Plädoyer zum Aufbruch

Warum kommen wir Apotheker eigentlich immer zu spät?

17.08.2016, 16:30 Uhr - Ein Blog-Beitrag von DAZ.online-Mitglied Jochen Pfeifer

(Foto: Ekaterina Pokrovsky / Fotolia) 

(Foto: Ekaterina Pokrovsky / Fotolia) 


Warum ist es für unsere Partner und Gegner im Gesundheitswesen eigentlich immer so einfach, auf uns Apotheker einzuprügeln? Weil wir öffentliche Apotheker leider denen auch immer wieder die Gelegenheit dazu geben. 

Wie die DAZ.online berichtete, enthält der Referentenentwurf zum Arzneimittel-Versorgungssteigerungsgesetz (schöne Namen erfinden können unsere Politiker) eine Steigerung der Vergütung für Apotheker in den Bereichen Rezepturherstellung sowie BtM-Abgabe. Für Rezepturen sollen Apotheker künftig eine zusätzliche Pauschale von 8,35 Euro erhalten, außerdem gibt es ein Plus von einem Euro bei den dreistufigen Arbeitspreisen. Für die Belieferung von T- und BtM-Rezepten sollen Apotheker künftig 2,91 Euro erhalten. 

Wie erwartet, laufen unsere „Partner“ im Gesundheitswesen hiergegen Sturm. Als einer der ersten meldete sich der Verband forschender Arzneimittelhersteller (vfa) zu Wort, also die Lobbygruppe der multinationalen Konzerne im Pharmamarkt und einer der wohl mächtigsten Lobbyverbände im Gesundheitswesen überhaupt (über so viel Einfluss kann die ABDA in ihrem Dornröschenschlaf nur weiter träumen).

Wie DAZ.online ebenfalls berichtete, sollen nach Auffassung des vfa die anvisierten Einnahmen durch Herstellerabschlag und Preismoratorium im Sinne eines „Verschiebebahnhofs“ zur Querfinanzierung etwa der Vergütungsanstiege bei Apotheken erfolgen. Daher fragen sich die Pharmakonzerne, ob diese Querfinanzierung verfassungskonform sei. Schließlich sei der Gemeinwohlbelang dadurch in Frage gestellt.

Das war zu erwarten. Zu erwarten war aber auch die Reaktion mancher Kolleginnen und Kollegen Apotheker, die jetzt nicht mehr bei den entsprechenden Firmen bestellen wollen etc. 

Die Wut der Kollegen ist verständlich, aber sie trifft nicht alle Schuldigen. 

In einem Interview mit DAZ.online sagte der ehemalige Vorstandsvorsitzender von Celesio, Fritz Oesterle,  in einem anderen Zusammenhang: „Wer zu spät kommt, den bestraft der Markt“. Recht hat er, auch wenn er etwas ganz anderes meinte, was wir alle nicht gut heißen können und wollen.

Aber: Wir Apotheker tendieren leider immer mehr dazu, zu spät zu kommen. 

Warum ist es für unsere Partner und Gegner im Gesundheitswesen eigentlich immer so einfach, auf uns Apotheker einzuprügeln? Weil wir öffentliche Apotheker leider denen auch immer wieder die Gelegenheit dazu geben. 

Manchmal sind wir aber auch nur – bitte entschuldigen Sie liebe Kollegen – saublöd. Wann immer zum Beispiel Max Müller von Doc Morris mal wieder mit Bussen durch die Gegend fährt (der hat ja auch sonst nichts zu tun) bzw. auf dem Lande die Seniorinnen und Senioren mit Automaten beglücken will, geben wir Apotheker Doc Morris soviel Presse, dass die eigentlich keine Marketing Abteilung mehr brauchen, das machen wir durch unsere Proteste immer selbst. Proteste sind wichtig und richtig, aber nicht so, dass es für Doc Morris zu einem Marketing-Erfolg wird.

Leider haben unsere Standesfürsten Angst vor der Politik, weil wir angeblich zu schwach sind, um uns zu behaupten: die Ärzte denken da zurecht etwas anders.  

•    Wie kann es sein, dass wir uns noch mit den lächerlichen Honoraren der Kassen zufrieden geben? 

•    Wieso akzeptieren wir diese lächerliche Erhöhung in untertänigster Demut? 

•    Warum werden wir nicht für unsere heilberufliche Leistung adäquat analog der Ärzteschaft bezahlt? 

Jawohl - analog der Ärzteschaft. Die Ärzte würden sich so etwas niemals bieten lassen. 

Aber wir denken leider immer noch in Blöcken: da wir Apotheker, da die Ärzte.  

Und wenn dann jemand wie der Autor dieses Blogs es wagen sollte, hier eine mögliche Neuorientierung einzuführen und nur eine Diskussion anzustoßen, die nicht von der ABDA in ihrer unendlichen Weisheit vorher schriftlich genehmigt wurde, dann bekommt er von seinen Kollegen Apothekern und der DAZ einen Shitstorm, der sich gewaschen hat. 

Nochmals: Es darf meiner Meinung nach keine Denkverbote geben.

Andersdenkende werden ganz einfach abgestraft, das ist ja so einfach – man will ja schließlich innerhalb der Kammern Harmonie, Friede, Freude und Eierkuchen.

Dass ich immer auf Seiten der Apothekerinnen und Apotheker stehe und weiter stehen werde, ist glaube ich jedem klar. Nur ich bete nicht die Vorgaben meiner Kammer als Gottgegeben runter, sondern möchte – auch kontroverse – Denkanstöße geben. Dafür sollten Delegierte ja eigentlich in einer Kammer sein, oder nicht? Wofür haben wir eigentlich so viele Delegierte zum Beispiel auf dem Apothekertag, wenn die allermeisten noch nicht einmal den Mund aufmachen

Zusammenfassend möchte ich die Leser dieses Blogs um Hilfe bitten, ich benötige Ihre Hilfe bei der Beantwortung der folgenden Fragen – vielleicht wäre das sogar mal was für den DAT? Ich bin aber als „Verbannter“ kein Delegierter und unsere untertänigsten Standesfürsten werden so jemandem wie mir mit Sicherheit kein Rederecht geben.  

1. Wieso sehen wir uns als freier Heilberufler, werden aber bezahlt wie Hilfsarbeiter? Nur, weil jede Apotheke die Masse der Rezepte will, um damit den OTC Preiskampf subventionieren zu können oder zu müssen? Warum weigert sich unsere Standesführung, über eine Neuregelung der apothekereichen Honorierung zu sprechen? 

2. Warum werden Familien-Clans und bestimmte Apothekenkooperationen immer mächtiger und wichtiger- können unsere Kammern und Verbände überhaupt noch für alle sprechen? Gibt es diese Idealvision der öffentlichen Apotheke überhaupt noch in 2015?

3. Wenn wir eine gesellschaftliche Aufgabe haben, und die haben wir sehr wohl, wieso werden wir hierfür nicht bezahlt? Oder ist das auch in den berühmt-berüchtigten 8,35 Euro drin? Kein Politiker macht etwas umsonst. Wer gesellschaftlich aktiv ist, wird hierfür bezahlt. Wenn wir zu Recht die örtliche Versorgung sicherstellen wollen und müssen, müssen wir hierfür bezahlt werden. 

4. Warum reicht unseren Standesfürsten dieses Almosen von 8,35 Euro ?Das rechnet sich – wie gesagt – nur bei einer entsprechenden Steigerung der Anzahl von Rezepten, also einem Kannibalismus zulasten anderer meistens kleinerer Apotheken, da sich die Gesamtzahl der Rezepte nicht unendlich steigern wird. 

Warum gibt es stattdessen kein Grundhonorar für die pharmazeutischen Tätigkeiten unabhängig von der Rezeptanzahl? Und kommen Sie mir bitte jetzt nicht mit dem Argument: das würden die Kassen nicht bezahlen. Sie haben es ja noch nicht einmal probiert.

5. Warum subventionieren wir überhaupt noch Notdienst, Rezeptur, Eingangsprüfung etc. quer und rechnen nicht alles einzeln ab? Weil man uns dann nicht mehr lässt? Weil dann die Ketten kommen? Welche Ketten? Ist es nicht so, dass es dann einzelne von unseren Kolleginnen und Kollegen sein werden, die dann hier, sagen wir mal, der freien Marktwirtschaft huldigen werden? 

6. Warum lassen wir es zu, dass unsere ureigenste Kompetenz, das Medikationsmanagement, so verhunzt wird?  Wir sind keine Ärzte und wollen auch keine sein. Wir sind aber genauso kompetent wie die Ärzte auf unserem ureigenen Gebiet - wenn man uns nur lässt und wenn es wirklich alle Kolleginnen und Kollegen auch wollen. 

Lieber Kammern und Verbände: Es ist ja schön, wenn Sie bestimmte AMTS, Athina und ARMIN- Vorzeigeprojekte zu Recht stolz präsentieren, aber: Wo sind die Verträge über Honorare? Wir haben jetzt geleistet, jetzt müssen andere liefern. Und bitte keine Cent-Beträge. 

Ich bin sowieso mal gespannt auf den Deutschen Apothekertag mit den Sonntagsreden der Politiker, während entweder noch vor den Wahlen oder spätestens danach die Einkünfte der Apotheker mit hundertprozentiger Sicherheit weiter gekürzt werden.

Bei uns Apothekern ist das doch so wunderschön einfach – weil wir noch Träumer sind, Träumer an eine ehemalige goldene Zeit, die aber leider für immer vorbei ist. Um nochmals Herrn Oesterle zu zitieren: „Wer zu spät kommt, den bestraft der Markt“ und wir Apotheker kommen leider immer noch zu spät. 

Lassen Sie uns alle gemeinsam (!) daran arbeiten, dass wir in Zukunft pünktlich, oder noch besser, zu früh sein werden. Und bitte erlauben Sie auch mal Querdenker: Sie schaden uns nichts, können uns aber viel nutzen. Wie gesagt: es geht um unsere Zukunft, da darf es einfach keine Denkverbote geben. 

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion von DAZ.online.


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4 Kommentare

Kann ich nur beipflichten ;)

von Peter Lahr am 18.08.2016 um 15:42 Uhr

Das mit dem Basishonorar hatte ich auch schon mal im Kopf. DAFÜR müsste man aber beim kleinsten gemeinsamen Nenner anfangen und mal eruieren wie hoch denn ein angemessenes Einkommen für diesen Berufsstand durch die gesetzliche übertragene Aufgabe beziffert werden könnte. Denn,was spräche dagegen, eine Untergrenze zu ziehen, meinetwegen analog zu den Ärzten, was ein freier heilberuflicher Apotheker verdienen sollte. Die Ärzte definieren ihr Mindesteinkommen in der Selbstständigkeit mit dem angestellten Oberarzt, was spräche dagegen das Einkommen des Chefapothekers einer Klinik als Mindestgrenze (ich denke nicht dass es einen Oberapotheker gibt, darum Chef, nicht wegen Chefarzt ;)) zu definieren? Und bei uns wäre es sogar günstiger, denn wenn man diese Kosten für die Allgemeinwohlpflicht über einen Fonds finanzieren würde, so würden diejenigen die darüber liegen rausfallen und keinen Zuschuss bekommen. Das wäre fair und würde aber gleichzeitig allen von uns Sicherheit geben, wäre aber wohl nur gerecht durchsetzbar, wenn wir wie die KV so etwas wie Apothekensitze einführen würden. Erst mal etwas Bürokratie, aber ein Wink in die Richtung Heilberufler. Einem Kaufmann eine Niederlassungsbeschränkung aufzuerlegen ist schwer, wenn wir uns aber mehr als Heilberufler definieren sollte so etwas jedoch möglich sein.

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Ihr Statement Herr Pfeifer

von Dr.Diefenbach am 18.08.2016 um 12:06 Uhr

Tja,da steckt viel Wahrheit drin.Ich mutmaße heute:Beim Auftritt der Politiker wird es auf jeden !!! Fall Applaus bis Szenenapplaus geben,es wird auch dieser Apothekertag 2016 mit vielen Hoffnungen und bösen Realitäten enden.Ich sehe dass hinter den Kulissen eine widerwärtige Diskussion um die 3 Prozent abzulaufen scheint,über 1euro 77 Zwangsskonto redet keiner mehr,wir lassen uns anmachen wegen des Rezeptuzuschlages von einem Vfa,dem ich am Apotag eine öffentliche Rüge von Seiten des DAV verpassen würde,dass man sich in derlei Chefetagen zukünftig bessere Duskussionsbeiträge ausdenkt(wer verursacht denn die Hauptkosten????)usw.Ich denke auch dass wir wiederum im Vorfeld zum Apotag Soll und Haben auflisten müssen!Unsere Existenzen sind in hohem Schwebezustand.Das muss endlich aufhören.

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AW: Ihr Kommentar

von Dr. Jochen Pfeifer am 18.08.2016 um 18:52 Uhr

Lieber Herr Dr. Diefenbach, ich stimme Ihnen auch vollkomemn zu. Aber was sollen wir denn machen? Mich hat die Kammer ja zur persona non grata gemacht, ich werde nichts ausrichten können. Die Delegierten werden den Mund nicht aufkriegen- wer soll denn Ihre Forderungen umsetzen? Haben Sie da eine Idee?

AW: @Dr. Pfeifer

von Peter Lahr am 19.08.2016 um 8:43 Uhr

Ausrichten geht doch sehr wohl, das zeigt doch der Artikel im Ärzteblatt. Was war daran das Besondere? Es war ausserhalb unseres Dunstkreises erschienen und die Reichweite aufgrund des zahlenmässigen Verhältnisses Arzt/Apotheker entsprechend höher. Dort mal einen Artikel mit dem Focus auf die tatsächliche wirtschaftliche Realität der Mehrzahl der deutschen Apotheken abseits von Durchschnitt und Treuhand Zahlen wäre für uns zwar nicht neu, aber für den Großteil der Ärzte wohl schon. Und bei allem Kompetenzgerangel, ich schätze dass von deren Seite aus in diesem Punkt, der Wirtschaftlichkeit, wohl Solidarität zu erwarten wäre. Denn, eines ist sicher, unser größtes Problem ist das Bild das wir in der Öffentlichkeit haben und das endlich mal gerade gerückt gehört und das geht nur mit einer Reichweite die auch Menschen ausserhalb unserer Apothekenwelt erreicht, von daher sollte der Ansatz weiter verfolgt werden, das weiche Wasser bricht den Stein wie es mal in der Hymne der Partei hieß, bei der es damals undenkbar gewesen wäre, dass sie heute Heuschrecken hofiert.

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