Arzneimittel und Therapie

Immuntherapie: Impfstoff gegen Cocainsucht?

Der Mißbrauch von Cocain hat weltweit bedrohliche Ausmaße angenommen. Alleine in den USA sind ca. 2,1 Millionen Menschen cocainabhängig, medikamentöse Behandlungsverfahren gibt es beim Cocain Ų im Gegensatz zum Heroin Ų nicht.

Dies hängt damit zusammen, daß die beiden Substanzen auf völlig unterschiedliche Weise in die Erregungsübertragung zwischen Nervenzellen des Gehirns eingreifen. Cocain und Heroin führen zwar beide zu einer Erregung im sogenannten limbischen Cortex, einer Region, die für emotionale Empfindungen wie Zufriedenheit und Glücksgefühl zuständig ist, doch beide Drogen machen dies auf biochemisch ganz andere Weise. Während Heroin direkt an bestimmte Rezeptoren bindet und so die Nervenzelle zur kontinuierlichen Absendung von Impulsen veranlaßt, wirkt Cocain auf indirekte und dadurch subtilere Weise. Wie überall im Gehirn erfolgt auch im limbischen Cortex die Übertragung von Informationen zwischen zwei Nervenzellen durch sogenannte Neurotransmitter. Damit der Informationsfluß nur für eine bestimmte Zeit vonstatten geht, wird die Transmittersubstanz ständig von Transporteiweißen zurück in jene Nervenzelle verfrachtet, wo sie hergekommen ist. Genau hier setzt Cocain einen Mechanismus in Gang, der zur dauernden Absendung von Signalen im limbischen Cortex führt und letzten Endes die Sucht bewirkt: Die Droge blockiert nämlich die Arbeit jenes molekularen Förderbandes, das die Transmittersubstanz Dopamin aus den Synapsen in die Nervenzellen zurückbefördert. Aus der spezifischen Wirkungsweise des Cocains wird auch verständlich, warum alle medikamentösen Ansätze zur Behandlung der Cocainsucht von vornherein wenig Aussicht auf Erfolg haben. Substanzen, die Cocain ersetzen könnten, würden vermutlich das Transporteiweiß für Dopamin genauso blockieren wie die Droge selbst, hätten also den gleichen suchtauslösenden Effekt.

Einen Ausweg aus dem biochemischen Dilemma haben erstmals amerikanische Forscher aufgezeigt. Ihre provokante These: Wenn bis dato alle Ansätze fehlgeschlagen sind, die Wirkung von Cocain im Gehirn zu blockieren oder zu neutralisieren, dann muß man eben verhindern, daß gerauchtes oder geschnupftes Cocain überhaupt in den limbischen Cortex gelangt. Denn würde Cocain völlig oder zum größten Teil bereits in der Blutbahn abgefangen, dann würde natürlich auch nicht der Dopamin-Rücktransportmechanismus unterbrochen. Der die Abhängigkeit verursachende Kick im limbischen Cortex würde also erst gar nicht auftreten. Abhilfe schaffen könnten hier im Blut kreisende Antikörper, die, falls in ausreichender Menge vorhanden, das körperfremde Molekül Cocain in kürzester Zeit binden und neutralisieren würden. Genau diesen Weg haben Barbara S. Fox und ihre Kollegen von der ImmuLogic Pharmaceutical Corporation in Waltham, Massachusetts, beschritten. Sie koppelten Cocain an ein BSA genanntes Serumeiweiß und immunisierten Ratten mit dem biochemischen Konstrukt (Cocain ist ein viel zu kleines Molekül, um immunogen zu wirken). Die Ratten bildeten daraufhin Anti-Cocain-Antikörper. Diese wurden – nach entsprechender Aufreinigung – an andere Ratten verabreicht, die durch eine geschickte experimentelle Vorrichtung die Möglichkeit hatten, bei sich selbst eine Cocainsucht zu induzieren. Wurden die ≥Koksratten" nach einem ≥Schuß" mit dem Anti-Cocain-Antikörper behandelt, so fiel die Konzentration von Cocain im Blut innerhalb von 30 Sekunden dramatisch ab. Cocain gelangte nicht oder nur in sehr geringer Konzentration in den limbischen Cortex. Die Folge: Die Ratten bekamen keinen Kick und verzichteten in Zukunft auf die von ihnen selbst steuerbare intravenöse Zufuhr von Cocain.

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