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Illegaler Anabolikahandel: Kripo warnt vor falschen Anabolika
"""Die Einnahme dieser echt wirkenden Scheinpräparate birgt erhebliche Gesundheitsrisiken in sich", sagt Kriminaloberkommissar Frank Flohr vom Kriminalkommissariat Organisierte Kriminalität Celle, einer Spezialdienststelle der niedersächsischen Polizei. Das Celler Kommissariat hat bereits im Dezember 1997 in Zusammenarbeit mit der Staatsanwaltschaft Deggendorf mehrere Mitglieder einer kriminellen Vereinigung festgenommen, die schon Ende 1993 den illegalen internationalen Handel mit Anabolika organisiert hatte. Beteiligt waren auch die Staatsanwaltschaften Verden und Landshut, das Kommissariat Organisierte Kriminalität Niederbayern/Oberpfalz, weitere Polizeidienststellen sowie Zoll- und Finanzbehörden.
Durchsuchungen und Festnahmen Am 16. Dezember schlug die Polizei zu: Die Durchsuchungs- und Festnahmeaktion richtete sich gegen 32 Tatverdächtige in ganz Europa. In der Bundesrepublik wurden vier führende Mitglieder der Organisation verhaftet. Darüber hinaus wurden sechs weitere Personen festgenommen. Insgesamt wurden 47 Durchsuchungen mit Schwerpunkt im Raum Deggendorf (Bayern) durchgeführt. Die dortige Staatsanwaltschaft hatte schon seit geraumer Zeit einen 30jährigen türkischen Staatsbürger als Kopf des Ringes im Visier. Verhaftet wurden in Bayern fünf weitere Tatverdächtige, darunter ein Fitnessstudio-Betreiber und ein Lebensmittelchemiker und ein Anlageberater aus dem niedersächsischen Verden (Aller). Für die Kripo in Verden war die Selbsttötung eines Bodybuilders Auslöser der Ermittlungen. Er hatte über einen längeren Zeitraum als Zwischenhändler für den gesamten norddeutschen Raum gearbeitet, Wachstumshormone von dem Täterring bezogen und selbst diese Präparate konsumiert. Aufgrund der mit der Einnahme verbundenen Depressionen dürfte er sich nach Angaben der Verdener Kripo das Leben genommen haben.
In Fitness- und Bodybuilderszene verbreitet Die Einnahme von anabolen Steroiden und Wachstumshormonen verbreitet sich in der Fitness- und Bodybuilderszene nach Ermittlungen der Polizei immer rasanter. Dabei sind die Konsumenten häufig bereit, das Vier- oder Sechsfache des eigentlichen Preises zu zahlen, denn diese Medikamente sind allesamt verschreibungspflichtig. Weil sie nicht wissen, aus welchen Quellen die Präparate stammen, gehen die Konsumenten ein hohes gesundheitliches Risiko ein. In Bodybuilderkreisen werden Anabolikatabletten zu einer Mark pro Stück gehandelt. Ampullen kosten 15 Mark je Stück, und Ampullen mit Wachstumshormonen werden zu etwa 300 Mark pro Stück gehandelt, hat die Kripo ermittelt. Diese Nachfrage haben die Täter ausgenutzt. Sie gründeten Scheinfirmen - eine Gaststätte, Boutiquen, Fitness-Center und eine Vertriebsfirma - und kauften mit gefälschten Lizenzen Anabolika en gros in Spanien, Belgien, den Niederlanden und Osteuropa ein. Bei einem einzigen ausländischen Pharmavertrieb sind monatliche Anabolikalieferungen im Wert von jeweils 150000 bis 200000 Mark geordert worden. Im grenzüberschreitenden Handel mit verschreibungspflichtigen Medikamenten kamen den Tätern die Lockerungen im EU-Warenverkehr zugute. Insbesondere nutzten sie den Verzicht auf durchgreifende alternative Kontrollmechanismen an den Grenzen.
Anabolika - auch in Eigenproduktion
Neben dem Handel betrieb der Ring, gegen den die Staatsanwaltschaften inzwischen als kriminelle Vereinigung ermitteln, auch eine eigene Produktion, wie die Durchsuchung von konspirativen Lagern bei Deggendorf und Erlangen ergab. Dort wurden insgesamt
• 600 Kilogramm Anabolikatabletten,
• 50000 Ampullen mit Anabolika,
• 1,3 Millionen verpackte Anabolikatabletten,
• 1000 Ampullen Wachstumshormone (HCG) und 380000 Leerampullen,
• umfangreiche Verpackungsmaterialien,
• mehrere Produktions- und Verpackungsmaschinen,
• 300 Kilogramm Grundstoffe zur Eigenherstellung von Anabolika und
• eine "Pump Gun" - eine Langfeuerwaffe
gefunden. Die beschlagnahmte Ware hatte ein Gewicht von acht Tonnen - ohne die Maschinen.
Den Ermittlungen zufolge erzielte die Täterorganisation legendäre Gewinne. Die Rede ist von 300000 Mark im Monat. Das führte zu einem hohen Lebensstandard der Tatverdächtigen. Man fuhr große Autos, residierte in prächtigen Bungalows, kaufte gewinnträchtige Immobilien. Während der Durchsuchungen wurden bei den Tätern unter anderem 200000 Mark Bargeld, 25000 Mark Sparguthaben und sechs hochwertige Fahrzeuge sichergestellt, darunter ein Ferrari.
Besonderes Problem für die Konsumenten: Die Präparate aus eigener Herstellung wurden von den Tätern in Verpackungen verkauft, die sich von denen echter Medikamente nicht unterscheiden.
Aktuelle Untersuchungsergebnisse des Landesuntersuchungsamtes Südbayern belegen nunmehr, daß die täuschend echt wirkenden Selbstlaborate meist nicht die auf der Verpackung deklarierten Wirkstoffe des Originalherstellers beinhalten und die Wirkstoffdosierungen der Tabletten - auch innerhalb einer Verpackung - häufig erheblich voneinander abweichen.
Die Staatsanwaltschaft Deggendorf und das Kriminalkommissariat Organisierte Kriminalität in Celle warnen alle Konsumenten von Anabolikapräparaten, die ihren Bedarf in der Vergangenheit nicht aus sicheren Quellen - Apotheken, Arztpraxen - gedeckt haben, dringend vor dem weiteren Konsum dieser Präparate. Die Einnahme der echt wirkenden Scheinpräparate berge erhebliche Gesundheitsrisiken.
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