Grenzenlos versorgt

E-Rezepte aus dem Ausland – geht das?

27.11.2024, 07:00 Uhr

Kann mit der European Health Insurance Card auch E-Rezepte im Ausland abrufen?  (Rochu_2008 / AdobeStock)

Kann mit der European Health Insurance Card auch E-Rezepte im Ausland abrufen?  (Rochu_2008 / AdobeStock)


Mit der deutschen Versichertenkarte kann man sich europäischen Ausland behandeln lassen. Rezepte über verordnete Arzneimittel können problemlos innerhalb der EU eingelöst werden, zumindest sofern sie aus Papier sind. Der Frage, wie das eigentlich bei E-Rezepten ist, ist unsere Autorin Jessica Geller nachgegangen. 

Das elektronische Rezept (E-Rezept) hat seit fast einem Jahr das klassische rosafarbene Papier-Rezept vollständig abgelöst. Und schon mehr als ein Jahr zuvor war das E-Rezept flächendeckend in den deutschen Apotheken angekommen.[1] Trotz dieses Erfahrungsschatzes stellen sich im Apothekenalltag immer wieder Fragen, die noch bestehende Lücken in der digitalen Infrastruktur aufzeigen.

 

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Eine dieser zentralen Fragen stellt sich insbesondere in unseren Grenzregionen: Können ausländische E-Rezepte in deutschen Apotheken beliefert werden und, wenn dies der Fall ist, wie genau ist dies möglich?

Generell gilt für Verschreibungen aus EU-Ländern sowie den Vertragsstaaten des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR; Island, Liechtenstein und Norwegen), dass diese auch in den anderen genannten Ländern gültig sind. Dabei wird die Form des Rezeptes nicht vorgeschrieben, jedoch die mindestens auf ihnen anzugebenden Daten. Eine Zusammenfassung dieser Angaben kann Tabelle 1 entnommen werden. Im Rahmen der Belieferung der Verordnung werden die Regelungen des jeweiligen Einlöselandes angewandt, zum Beispiel bezüglich der Gültigkeitsdauer der Verschreibung oder der Verkehrsfähigkeit des verschriebenen Arzneimittels. All dies wird durch eine EU-Richtlinie vorgeschrieben, die neben uns auch für acht unserer neun Nachbarländer gilt. Lediglich für Verordnungen aus der Schweiz sind die Vorschriften der Richtlinie nicht anzuwenden, da das Land die EU-Richtlinie als Nicht-Mitglied der EU sowie des EWR nicht übernommen hat.[2,3] Allerdings greift innerhalb Deutschlands an dieser Stelle eine Sonderregelung der Arzneimittelverschreibungsverordnung (AMVV): In Paragraph 2, Absatz 1a wird neben den EU- und EWR-Staaten auch die Schweiz als Land genannt, dessen Verschreibungen denen aus Deutschland gleichgestellt sind, sofern sie die vorgeschriebenen Angaben enthalten. Die vorgeschriebenen Angaben entsprechen hierbei den erforderlichen Daten, die auch auf deutschen Rezepten angegeben werden müssen.[4] Somit besteht also ein stabiles Fundament für die erfolgreiche Belieferung von Rezepten, die in unseren Nachbarländern ausgestellt wurden. Hiervon ausgenommen sind allerdings diejenigen Arzneimittel, für deren Verschreibung unser Gesetzgeber eine explizite Form – die Betäubungsmittel- und T-Rezepte – vorgeschrieben hat.[5,6]

Tabelle 1: Erforderliche Daten einer ärztlichen Verordnung zur Einlösung in einem anderen EU-Land (sowie Island, Liechtenstein, Norwegen und ggfs. Schweiz).[2,4]

 

Angaben zum Patienten oder zur Patientin

·       Vollständiger Name

·       Geburtsdatum

Angaben zur verordnenden Person

·       Vollständiger Name

·       Berufsbezeichnung, welche die berufliche Qualifikation erkennen lässt

·       Unmittelbare Kontaktdaten (Telefon-/Telefaxnummer inkl. Ländervorwahl, E-Mail Adresse)

·       Anschrift der Praxis/Arbeitsstätte (inkl. Land)

·       Unterschrift / digitale Signatur

Angaben zum verordneten Arzneimittel

·       Gebräuchliche Bezeichnung (Internationaler Freiname des Arzneistoffs; in Ausnahmefällen die Bezeichnung eines Fertigarzneimittels)

·       Darreichungsform

·       Menge

·       Wirkstärke

·       Dosierung

Sonstige Angaben·       Datum der Verordnung

Jedes Land hat seine eigene Infrastruktur

Zu den rechtlichen Herausforderungen über die Zulässigkeit der Belieferung ausländischer Rezepte gesellt sich nun noch die technische Hürde bei der Einlösung rein elektronisch vorliegender Verordnungen. Während in Deutschland insbesondere die gematik für die Telematikinfrastruktur im Gesundheitswesen zuständig ist, verfügen unsere Nachbarstaaten jeweils über ihre eigenen Infrastrukturen und digitalen Gesundheitsdienstleister.[7,8] Um die jeweiligen E-Rezepte einzulösen, müssten die verschiedenen digitalen Services der Länder über eine Schnittstelle miteinander verbunden werden. Solch eine Schnittstelle existiert aktuell allerdings nicht zwischen Deutschland und seinen Grenzländern. Dies soll sich jedoch bald ändern – mithilfe des sogenannten European Health Data Space (EHDS; Europäischer Gesundheitsdatenraum). Mit dem EHDS soll ein gemeinsamer EU-(und EWR-)Datenraum geschaffen werden, der den sicheren und effizienten Gesundheitsdatenaustausch ermöglichen soll. Aktuell wird in diesem Kontext die digitale Plattform „MyHealth@EU“ (zu Deutsch: „Meine Gesundheit @ EU“) errichtet, die unter anderem auch die grenzüberschreitende Einlösung von E-Rezepten ermöglichen soll. Hierbei sind neben Deutschland auch fast alle Nachbarländer involviert, lediglich die Schweiz ist an diesem Verfahren nicht beteiligt.[9,10,11] Bislang (Stand: zweites Quartal 2024) sind bereits 14 europäische Länder in unterschiedlichem Ausmaß an das System angeschlossen, darunter unsere Nachbarn Luxemburg, Frankreich, Tschechien, Polen und die Niederlande.[12]

Konkret soll es Reisenden innerhalb der EU über „MyHealth@EU“ ermöglicht werden, dieselbe Gesundheitsversorgung wie in ihrem Heimatland zu erhalten. Dazu ist ein sicherer Kommunikationskanal zwischen den jeweiligen nationalen digitalen Gesundheitsdiensten erforderlich, der die wichtigsten Informationen in der Sprache des Reiselandes zur Verfügung stellt. So soll dem medizinischen Fachpersonal in Krankenhäusern sowie in Apotheken eine Patientenkurzakte in der eigenen Amtssprache zur Verfügung gestellt werden, welche die bisherige Medikation, Vorerkrankungen und weitere wichtige Gesundheitsdaten enthält. Dies ermöglicht dann die individuell bestmögliche Therapie sowie die Versorgung mit der im Heimatland verschriebenen Medikation. Genaueres zu dem geplanten Procedere kann einem dazu bereits von der Europäischen Union herausgegebenen digitalen Flyer entnommen werden, der das Verfahren jeweils aus den verschiedenen beteiligten Perspektiven (medizinisches Fachpersonal, Apothekenpersonal, Patient bzw. Patientin) aufzeigt.[13]

Wann wird Deutschland angeschlossen?

In einigen schon an „MyHealth@EU“ angeschlossenen Ländern verfügen bereits alle Apotheken über eine entsprechende Schnittstelle zur Teilnahme an dem Dienst, in anderen Ländern hingegen können bislang nur in wenigen ausgewählten oder in gar keinen Apotheken grenzüberschreitende E-Rezepte eingelöst werden.[12] Für die Umsetzung des „MyHealth@EU“-Services in den Apotheken, inklusive der grenzüberschreitenden Übermittlung der E-Rezepte, müssen diese an die digitalen eHealth-Kanäle der EU angeschlossen werden. Dies geschieht über den sogenannten National Contact Point for eHealth (NCPeH). Zuständig für den Betrieb des NCPeH ist bei uns die Deutsche Verbindungsstelle Krankenversicherung Ausland (DVKA) des GKV-Spitzenverbands.[14] Nach Auskunft der DVKA werden derzeit innerhalb eines bis 2025 laufenden Projektes die E-Patientenkurzakte sowie die E-Rezepte getestet und sukzessive eingeführt.[15] Voraussichtlich im ersten Quartal 2025 soll mit der Entwicklung des Einlöseweges von Deutschen E-Rezepten im EU-Ausland begonnen werden. Wann genau die Kanäle für die Belieferung ausländischer E-Rezepte in Deutschland bereitstehen werden, ist zum aktuellen Stand laut DVKA noch unklar.[16] Auf unsere Nachfrage berichtet die gematik, dass die grenzüberschreitende Belieferung von E-Rezepten binnen 48 Monaten nach Inkrafttreten der EU-Verordnung zur EHDS in allen Mitgliedsstaaten möglich sein muss. Das Inkrafttreten der Verordnung werde Anfang 2025 erwartet.[17] Schneller, nämlich bis Ende 2025, soll laut Europäischer Kommission der Aufbau von „MyHealth@EU“ in 25 (der insgesamt 27) EU-Länder erfolgen.[11] Welche beiden Länder in diesem Zeitplan außen vor bleiben, wird hierbei nicht offenbart.

Zwischenlösung benötigt

Aktuell wirkt dieses gemeinsame digitale Gesundheitssystem der EU also eher noch wie Zukunftsmusik, wenngleich das augenscheinlich ereignisreiche Jahr 2025 praktisch vor der Tür steht. Aus den bisherigen Erfahrungen mit dem Ablauf der Digitalisierung unseres Landes stellt sich natürlich die berechtigte Frage, wann genau wir flächendeckend an den EHDS – und damit an die dazugehörigen Gesundheitsdienste – angeschlossen sein werden.

Bis die benötigte Infrastruktur steht und ordnungsgemäß funktioniert, wird sicherlich noch eine Vielzahl an ausländischen (E-)Rezepten in den grenznahen Apotheken vorgelegt werden. Somit braucht es bis zur finalen Umsetzung des EU-Vorhabens dringend eine praktikable Zwischenlösung. Da sich die eingangs beschriebenen rechtlichen Vorschriften über die EU-weite (inkl. EWR und Schweiz) Gültigkeit der ärztlichen Verordnungen nicht explizit auf die Papiervariante beschränken, dürfen auch E-Rezepte schon jetzt beliefert werden. Die Hürde ist somit aktuell rein technischer Natur. Daher empfiehlt die Europäische Union, dass in der ärztlichen Praxis zusätzlich zur elektronischen Verordnung auch ein Papierausdruck des Rezepts erzeugt werden solle, wenn die Einlösung im europäischen Ausland vorgesehen ist.[2] Hierbei sollten die Patientinnen und Patienten darauf achten, dass die in Tabelle 1 genannten Angaben vollständig auf dem Ausdruck enthalten sind, um Probleme bei der Einlösung zu vermeiden.

Ob Ende 2025, im Jahr 2027 oder noch später – irgendwann soll diese Zwischenlösung final durch den EHDS und die daran angeschlossene Infrastruktur abgelöst werden. Ab diesem Zeitpunkt gestaltet sich dann die Einlösung von E-Rezepten unserer Nachbarstaaten zuverlässig, sicher und zeitgemäß digital. Nur die Schweiz könnte hierbei tatsächlich außen vor bleiben. Da sie die EU-Richtlinie über die grenzüberschreitende Gesundheitsversorgung nicht übernommen hat, konnte die bis dato laufende Zusammenarbeit mit der EU nicht fortgeführt werden.[18] Allerdings könnte man es auch als positives Zeichen werten, dass sich das Schweizer Pendant zu unserer gematik – die eHealth Suisse – bis zu diesem Zeitpunkt überhaupt an den europäischen Vorstößen beteiligt hat. Zumindest scheint das Land an einem grenzüberschreitenden Austausch von Gesundheitsdaten interessiert zu sein. Nach eigenen Aussagen verfolgt die eHealth Suisse seit vielen Jahren die europäischen eHealth-Aktivitäten und befolgte schon beim Aufbau ihres nationalen Systems die international geltenden Standards.[18] Man darf vielleicht also doch noch auf ein gemeinsames interoperables System zwischen uns und all unseren Nachbarn hoffen.

Literatur:


Jessica Geller, Autorin, DAZ.online
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

Wenn...

von Michael Weigand am 27.11.2024 um 9:15 Uhr

...wir als Vor Ort Apotheken ein Konzern wären mit all dem EInfluss auf Herrn Lauterbach (siehe Cardlink), dann wäre die Einlösung ausländischer eRezepte gestern schon mlöglich....

Die SPD wundert sich, warum sie keiner mehr wählt...naja wer gegen alles gegen inländische Unternehmen bzw. Frauenarbeitsplätze unternimmt, nur damit ein ausländischer Konzern, der übrigens defizitär seit Bestehen als Aktienunternehmen ist (oder gehts hier nur um Steuervermeidung...wie überlebt so ein Unternehmen mit gefühlt 20 Jahren Millionendefiziten...das Model würde ich gerne auch in meiner Apotheke fahren)
und an die wertten SPD-/Grünen-/FDP-Politiker...Cardlink hätte keiner gebraucht ...die Gematikapp und die Krankenkassenapps (die auch gegen Cardlink waren....komisch, das sind ja wirklich keine Apothekenlobbisten) waren ein sicherer Weg auch für Versender...nein...die Politik musste uns nochmals monatliche Kosten reindrücken, damit man auch diese S...durch Dorf jagt...und nein...die Reformen und Spinnereien eines Herrn Lauterbach sind nicht im Sinne der Arzneiversorgung, sondern einiger Konzerne....und bei der Krankenhausrefoprm profitieren wahrtscheinlich auch v.a. die Klinikkonzerne...wo war Herr Lauterbach nochmal aktiv????

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