Kein Vermittlungsausschuss

Die Krankenhausreform kann kommen

Berlin - 22.11.2024, 14:00 Uhr

Karl Lauterbach hat lange um seine Klinikreform gekämpft. Jetzt hat er sie durch den Bundesrat gebracht und verspricht den Patientinnen und Patienten kurz vor Weihnachten eine bessere Versorgung. (Foto: IMAGO/photothek)

Karl Lauterbach hat lange um seine Klinikreform gekämpft. Jetzt hat er sie durch den Bundesrat gebracht und verspricht den Patientinnen und Patienten kurz vor Weihnachten eine bessere Versorgung. (Foto: IMAGO/photothek)


Sein Herzensprojekt hat Gesundheitsminister Karl Lauterbach trotz Ampel-Aus über die Ziellinie gebracht: Der Bundesrat gab nach monatelangem Ringen zwischen Bund und Ländern grünes Licht für die Neuaufstellung der Kliniken. Für den Antrag, den Vermittlungsausschuss anzurufen, gab es keine Mehrheit.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hat es geschafft: Während alle anderen seiner für den „Herbst der Reformen“ vorgesehenen Gesetze nach dem Ampel-Aus am 6. November Geschichte sind, konnte er seine seit langem vorbereitete Krankenhausreform an diesem Freitag doch noch retten. Auf Twitter und Instagram jubelt er: „Heute ist ein großer Tag für alle Patienten.“ Durch Spezialisierung werde die Behandlung besser, verspricht er. Ausdrücklich dankt der Minister allen Unterstützern der Reform – in der Pressemitteilung seines Hauses auch den Kritikern, die sich an ihr beteiligt haben.

Zuvor hatte der Bundesrat den Weg für die umstrittene Krankenhausreform freigemacht. Die Länderkammer ließ das noch von der Ampel-Koalition im Bundestag beschlossene Gesetz für eine grundlegende Neuordnung der Kliniken in Deutschland passieren. Eine Anrufung des gemeinsamen Vermittlungsausschusses mit dem Bundestag fand nicht die erforderliche Mehrheit. Die Reform soll finanziellen Druck auf die Kliniken mindern und mehr Spezialisierung durchsetzen. Zum 1. Januar 2025 soll sie in Kraft treten, die konkrete Umsetzung in den Ländern muss dann noch folgen. Das Finanzsystem soll schrittweise bis 2029 umgestellt werden. 

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Im Kern soll die bisherige Vergütung, die Fallpauschalen für Behandlungsfälle vorsieht, geändert werden. Künftig sollen Kliniken 60 Prozent der Vergütung allein schon für das Vorhalten bestimmter Angebote bekommen. Hierzu sind 65 Leistungsgruppen vorgesehen, die mit bundeseinheitlichen Qualitätskriterien und Mindestvorhaltezahlen verknüpft werden. Das Ziel: Leistungen sollen künftig nur in solchen Krankenhäusern erbracht werden, die über das dafür notwendige Personal, eine adäquate apparative Ausstattung sowie erforderliche Fachdisziplinen zur Vor-, Mit- und Nachbehandlung verfügen. Das soll die Behandlungsqualität verbessern.

Für Stroke Units, Traumatologie, Pädiatrie, Geburtshilfe, Intensivmedizin, Koordinierungsaufgaben, Unikliniken und Notfallversorgung werden zusätzliche Mittel gewährt. Kommen soll zudem ein „Transformationsfonds“, um die Neuorganisation finanziell zu unterstützen. Über zehn Jahre werden dafür insgesamt bis zu 50 Milliarden Euro bereitgestellt.

Die flächendeckende Versorgung soll durch die Reform nicht in Mitleidenschaft gezogen werden. Dafür sorgen Ausnahmeregelungen für bedarfsnotwendige Krankenhäuser in ländlichen Räumen.

Lauterbachs Appell an die Länder

In der Sitzung der Länderkammer hatte es eine kontroverse Debatte gegeben. Lauterbach appellierte kurz vor der Abstimmung an die Länder, das Gesetz passieren zu lassen. Es gehe um „die einmalige Chance, Zehntausenden Menschen pro Jahr eine bessere Versorgung zukommen zu lassen“. Bei möglichen Änderungen müsse man sich ehrlich machen: Dabei gehe es um den Kern der Reform. Wenn diese Änderungen vorgenommen würden, brauche man die Reform nicht mehr.

Mehrere Länder bleiben kritisch

Nordrhein-Westfalens Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) sagte: „Wir brauchen diese Reform, aber es gibt nach wie vor wenige Punkte, die unbedingt nachgebessert werden müssen.“ Sonst würde das Gesetz zu Verwerfungen in der Krankenhauslandschaft führen. Konkret gehe es um Änderungen bei Vorgaben zu Fachärzten, die in ländlichen Regionen derzeit einfach nicht erreichbar seien. Nötig sei „mehr Beinfreiheit“ für die Länder bei der Umsetzung.

Bayern hatte den Antrag auf Anrufung des Vermittlungsausschusses gestellt. Ministerin Judith Gerlach (CSU) sagte: „Unser Ziel ist es, zu dringend notwendigen Nachbesserungen zumindest in zentralen Punkten des Gesetzes zu kommen.“ Sie wies auch auf akute Finanznot bei vielen Kliniken hin. „Der Bund hätte längst ein Soforthilfeprogramm vorlegen müssen.“ 

Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) warnte, es dürfe nicht passieren, dass bestehende Versorgungsungleichheiten zwischen Ost und West verschärft werden. Für Baden-Württemberg monierte der Bevollmächtigte beim Bund, Rudi Hoogvliet (Grüne), man könne die Folgen der Reform weiterhin nicht seriös abschätzen. Mit einem Vermittlungsausschuss solle das Vorhaben weder verzögert noch verhindert werden. Die Vorsitzende der Länder-Gesundheitsminister, Kerstin von der Decken (CDU) aus Schleswig-Holstein, sagte, dies biete wahrscheinlich die letzte Chance, grobe Fehler zu korrigieren.

Andere Länder werben für Zustimmung

Der rheinland-pfälzische Minister Clemens Hoch (SPD) warb dagegen um Unterstützung für die Reform und mahnte, das Ergebnis eines zweijährigen Arbeitsprozesses nicht leichtfertig aufs Spiel zu setzen. Benötigt würden auch kurzfristige finanzielle Effekte des Gesetzes. Der niedersächsische Minister Andreas Philippi (SPD) warnte, wenn die Reform in den Vermittlungsausschuss geschoben werde, dann sei sie „politisch tot“. 

Begleitende Entschließung

In einer begleitenden Entschließung, die auf einen Antrag der Länder Niedersachsen, Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern zurückgeht, fordert der Bundesrat pragmatische Lösungen zur Umsetzung der Krankenhausreform. Hierzu seien beispielsweise der (im Gesetz bereits vorgesehene) Bürokratieabbau fortzusetzen und Doppelregelungen zu vermeiden. Zudem seien angesichts des sehr hohen Aufwands realistische Fristen zu setzen. Und: Alle Verfahren müssten regelmäßig hinsichtlich des Zweckes, der Aktualität und der Wirkung überprüft und gegebenenfalls angepasst werden. Überdies bemängelt der Bundesrat die zu hohen Anforderungen des Gesetzes an den Facharztstandard und dass die Vorhaltevergütung in der aktuellen Form noch leistungsmengenabhängig sei.


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