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- AZ 25/2001
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Kommentar
Anarchie
Verkommt unser Gesundheitswesen zu einer Anarchie, zu einer Institution, in der Gesetze, Verordnungen und Vorschriften nichts mehr gelten? Darf eine Kasse dazu aufrufen, bestehende Vorschriften zu übertreten? Wenn man die Presseerklärung des AOK-Bundesverbandes von letzter Woche liest, könnte man dies meinen. In dieser Presseverlautbarung lässt der Vorstandsvorsitzende dieser Krankenkasse - also der Repräsentant des größten Kassenverbands in der gesetzlichen Krankenversicherung, erklären, dass derjenige, der seine auf Rezept verordneten Arzneimittel über die niederländische Versandapotheke DocMorris bezieht, keine Zuzahlung leisten muss. Ein Aufruf zum Gesetzesbruch, denn die Zuzahlung auf Rezepten ist gesetzlich vorgeschrieben. Auch deutsche Apotheken dürften, z. B. aus Wettbewerbsgründen, auf das Inkasso der Zuzahlung nicht verzichten. Nach Modellrechnungen des Wissenschaftlichen Instituts der AOK hätten die Versicherten im vergangenen Jahr 330 Mio. DM an Eigenbeteiligung sparen können, die GKV selbst wäre durch den Direktversand auf Einsparungen von mindestens 2 Mrd. Mark gekommen. Wie engstirnig, wie kurzsichtig denken diese Kassenmanager eigentlich? Ganz abgesehen davon, dass solche Rechnungen "Milchmädchenrechnungen" sind, wie die ABDA nachrechnete. Denn solche Einsparungen sind, wenn überhaupt, nur theoretischer Natur. Auch wenn einige wenige Arzneimittel günstiger bezogen werden können, so kann sich der Versand bei weitem nicht für das gesamte Arzneisortiment rechnen. Hinzu kommt, dass bei Bezug über die Versandapotheke, wie es die AOK propagiert, sie selbst auf die Einnahmen aus der Zuzahlung verzichtet, die dann auf der Einnahmeseite fehlen. Doch das Gefährlichste an diesen "AOK-Wohltaten": Man riskiert letztendlich die Zerschlagung eines bewährten Systems, mit dem die GKV-Versicherten bisher sehr zufrieden sind. Denn sollten die Kassen über den Wege des Gesetzesbruchs den Versandhandel in Deutschland erzwingen, und sollte es zu einer entsprechenden Gesetzesänderung kommen, dann kann die deutsche Apotheke nicht mehr die rundum dienstbereite und voll versorgende Apotheke sein - und das Fremd- und Mehrbesitzverbot fällt. Der Gesundheitskasse sei "Dank". Peter Ditzel
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