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Arzneimittel und Therapie
Consenus: Medikamentöse Behandlung der Alzheimer-Demenz
Durch eine Behandlung sollte in erster Linie die Lebensqualität des Alzheimer-Patienten gesteigert und kognitive Leistungen, Stimmung und Verhalten gebessert werden. Eine medikamentöse Behandlung ist nur dann indiziert, wenn andere Maßnahmen nicht greifen, eine Gefährdung des Patienten besteht oder der Zustand des Patienten sehr schlecht ist. Da es sich bei Alzheimer-Patienten meist um ältere Patienten handelt, müssen eine verminderte renale Clearance und ein verzögerter hepatischer Metabolismus bei einer medikamentösen Therapie beachtet werden. Oft nehmen diese Patienten noch weitere Medikamente ein, so daß Interaktionen und Nebenwirkungen besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden sollte. Ein besonderes Problem stellen die anticholinergen Nebenwirkungen von bei Alzheimer-Patienten eingesetzten Substanzen dar. Sie verschlechtern die kognitiven Störungen und können ein Delirium auslösen. Pharmaka, die sedierend wirken, können ebenfalls das Denkvermögen beeinträchtigen. Bei vielen Medikamenten muß wegen des verminderten Gefäßtonus bei älteren Menschen mit orthostatischen Reaktionen gerechnet werden, so daß eine einschleichende Dosierung erforderlich ist.
Hirnleistungsstörungen Im Mittelpunkt der derzeitigen Therapie der Alzheimer-Demenz stehen Cholinesteraseinhibitoren, die zu einer verbesserten zentralen cholinergen Transmission führen. Die Cholinesterasehemmstoffe Tacrin und Donepezil können die kognitiven Leistungen steigern oder deren Abbau mindern. Tacrin ist ein reversibler, nichtspezifischer Cholinesterasehemmstoff. Seine Wirkung hält bis zu 7 Stunden an. Er wird in einer Anfangsdosierung von viermal 10mg täglich eingesetzt. Die Dosierung kann auf bis zu viermal 40mg täglich gesteigert werden. Nach den Ergebnissen klinischer Studien mit etwa 2000 Patienten mit leichter bis mittelschwerer Alzheimer-Demenz ist bei 20 bis 30% der Patienten mit einer im Vergleich zu Plazebo deutlichen Besserung der kognitiven Störungen zu rechnen. Bei etwa einem Fünftel der Patienten traten cholinerge Nebenwirkungen auf, bei 29% der Patienten kam es zu einem reversiblen Anstieg der Transaminasenwerte auf das Dreifache der Norm. Daher ist eine regelmäßige Kontrolle der Alanin-Aminotransferasewerte unter einer Tacrinbehandlung erforderlich. Donepezil ist ein Cholinesteraseinhibitor der zweiten Generation, der eine längere Wirkdauer und eine höhere Gehirngewebeselektivität als Tacrin hat. Im Vergleich zu Plazebo verbesserte Donepezil die kognitiven Fähigkeiten wie Gedächtnisleistungen, Orientierungsfähigkeit und Sprache deutlich. Es muß nur einmal täglich eingenommen werden. Die Therapie sollte mit 5 mg/d begonnen werden und kann nach einem Monat auf bis zu 10 mg/d gesteigert werden. Cholinerge Nebenwirkungen treten verstärkt bei höheren Dosierungen auf. Donepezil ist nicht lebertoxisch, so daß eine Kontrolle der Leberfunktion nicht erforderlich ist. Weitere Cholinesteraseinhibitoren und cholinerge Agonisten sind in klinischer Prüfung und werden in Zukunft die therapeutischen Möglichkeiten bei der Alzheimer-Demenz erweitern. Klinische Studien zur Behandlung der Alzheimer-Demenz werden auch mit Östrogenen, nichtsteroidalen Antirheumatika und pflanzlichen Arzneimitteln wie Ginkgo biloba durchgeführt. Untersuchungen mit Vitamin E und dem Monoaminoxidasehemmstoff Selegilin ließen eine verzögerte Abnahme der Hirnleistungsstörungen erkennen. Eine Besserung war mit diesen Substanzen nicht zu erzielen.
Depressionen bei Alzheimer-Demenz In vielen Fällen werden selektive Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer (SSRIs = selective serotonin reuptake inhibitors) wie Fluoxetin, Paroxetin und Sertralin zur Behandlung von Depressionen bei Alzheimer-Demenz gewählt, da diese Substanzen weniger Nebenwirkungen hervorrufen als andere Antidepressiva. Trizyklische Antidepressiva wie Amitriptylin, Imipramin, Anafranil und Clomipramin haben anticholinerge Eigenschaften und können eine orthostatische Hypotension und Überleitungsstörungen am Herzen auslösen.
Agitation und Psychosen bei Alzheimer-Demenz Unter Agitation werden verschiedene Verhaltensstörungen wie Aggression, Streitsüchtigkeit, Hyperaktivität und Enthemmung zusammengefaßt. Etwa 50% aller dementen Patienten weisen solche Verhaltensstörungen auf, vor allem im fortgeschrittenen Stadium. Psychosen treten seltener auf. Antipsychotisch wirkende Substanzen wie Haloperidol und Chlorpromazin sind in der Lage, einige Verhaltensstörungen bei dementen Patienten zu bessern. Am wirksamsten sind sie jedoch bei psychotischen Symptomen. Neuere antipsychotische wirkende Substanzen wie Clozapin, Risperidon und Olanzapin sind noch nicht ausreichend bei älteren Patienten mit Demenz untersucht worden. Fallberichte deuten an, daß sich mit Clozapin und Risperidon in niedriger Dosierung wirksam Agitationen und Psychosen bei älteren dementen Patienten behandeln lassen. Von Vorteil ist dabei das bei niedriger Dosierung geringe Risiko extrapyramidaler Nebenwirkungen. Generell sollte das Nebenwirkungsspektrum die Wahl des Antipsychotikums bestimmen. Hochwirksame Antipsychotika wie Haloperidol verursachen häufig parkinsonähnliche Symptome, während schwächer wirksame Substanzen wie Chlorpromazin sedierend und anticholinerg wirken können. Spätdyskinesien und ein malignes neuroleptisches Syndrom sind schwerwiegende, aber seltene Nebenwirkungen klassischer Antipsychotika. Sie wurden auch unter der Gabe von Risperidon, jedoch nicht unter Clozapin-Therapie beobachtet. Bei Clozapin sind anticholinerge Nebenwirkungen und ein Agranulozytoserisiko zu beachten. Auch Benzodiazepine werden bei Verhaltensstörungen dementer Patienten eingesetzt. Sie sind hilfreich bei Angstzuständen und selten auftretender Agitation. Bei schweren Verhaltensstörungen sind sie jedoch deutlich weniger wirksam als Antipsychotika. Weiterhin werden Antikonvulsiva wie Carbamazepin und Valproinsäure, Trazodon, Buspiron und Serotonin-Wiederaufnahmehemmer zur Behandlung von Verhaltensstörungen bei Demenz eingesetzt. Es fehlen jedoch größere kontrollierte Studien, die die Wirksamkeit belegen. Sie sollten verordnet werden, wenn Antipsychotika nicht vertragen werden oder erfolglos sind.
Literatur Small, G. W., et al.: Diagnosis and treatment of Alzheimer disease and related disorders. J. Am. Med. Assoc. 278, 1363-1371 (1997). Dr. Doris Uhl, Stuttgart
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