Bundessozialgericht

Für jede Spritze gibt es den Zyto-Rezepturzuschlag

Berlin - 06.09.2024, 16:45 Uhr

Das Bundessozialgericht in Kassel hat die retaxfreudige AOK Bayern in die Schranken gewiesen. (Foto: Bundessozialgericht, Dirk Felmeden)

Das Bundessozialgericht in Kassel hat die retaxfreudige AOK Bayern in die Schranken gewiesen. (Foto: Bundessozialgericht, Dirk Felmeden)


Fällt der Rezepturzuschlag für die Herstellung einer „applikationsfertigen Einheit“ nach der Hilfstaxe auch dann nur einmal an, wenn die verordnete Gesamtmenge des Zytostatikums an einem Tag in zwei Spritzen aufgeteilt wird? Das meinte die AOK Bayern und retaxierte einen Apotheker. Zu Unrecht, wie jetzt das Bundessozialgericht entschied.

Das Bundessozialgericht hat eine Retaxation der AOK Bayern für rechtswidrig befunden. Die Kasse muss nun nach einem langjährigen Rechtsstreit 5994,74 Euro nebst Zinsen (seit Mai 2015) an einen Apotheker aus Thüringen zahlen.

Worum ging es?

Der Apotheker hatte im Jahr 2014 an diverse Versicherte der AOK Bayern zytostatikahaltige parenterale Lösungen mit dem Wirkstoff Azacitidin abgegeben. Die jeweiligen Verordnungen lauteten übereinstimmend auf „2x Azacitidin“ mit jeweils mehr als 50 mg Wirkstoff. Der Apotheker berechnete bei jeder Abgabe den als „AP“ (Arbeitspreis) bezeichneten Zuschlag nach der Anlage 3 der Hilfstaxe zweimal. Die AOK Bayern beanstandete dies. Sie meinte, dass der Zuschlag von 81 Euro nur einmal je Verordnung abrechnungsfähig sei und rechnete die oben genannte Summe gegen unstreitige Vergütungsforderungen des Apothekers auf.

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Den Rezepturzuschlag gibt es nur einmal pro Rezept

Der Apotheker zog vor das Sozialgericht, das seine Klage auf Zahlung der einbehaltenen Vergütung zuzüglich Zinsen jedoch zunächst noch abwies. Das Landessozialgericht Thüringen sah es bereits anders und hob dieses Urteil auf. Der Apotheker habe den Zuschlag zutreffend je hergestellter Spritze angesetzt, da jede Spritze eine applikationsfertige Einheit im Sinne der Anlage 3 Teil 2 Ziffer 6 der Hilfstaxe sei (maßgeblich war in diesem Rechtsstreit die Fassung der Hilfstaxe vom 1. September 2014, eine entsprechende Regelung findet sich jetzt in Anlage 3 Teil 2 Ziffer 8 der Hilfstaxe). Dies ergebe sich aus dem Wortlaut der Abrechnungsbestimmung. Diese lautet:

„Für die Herstellung zytostatikahaltiger parenteraler Zubereitungen ist pro applikationsfertiger Einheit ein Zuschlag von 81,00 Euro abrechnungsfähig.“

Verordnet worden seien je Verordnung zwei Spritzen, die je für sich eine applikationsfertige Einheit seien. Auch aus dem systematischen Zusammenhang innerhalb der Hilfstaxe ergebe sich, dass mit dem Begriff der applikationsfertigen Einheit nicht auf die Gesamtmenge je Verordnung abgestellt werde.

Die AOK legte Revision beim Bundessozialgericht ein – jedoch ohne Erfolg. Der 3. Senat verhandelte am Donnerstag und befand im Anschluss ebenfalls, dass die Vorschrift in der Hilfstaxe streng nach dem Wortlaut und allenfalls ergänzend nach ihrem systematischen Zusammenhang auszulegen sei. 

Eine Spritze ist eine applikationsfähige Einheit

Das schriftliche Urteil liegt noch nicht vor, aber das Gericht führt in seinem Terminbericht aus, dass mit „pro applikationsfertiger Einheit“ zum Ausdruck gebracht werde, dass jede je für sich abgabefertige und je für sich vollständige, hergestellte Zubereitung zur Abrechnung eines Rezepturzuschlags berechtigt. Bei Spritzen wie im vorliegenden Fall könne der Zuschlag also für jede einzelne injektionsfertige Spritze mit hergestellter Zubereitung berechnet werden. Applikationsfertig in diesem wörtlichen Sinne sei eine Einheit auch dann, wenn es einer weiteren applikationsfertigen Einheit – einer zweiten Spritze – bedarf, um die verordnete Gesamttagesdosis zu erreichen. Dem stehe nicht entgegen, dass eine verordnete Tagesdosis aus mehreren applikationsfertigen Einheiten bestehen kann, selbst wenn diese auf einmal zu verabreichen sein sollten. Der Senat stellt klar: „Die Abrechnungsbestimmung zum Rezepturzuschlag bezieht sich nach ihrem Wortlaut nicht auf die ärztlich verordnete Gesamttagesdosis hergestellter zytostatikahaltiger parenteraler Zubereitungen.“

Vertragspartner hätten anderes ausdrücklich vereinbaren müssen

Aus dem systematischen Zusammenhang ergebe sich nichts anderes. Nicht zuletzt betont das Bundessozialgericht: Hätte die vertragliche Zuschlagsregelung einen Rezepturzuschlag für eine verordnete Gesamttagesdosis zytostatikahaltiger parenteraler Zubereitungen vorsehen sollen, hätte dies von den Vertragspartnern der Hilfstaxe so ausdrücklich vereinbart werden müssen.

Urteil des Bundessozialgerichts vom 5. September 2024, Az.: B 3 KR 21/22 R


Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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