteht keine Transplantationsper­spektive, sollte frühzeitig mit dem Patienten und den Angehörigen über eine Vorsorgevollmacht und eine Patientenverfügung gesprochen werden, um das Lebensende nach den Vorstellungen des Patienten gestalten zu können. Es erfolgt eine palliativmedizinische Betreuung. Denn die durchschnittliche Überlebenszeit bei einer unbehandelten IPF liegt bei zwei bis fünf Jahren nach Diagnosestellung. Eine Heilung ist nicht möglich. Durch antifibrotische Maßnahmen kann eine Verringerung der Progression erreicht werden [3].

Mehrere neue Arzneistoffkandidaten in Phase III gescheitert

Seit Langem werden neue Therapeutika zur Behandlung der idiopathischen Lungenfibrose dringend benötigt. Allerdings scheitern viele Präparate in der klinischen Testung. Nachdem die randomisierten klinischen Phase-III-Studien für die neuen Wirkstoffe Ziritaxestat und Zinpentraxin aufgrund von Sicherheitsbedenken und/oder mangelnder Wirksamkeit vorzeitig abgebrochen wurden, ist nun auch Pamrevlumab in einer doppelblinden, randomisierten klinischen Phase-III-Studie aufgrund mangelnder Wirksamkeit gescheitert. Ziritaxestat und Zinpentraxin zeigten keinen positiven Effekt auf den Rückgang der forcierten Vitalkapazität im Vergleich zu Placebo und auch für Pamrevlumab konnte kein signifikanter Unterschied zur Placebo-Gruppe im Hinblick auf die Veränderung der FVC von der Baseline gezeigt werden.

Das Scheitern verschiedener Prüfpräparate beim Übergang von Phase II zur Phase III bremst die Entwicklung dringend benötigter wirksamer Behandlungen für die idiopathische Lungenfibrose aus. Welche Faktoren dafür ursächlich sein könnten, haben Experten in einem Editorial des Journals JAMA erläutert. Unter anderem führten sie an, dass die Verwendung der forcierten Vitalkapazität als primäres Ergebnis in Studien diskutiert wird. Anhand der FVC wird der Rückgang der Lungenfunktion gemessen. Dieser sei ein komplexer physiologischer Phänotyp, der von äußeren Einschränkungen, interstitiellen Ödemen und Lufteinschlüssen bei Personen mit Atemwegserkrankungen beeinflusst wird. Diese Faktoren sind laut der Experten normalerweise unabhängig von einer IPF und deren Fortschreiten. Durch den unvorhersehbaren Verlauf der IPF-Progression und der Zeit, die zum Erkennen signifikanter Unterschiede erforderlich ist, werde die hohe Variabilität der FVC zwischen den Patienten zudem verstärkt.

Ein weiterer Grund für das Scheitern der Studien könne die Heterogenität der idiopathischen Lungenfibrose sein. Die Diagnose von IPF basiert auf klinischen, radiologischen und histologischen Kriterien, die die Heterogenität der Krankheit nicht berücksichtigen. Idiopathische Lungenfibrose kann aus verschiedenen pathogenen Mechanismen resultieren. Möglicherweise könnte eine Klassifizierung der Patienten nach genetischen Variationen, Polymorphismen, etc. zur Identifizierung von Untergruppen führen, bei denen verschiedene Substanzen eine Wirksamkeit zeigen.

Die Experten stellten auch die Frage, ob zur Identifikation von neuen molekularen Zielen und Arzneimitteln weiterhin Erkenntnisse aus Tiermodellen verwendet werden sollten, oder ob nicht humanbasierte Ansätze oder multiomische Ansätze eher dazu geeignet sind, Arzneimittel zu identifizieren, die für kritische IPF-Pathogenesemechanismen beim Menschen relevant sind [5]. |

Literatur

[1] Diagnostik der Idiopathischen Lungenfibrose, S2k-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin e.V. (DGP), AWMF-Registernummer 020 – 016, Stand Dezember 2019

[2] Lungenfibrose. Information des Verbands Pneumologischer Klinken e.V., www.lungenaerzte-im-netz.de/krankheiten/lungenfibrose/was-ist-eine-lungenfibrose/, abgerufen am 28.06.24

[3] Behr J. Idiopathische Lungenfibrose. Information der Springermedizin e.Medpedia, www.springermedizin.de/emedpedia/detail/dgim-innere-medizin/idiopathische-lungenfibrose?epediaDoi=10.1007%2F978-3-642-54676-1_376, abgerufen am 02.06.24

[4] Pharmakotherapie der idiopathischen Lungenfibrose (ein Update) und anderer progredienter pulmonaler Fibrosen, S2k-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin e.V., AWMF-Registernummer 020-025, Stand Juli 2022

[5] Zamora AC et al. When the Third Time Is Not the Charm—Trial Outcomes in Idiopathic Pulmonary Fibrosis, JAMA 2024, doi:10.1001/jama.2024.8776


Dr. Sabine Fischer, Apothekerin, DAZ-Autorin
redaktion@daz.online


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